Habeck glaubt nicht an Überlastung der Stromnetze
Die steigende Verbreitung von Wärmepumpen und Elektroautos braucht Strom – viel Strom. Mehrere Ingenieure befürchten inzwischen, dass diese Entwicklung zu einer Überlastung der deutschen Stromnetze führen könnte. Sie argumentieren, dass vor allem an sehr kalten Tagen zusätzliche Lasten entstehen könnten, die das Stromnetz überforderten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) widerspricht diesen Bedenken, wie „Blackout News“ berichtet. Er geht davon aus, dass der zusätzliche Stromverbrauch besonders von Wärmepumpen aufgrund ihrer hohen Effizienz gering sei.
Fokus auf Strom
Kritiker werfen Habeck jedoch vor, die Wärmewende zu stark auf Strom zu fokussieren und dass dadurch Engpässe entstehen könnten. Unter den Kritikern befindet sich auch die Bauingenieurin Prof. Dr. Lamia Messari-Becker. In einem Bericht der „Berliner Zeitung“ bestätigt sie den starken Stromfokus der Bundesregierung und spricht in diesem Zusammenhang von einer „selbstverursachten Verknappung“ des Energieangebotes in Deutschland.
Dabei weist Messari-Becker auf bereits heute stattfindende Abschaltungen der Wärmepumpen hin. „Dass Wärmepumpen für wenige Stunden abgekoppelt werden können, ist bereits heute der Fall.“ Der Wärmepumpenanteil im Bestand liegt derzeit bei knapp drei Prozent. „Bei künftigen 30 Prozent oder mehr wären die Folgen völlig andere, sollte der Netzausbau stocken oder das Netz überlastet sein“, warnt die Bauingenieurin.
Die Ingenieurin fordert „eine wirklich diversifizierte und versorgungssichere Energiewende, die neben Strom auch direkte Wärme fördert.“ Deutschland könne hierbei nur erfolgreich sein, wenn es sich bei Energiequellen, Technologien und Instrumenten breiter aufstellte.
Messari-Becker zählt die derzeit funktionierenden Heiztechnologien auf:
- Die Verdichtungstechnik, Stichwort Wärmepumpe.
- Die Brennstoffzelle, die chemische Energie in Strom und Wärme umwandelt.
- Die Eisspeichertechnik, die über die Veränderung der Aggregatzustände von flüssig zu fest und von fest zu flüssig Wärme entzieht bzw. abgibt.
- Die Verbrennungstechnologie, die auch klimafreundliche Energieträger verbrennen kann, etwa Holzpellets und Biomasse und idealerweise in der Zukunft mehr grüne Gase oder synthetische Mittel.
- Die Fernwärme, die Geothermie und Bioenergie nutzt, oder hocheffiziente Blockheizkraftwerke, die gleichzeitig Wärme und Strom produzieren können und so weiter.
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Ausbau in Planung
Dieser Kritik der „selbstverursachten Verknappung“ setzt das Wirtschaftsministerium entgegen, dass der notwendige Ausbau der Verteilnetze und die Erhöhung der Stromerzeugung in Deutschland geplant sind, um die steigende Nachfrage zu bewältigen. Derzeit ist Deutschland mit der Stromversorgung im Rückstand und spätestens seit der Abschaltung der letzten KKW überwiegend zum Stromimportland geworden.
Im Jahr 2022 betrug der gesamte Stromverbrauch (Nutzlast) in Deutschland 484,2 Terawattstunden. Laut der letzten Prognose der Bundesregierung wird dieser bis 2030 auf rund 750 Terawattstunden ansteigen – ein Anstieg von fast 55 Prozent.
Drosselung nur mit Zustimmung?
Eine weitere Debatte entzündet sich um die geplante Regelung, dass Energieversorger den Stromverbrauch von Geräten in der Nähe des Verbrauchers drosseln könnten. Dies soll vor allem Ladestationen für Elektroautos betreffen. Das Wirtschaftsministerium betont, dass solche Maßnahmen nur mit Zustimmung der Verbraucher durchgeführt werden können.
Die Sorge um den Ausbau der Stromnetze ist bedeutsam. Bis 2032 müssen laut Netzentwicklungsplan etwa 145.000 Kilometer neue Stromleitungen verlegt werden, um erneuerbare Energien zu integrieren. Kritiker wie der Vorstandsvorsitzende der Vonovia, Rolf Buch, bemängeln, dass der Ausbau bereits jetzt zu langsam sei.
Darüber hinaus ist 2022 ein erheblicher Teil des erzeugten Ökostroms verloren gegangen, weil die Übertragungskapazität der Netze nicht ausreichend war. Die Netzbetreiber mussten überschüssigen Strom von etwa Windkraftanlagen im Norden des Landes teilweise billig oder gar gegen Bezahlung ins Ausland exportieren.
Diese verschiedenen Aspekte lassen die Bedenken um eine mögliche Netzüberlastung trotz Habecks Beruhigungsversuchen relevant erscheinen.
Habeck: „Wir sind nicht auf Kurs“
Auf der Republica-Konferenz in Berlin äußerte Habeck am 5. Juni Zweifel an der Umsetzung der Klimaziele und seinem eigenen Heizungsgesetz, berichtete die „Welt“. Trotz der Unterstützung des überwiegend grünen Publikums betonte Habeck, dass diese Meinungen nicht repräsentativ für das gesamte Land seien.
Nach einer kritischen Frage zur Klimawende antwortete Habeck ehrlich, dass Deutschland auf aktuellem Kurs das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen werde. „Kein Bullshit: Wir sind nicht auf Kurs“, so der Minister. Er fügte hinzu, dass gesellschaftliche Veränderungen nicht linear verlaufen und dass die Politik allein die Klimawende nicht vollziehen könne.
Der Vizekanzler will weiter dafür arbeiten, die Menschen von seiner Klimapolitik zu überzeugen und hofft auf eine gesellschaftliche Mehrheit. Dies dürfe jedoch schwierig werden, da die Beliebtheit Habecks spätestens mit der Graichen-Affäre deutlich nachgelassen hat.
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