Habeck stellt Wasserstoffplan vor – aber ohne die nötigen Speicher

Die Bundesregierung will Deutschland auf Wasserstoff umstellen. Dazu stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Pläne für den Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes vor. Doch diese sind unvollständig.
Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht neben Thomas Gößmann, Vorstandsvorsitzender FNB Gas e.V, zu den Plänen für ein deutsches Wasserstoffkernnetz.
Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht neben Thomas Gößmann, Vorstandsvorsitzender FNB Gas e.V, zu den Plänen für ein deutsches Wasserstoff-KernnetzFoto: Michael Kappeler/dpa
Von 20. November 2023

Die Bundesregierung stellte die Pläne für den Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes in Deutschland vor. Die für das Netz benötigten Speicher sind darin jedoch außen vor gelassen.

„Wir müssen jetzt ein Netz aufbauen für einen Energieträger, der noch nicht da ist“, verkündete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vergangene Woche bei der Vorstellung der aktualisierten Netzkarte. Der Grünenpolitiker bezeichnete das Wasserstoff-Kernnetz als die „Bundesautobahnen der künftigen Wasserstoff-Infrastruktur“.

Fast 10.000 Kilometer bis 2032

Die bereits vorhandenen Erdgas-Leitungen können zu gut 60 Prozent für Wasserstoff eingesetzt werden. Für den restlichen Teil müssen Neubauten verlegt werden, wie die „Welt“ berichtet. Der Chef des Verbandes der Fernleitungsnetzbetreiber, Thomas Gößmann, rechnet damit, dass der erste Wasserstoff im Jahr 2025 durch das Netz fließen wird. „Wir wissen, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Die Bagger müssen nächstes Jahr rollen.“

Die Fernleitungsbetreiber reichten am Mittwoch, 15. November, einen ersten Entwurf für ein künftiges Kernnetz bei der Bundesnetzagentur ein. Dieses soll demnach bis 2032 in Betrieb gehen und circa 9.700 Kilometer Leitungen umfassen.

Dieses Vorhaben ist ein signifikanter Teil der von der Bundesregierung angestrebten Energiewende, die eine umfassende Loslösung von fossilen Energieträgern wie etwa Erdgas beinhaltet. Wasserstoff soll dabei vor allem als Energieträger in der Industrie sowie als Ersatz für Erdgas in der Stromproduktion zum Einsatz kommen.

Habeck stellt Wasserstoffplan vor – jedoch ohne die nötigen Speicher

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck stellt auf einer Pressekonferenz den Wasserstoffplan vor. Foto: BMWK

Umwandlung der Speicher nicht so einfach?

„Mit dem Wasserstoff-Kernnetz sollen derzeit bekannte große Verbrauchs- und Erzeugungsregionen für Wasserstoff in Deutschland erreicht und so zentrale Wasserstoff-Standorte, beispielsweise große Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore, angebunden werden“. Dies sei die Voraussetzung, Kraftwerke „auf Wasserstoff umzurüsten oder durch neue Wasserstoff-Kraftwerke zu ersetzen“.

Wasserstoff ist wie Erdgas ein Energieträger, allerdings ein sekundärer, der erst durch einen Umwandlungsprozess mit einer Primärquelle einsetzbar gemacht werden muss. Nach seiner Herstellung wird der Wasserstoff nicht sofort verbraucht. Er wird transportiert und zwischengelagert. Für die Planung und den Aufbau des äußerst wichtigen Speichernetzes sieht sich laut der „Welt“ derzeit aber offenbar niemand zuständig – weder Pipeline-Planer noch die Bundesregierung.

Die Initiative Energien Speichern (INES) machte bereits Ende Oktober auf diese gravierende Lücke aufmerksam. Dass Deutschland über die größten Gasspeicherkapazitäten in der Europäischen Union verfügt, lässt vermuten, dass hierin kein Problem bestehe. Die Gasspeicher können derzeit Erdgas mit einer abrufbaren Leistung von circa 256 Terawattstunden aufnehmen. Allein damit könnte sich Deutschland für mindestens zwei kalte Wintermonate hinweg versorgen.

Allerdings ist es nicht so leicht, die bestehenden Erdgasspeicher in Wasserstoffspeicher umzuwandeln. Das liegt an den seit vergangenem Jahr reduzierten Gasimporten. Von einst teils über 5.000 Gigawattstunden pro Tag beträgt die tägliche Importmenge aktuell nur noch rund 2.000 Gigawattstunden, wie „Statista“ veranschaulicht. Aufgrund der Streitigkeiten mit Russland bezieht Deutschland seit dem 1. Januar 2023 endgültig kein Gas mehr von dort. Auf ein neuerliches Angebot seitens Russland Anfang Oktober, Deutschland erneut Gas durch die letzte unbeschädigte Nord Stream-Röhre zu liefern, reagierte die Bundesregierung bisher nicht.

Schwierige Situation für Wasserstoffspeicher

Ausreichend Ersatz konnte Deutschland bisweilen noch nicht beschaffen. Somit könnte der wichtige Brennstoff Erdgas noch über Jahre hinaus als knapp gelten, wodurch die bestehenden Gaskapazitäten unverzichtbar bleiben. Unter diesem Umstand ist es fragwürdig, ob die Bundesnetzagentur freiwillig auf große Gasspeicher für RWE oder andere Wasserstoff-Akteure aus dem System verzichtet. Laut INES ist eine Umwidmung eines bestehenden Speichers keine kurze Angelegenheit. Dieser Prozess dauere sechseinhalb bis siebeneinhalb Jahre. In dieser Zeit könne in den Behältern weder Erdgas noch Wasserstoff gespeichert werden.

Es führt also kein Weg dran vorbei, neben dem bestehenden Gasspeichernetz parallel neue Wasserstoffspeicher zu errichten. Doch auch das braucht seine Zeit. Zumal hier neben anderen Hindernissen ein Wettbewerb mit der Bundesgesellschaft für Endlagerung um geeignete Salzstöcke für Atommüll im Untergrund herrscht, wie „Blackout News“ berichtet. Salzstöcke werden häufig als unterirdische Gasspeicher verwendet. Gesetzlich hat die Endlagersuche Vorrang. Demnach sind die möglichen Speicherkapazitäten für Wasserstoff unter Umständen sehr begrenzt.

Die Errichtungszeit von Wasserstoffspeichern liegt bei rund elf Jahren. Würde man noch in diesem Jahr mit dem Bau beginnen, wären sie erst 2034 fertiggestellt – gemessen an der geplanten Inbetriebnahme des Wasserstoff-Kernnetzes zwei Jahre zu spät.

Laut dem Speicherverband INES hätte der Neubau von Speichern bereits 2020 beginnen sollen. Aktuell gibt es erst 23 kleine Pilotprojekte für Wasserstoffspeicher. Größere kommerzielle Projekte bleiben wegen fehlender Investitionssicherheiten gänzlich aus.

Dabei werde der Speicherbedarf für Wasserstoff in den kommenden Jahren stark ansteigen. Bis 2030 wird eine Kapazität von zwei Terawattstunden benötigt. 2035 sind es dann schon 15 Terawattstunden und 2045 werden voraussichtlich 64 bis 105 Terawattstunden benötigt.

Kosten übernimmt der Verbraucher

Die Betreiber rechnen allein für das Wasserstoff-Kernnetz und der damit einhergehenden Transformation von Deutschlands Energie-Infrastruktur mit Investitionskosten in Höhe von knapp 20 Milliarden Euro.

Die Finanzierung dafür überlässt Habeck „gerne der Marktwirtschaft, also privaten“ Stellen. Das Bundeswirtschaftsministerium will das Wasserstoff-Kernnetz „grundsätzlich vollständig über Netzentgelte finanzieren“, erklärte der Bundeswirtschaftsminister am Mittwoch. Damit übernehmen die Verbraucher die Finanzierung. Zuvor hatte das Kabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet, der den entsprechenden gesetzlichen Rahmen dafür setzen soll.

Der Gesetzentwurf sieht dafür unter anderem Regelungen zur Finanzierung vor. Demnach sollen die Netzentgelte für das Wasserstoff-Kernnetz gedeckelt werden, damit sie in den ersten Jahren nicht ausufern und „den Wasserstoffhochlauf behindern“. Die Betreiber erhalten eine Risikoabsicherung des Bundes. Auch sollen spätere Nutzer des Netzes durch Zahlungen auf eine Art Amortisations-Konto rückwirkend zum Aufbau beitragen.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte den Ansatz. Es sei richtig, „dass die erfahrenen Netzbetreiber das Wasserstoffnetz aufbauen und keine staatliche Gesellschaft, die am Reißbrett entsteht“, erklärte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Eine staatliche Absicherung sei zudem der richtige Weg, um „für ein angemessenes Investitionsumfeld zu sorgen“. Es bleibe nun abzuwarten, wie potenzielle Investoren dies bewerten.

(Mit Material von AFP)



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