GroKo drängt auf klare Verhältnisse in Thüringen

FDP-Politiker Kemmerich ist als Ministerpräsident Thüringens zurückgetreten. Die große Koalition in Berlin erwartet, dass "umgehend ein neuer Ministerpräsident im Landtag gewählt wird" und baldige Neuwahlen stattfinden.
Titelbild
Ein typisches Dorf in Thüringen.Foto: iStock
Epoch Times8. Februar 2020

Drei Tage nach seiner Wahl ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich am Samstag mit sofortiger Wirkung als Ministerpräsident Thüringens zurückgetreten. Der Schritt, den er am Vortag noch abgelehnt hatte, erfolgte offenbar auf Druck der großen Koalition in Berlin. Die Spitzen von Union und SPD forderten baldige Neuwahlen in Thüringen. Im Zuge des Debakels entließ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Ostbeauftragen der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU).

Kemmerich erklärte, er werde sämtliche Bezüge, die ihm als Ministerpräsident und geschäftsführender Ministerpräsident zustehen, an die Staatskasse zurückgeben. Am Freitag hatte der FDP-Politiker, der mit den Stimmen von CDU und AfD gewählt worden war, einen sofortigen Rücktritt noch abgelehnt.

„Unverzeihlicher Vorgang“

Über die Vorgänge in Thüringen berieten die Spitzen von CDU, CSU und SPD gemeinsam mit Merkel am Samstagnachmittag im Kanzleramt. In einem Beschluss hieß es, die Wahl des Ministerpräsidenten „mit einer Mehrheit, die nur durch Stimmen der AfD zustande kam, ist ein unverzeihlicher Vorgang“. Jetzt gehe es darum, schnell für stabile und klare Verhältnisse zu sorgen. Als nächster Schritt müsse „umgehend ein neuer Ministerpräsident im Landtag gewählt“ werden.

Weiter hieß es: „Aus Gründen der Legitimation der Politik sind die Koalitionspartner davon überzeugt, dass unabhängig von der Wahl eines neuen Ministerpräsidenten baldige Neuwahlen in Thüringen erforderlich sind.“ Die GroKo-Parteien bekräftigten zugleich: „Regierungsbildungen und politische Mehrheiten mit Stimmen der AfD schließen wir aus.“

Der SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans sagte nach dem Treffen des Koalitionsausschusses auf die Frage, ob Kemmerich auf Druck der GroKo zurückgetreten sei, der Schritt sei „in Kommunikation miteinander“ entstanden. Die FDP habe ihrerseits die Position der Regierungsparteien mitgetragen. Die SPD hatte im Vorfeld die Neuwahl eines Ministerpräsidenten zur Bedingung für den Fortbestand der großen Koalition in Berlin gemacht.

„Ein Stachel in der Geschichte unserer Demokratie“

Die SPD-Ko-Vorsitzende Saskia Esken sagte, die Vorgänge in Thüringen seien „ein Stachel in der Geschichte unserer Demokratie, den wir noch lange spüren“ werden. Er könne aber geheilt werden, wozu auch zügige Neuwahlen beitragen würden.

Die Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte, die Thüringer CDU müsse nun „die zügige Wahl eines Linken zum Ministerpräsidenten ermöglichen“. Dies sei Voraussetzung für alle weiteren Schritte. Für stabile politische Verhältnisse gehe es darum, „perspektivisch Neuwahlen herbeizuführen“.

Linken-Chef Bernd Riexinger nannte Kemmerichs Rücktritt „folgerichtig“. Im Kurzbotschaftendienst Twitter schrieb er: „Der große politische Flurschaden bleibt.“

Der frühere Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nannte Neuwahlen am Freitagabend „fahrlässig“, weil Thüringen dann lange Zeit regierungslos sei. Bei einer erneuten Ministerpräsidentenwahl im Landtag will er selbst wieder für eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung kandidieren.

Hirte entlassen

Die Entlassung des Ostbeauftragten Hirte am Samstagmorgen erfolgte als Konsequenz aus seinem Glückwunsch-Tweet für Kemmerich nach dessen Wahl. Merkel habe im Einvernehmen mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Bundespräsidenten die Entlassung des Parlamentarischen Staatssekretärs vorgeschlagen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Hirte, der auch stellvertretender Landesvorsitzender der CDU in Thüringen ist, hatte nach Kemmerichs Wahl getwittert: „Herzlichen Glückwunsch. Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben.“

Der Thüringer CDU-Generalsekretär Raymond Walk bedauerte die Entlassung Hirtes. Der Druck sei aber offenbar zu groß gewesen, twitterte er. „Völliges Unverständnis“ äußerte die konservative Werteunion in der CDU. Deren Vorsitzender Alexander Mitsch warf Merkel vor, „Kritiker systematisch kaltzustellen“.  (afp/so)



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