Immunitätsausweis: „Diskriminierung“ per Gesetz – Bundesdatenschutzbeauftragter sieht Grundrecht in Gefahr

"Die nun dem Kabinett vorgelegte Fassung berücksichtigt meine Hinweise leider nur unzureichend", heißt es in einer Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber. Er kritisiert den von Bundesgesundheitsminister Spahn beabsichtigten Gesetzentwurf zur Erteilung eines Immunitätsausweises.
Epoch Times2. Mai 2020

Noch ist nicht bekannt, ob eine Immunität gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 nach einer Infektion besteht. Ein Impfstoff ist zwar in der Testphase, aber Ärzte und Wissenschaftler hegen Zweifel, ob dieser zu einer dauerhaften Immunität führen könne. Auch das Robert Koch-Institut, die oberste staatliche Gesundheitsbehörde, hält sich mit Aussagen zur Immunität zurück. Dennoch hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch (29.4.) Zustimmung im Kabinett für seinen Gesetzesentwurf gefunden. Dieser läuft darauf hinaus, dass Personen, die eine COVID-19-Erkrankung überstanden haben, mit einem Immunitätsausweis ausgestattet werden.

„Gravierende Bedenken gegen die von der Bundesregierung vorgesehene Rechtsgrundlage für einen digitalen Seuchenpass führt der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber ins Feld“, meldet „Heiseonline“ und verweist auf eine Stellungnahme vom 30. April. Darin heißt es:

Die nun dem Kabinett vorgelegte Fassung berücksichtigt meine Hinweise leider nur unzureichend. Insgesamt tragen die vorgesehenen Regelungen der Bedeutung des Datenschutzes als Schutz des Grundrechts der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung nicht gebührend Rechnung. Zudem wird nicht genügend berücksichtigt, dass die Ausweitung von Meldepflichten für Gesundheitsdaten, also besonders geschützte personenbezogene Daten, einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellt und dementsprechend zu begründen und zu rechtfertigen ist.

Grundsätzlich sei festzustellen, dass bezüglich der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie fehlende belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse zu Infektionsweg und –gefahr, Erkrankungswahrscheinlichkeit und Wiederansteckungsgefahr, zielführender medikamentöser Behandlung sowie (möglicherweise unter Umständen) mangelnde Behandlungskapazitäten nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Regierung große Unsicherheit auslösen. Dieser Unsicherheit solle nun offenbar mit „umfassender Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten“ begegnet werden. „Das hierbei nötige Augenmaß lässt der Gesetzentwurf leider vermissen“, schreibt Kelber.

Meldepflicht „auf den Verdacht“ ausgeweitet

Abgesehen von der berechtigten Aufnahme von der COVID-19-Erkrankung und SARS-CoV-2 in die Listen der meldepflichtigen Erkrankungen und Krankheitserreger, werde nun für neue bedrohliche Krankheiten die Meldepflicht bereits „auf den Verdacht“ ausgeweitet. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Verdacht gegeben sei, werde jedoch nicht festgelegt. Insoweit stellt der Bundesdatenschutzbeauftragte fest: „Diese Unklarheit ist problematisch, da dieser Verdacht bereits eine namentliche Meldepflicht auslöst und Grundlage für behördliche Maßnahmen sein kann.“

Ferner werde eine Meldepflicht auch bei negativer Corona-Testung eingeführt. Konkrete Ausführungen dazu, welche Vorteile sich hieraus gegenüber einer rein statistischen Erfassung ergeben, würden jedoch fehlen. Die verfassungsrechtlich erforderliche Abwägung mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bleibe die Gesetzesbegründung ebenfalls schuldig. Kelber kritisiert: „Die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Regelung bezweifle ich, zumal von den nicht-infizierten Betroffenen keinerlei Gefahr ausgehen dürfte.“

Erweiterter Impfpass

Zudem solle durch eine ergänzende Regelung der Impfpass um den Immunstatus erweitert werden. Damit ändere sich dessen Charakter: Bisher seien die Eintragungen auf die Dokumentation einer vorgenommenen Impfung beschränkt gewesen. Nun sollen medizinische Bewertungen und Befunde, nämlich der Serostatus und die Immunität gegen eine Krankheit, dort aufgenommen werden können. Aufgrund der aktuellen Lage der Verunsicherung befürchte Kelber, dass eine solche Dokumentation zu einer „missbräuchlichen Verwendung“ verleiten könne. Er weist daher mit Nachdruck darauf hin, dass es sich bei diesen Informationen um Gesundheitsdaten handelt, deren Verarbeitung nach Artikel 9 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) „grundsätzlich untersagt und nur unter den in Artikel 9 Absatz 2 DSGVO genannten Voraussetzungen „ausnahmsweise zulässig“ sei.

Der Datenschutzbeauftragte befürchtet weiterhin, dass diese Informationen zu einer „Diskriminierung der Betroffenen“ beispielsweise für den Fall führen können, dass sie eine Immunität nicht nachweisen können. Besonders problematisch sei in diesem Zusammenhang, dass es längst erste Bestrebungen zu einer digitalisierten Form der Dokumentation (Impfpass-App) gäbe. Aktuellen Presseberichten könne man bereits entnehmen, dass Geschäfte und andere Private die Nutzung ihres Angebotes von einem Immunitätsnachweis abhängig machen wollen. „Dies wäre nach Artikel 9 DSGVO unzulässig.“ Ein entsprechender Passus solle zur Klarstellung in die Begründung aufgenommen werden. Besser noch solle eine konkrete Formulierung jegliche Bestrebungen dieser Art unterbinden.

Gegenwind von den Linken

Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch lehnt den von der Bundesregierung im Zuge der Coronakrise geplanten Immunitätsausweis ab. „Ich finde einen Immunitätsausweis, der womöglich reguliert, wer raus darf und wer nicht, völlig falsch“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagsausgaben). Das sprenge einen Rahmen.

„Ich will keinen Überwachungsstaat“, so Bartsch. Er fügte mit Blick auf die Einschränkung von Freiheitsrechten hinzu: „Wir müssen immer wieder laut aussprechen, dass es solche gewaltigen Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte noch nie gegeben hat und alles getan werden muss, damit diese Einschränkungen so schnell, wie es gesundheitspolitisch möglich ist, aufgehoben werden.“ Bei manch einem Minister habe er aber das Gefühl, dass er mit mehr autoritärem Agieren ganz gut leben könnte.

„Da werden wir nachdrücklich gegen halten, hier übrigens gemeinsam mit FDP und Grünen“, so der Linksfraktionschef.

Voraussetzung für die Einführung eines solchen Dokuments sei, dass wissenschaftliche Beweise dafür vorlägen, dass sich Menschen nach einer Corona-Erkrankung nicht wieder anstecken können, hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt. Insoweit handele es sich bei dem Gesetz  um eine „vorsorgliche Regelung“. (dts/sua)



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