Klimapolitik als Dolchstoß für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Laut einem Report der Bertelsmann Stiftung deutet vieles darauf hin, dass die hochgesteckten Klimaziele der Bundesregierung den Wirtschaftsstandort Deutschland noch unattraktiver machen könnten. Dabei schwächelt Deutschland ohnehin schon.
Deutschland
Quo Vadis Industrie? Der Wirtschaftsstandort Deutschland schwächelt.Foto: iStock
Von 4. November 2023

Der neue Megatrend-Report der Bertelsmann Stiftung, „Der grüne Standort-Wettbewerb“, offenbart, wie die ehrgeizige Klimapolitik der Bundesregierung der Industrie und der Wirtschaft schaden könnten.

Die Bundesregierung will bis 2045 Klimaneutralität erreicht haben. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung versteht darunter, „dass menschliches Handeln das Klima nicht beeinflusst“. Dazu hat der Bund bereits zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, wie die Energiewende, die Wärmewende, die Reform der Lkw-Maut oder den Klima- und Transformationsfonds. Dabei soll auch die Industrie transformiert werden.

Die Autoren des Megatrend-Reports stellen zwei Fragen, die sich auch Politik und Öffentlichkeit zunehmend aufdrängen: Wie wettbewerbsfähig sind der Standort und die Industrienation Deutschland noch im internationalen Vergleich? Und wie kann die deutsche Wirtschaft bis 2045 erfolgreich in eine nachhaltige, stabile Marktwirtschaft transformiert werden?

Mehr Finanzabflüsse als -zuflüsse

Ein wichtiger Indikator, wie stabil ein Standort ist, sieht man an den Nettoinvestitionen in die Unternehmen eines Landes. Je höher das Vertrauen der Menschen in einen Standort ist, desto höher sind in der Regel die Investitionen in die Unternehmen in diesem Standort.

Allerdings haben im vergangenen Jahr deutsche Unternehmen und Investoren 132 Milliarden Dollar (124,5 Milliarden Euro) mehr im Ausland investiert, als ausländische Firmen in den Standort Deutschland investiert haben. Das bestätigt die rückläufige Standortattraktivität Deutschlands.

Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, bewertete diese Investitionsdifferenz zulasten Deutschlands als „historisch hoch“. Weiter erklärte er:

Wohin Kapital aus Deutschland fließt, hat mit der zu erwartenden Rendite und den Zukunftsaussichten des Standorts zu tun. Und da fällt der deutsche Standort zurück.“

Wenn deutsche Unternehmen vor allem im Ausland investieren, könne solch eine Verlagerung Wachstumseinbußen für das Inland zur Folge haben. „Fällt dann noch der Exportmarkt weg, ist eine Rezession unvermeidbar.“

Allerdings sehe es auch dabei schlecht aus, so Hüther weiter.

Aktuell ist der Exportüberschuss so niedrig wie seit über zwanzig Jahren nicht mehr, weil sich Importe verteuern und die Weltwirtschaft schwächelt.“

Deutschland schwächelt im internationalen Ranking

Bis heute hat es Deutschland geschafft, seine CO₂-Emissionen seit 1990 um rund ein Drittel zu senken, wie „Statista“ zeigt. Das scheint jedoch seinen Preis zu haben: Hohe Energiekosten, anhaltender Fachkräftemangel und lähmende Bürokratie setzen die deutsche Wirtschaft bereits seit Jahren unter Druck.

Nun legt die Bundesregierung zunehmend Wert auf Klimaschutzmaßnahmen, die auch die hiesige Industrie tangiert. In Kürze kommt ein höherer CO₂-Preis, die Lkw-Maut wird aufgrund neuer CO₂-Komponenten teurer und ein sogenannter Klimazoll wird eingeführt.

Bereits heute zählt der deutsche Wirtschaftsstandort jedoch längst nicht mehr zu einem der führenden in der Welt. Die Bertelsmann Stiftung erwähnt im neuen Report zwei Rankings aus diesem Jahr, die Deutschlands Position im internationalen Vergleich aufzeigen. Die Messkriterien bestehen vordergründig aus Steuerlast, Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur und Institutionen sowie Energie.

Das erste Ranking stammt vom Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und führt 21 Volkswirtschaften aus aller Welt auf. Der Wirtschaftsstandort Deutschland belegt darin den 18. Platz. Als zweites Ranking führt der Report ein Ranking des Internationalen Instituts für Managemententwicklung (IMD) auf, das die Wettbewerbsfähigkeit von 63 Ländern verglich. Hier belegt Deutschland Platz 22.

Ganz vorn dabei sind in beiden Rankings Länder wie die USA, Dänemark, Irland, die Schweiz, Kanada oder Schweden.

Kritische Abhängigkeiten bleiben

Laut dem Report ist der Wirtschaftsstandort Deutschland derzeit stark von teils teuren Rohstoffimporten abhängig. Erdgas aus Russland lehnt die Regierung weiterhin konsequent ab. – Das Angebot Moskaus, Gas über die vierte, noch intakte Röhre der Nord-Stream-Pipelines zu liefern, blieb von Berlin unbeantwortet. Auch heimisches Frackinggas will die Bundesregierung nicht fördern.

Rund 64 Prozent der für die Industrie und das Gewerbe benötigten Rohstoffe kommen laut dem Report aus anderen Ländern. Bei Metallerzen ist die deutsche Wirtschaft nahezu vollständig auf Importe angewiesen. Dasselbe gilt für fossile Energieträger wie Erdöl (95 Prozent), Erdgas (98 Prozent) und Steinkohle (100 Prozent). Aufgrund anhaltender geopolitischer Verteilungskonflikte könne es für Deutschland künftig schwierig werden, Rohstoffe zur Herstellung „grüner“ Technologien und Industrieerzeugnisse zu bekommen.

Besonders wichtig für etwa die Energiewende sind metallische Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Lithium und Kobalt. Hierfür erwartet die Bertelsmann Stiftung Engpässe. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) steige die Nachfrage nach diesen Metallen in den nächsten zwei Jahrzehnten weltweit durchschnittlich um 40 Prozent bei Kupfer, um 40 bis 60 Prozent bei Kobalt und Nickel sowie um über 80 Prozent bei Lithium. Möglich sei auch, dass andere Metallpreise durch die starke Nachfrage aufgrund der Energiewende historische Höchststände erreichen.

Hüther: Grüne Transformation für 5 Billionen Euro

Damit die ökologische Transformation Deutschlands gelingt, befürwortet Hüther den „zügigen Ausbau der ‚erneuerbaren‘ Energien“. Dementsprechend müsse auch die dazugehörige Leitungs- und Transportinfrastruktur ausgebaut werden. „Die überbordende Bürokratie sowie zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren sind dabei seit Jahren ein Problem“, beklagte er.

Zudem müsse es eine „Konstanz der Wirtschaftspolitik“ und eine „Garantie für wettbewerbsfähige Energiepreise“ geben. „Die grüne Transformation erfordert in Deutschland klimafreundliche Investitionen von schätzungsweise fünf Billionen Euro [bis 2030]. Um dies zu gewährleisten, benötigt es einen handlungsfähigen Staat mit einem geeigneten finanziellen Spielraum“, sagte Hüther.

Ein Hindernis für diese grüne Transformation der Industrie könnte der zunehmende demografische Wandel und der weiterhin anhaltende Fachkräftemangel sein. Denn die Zahl der erwerbsfähigen Menschen in Deutschland sinkt stetig. Die Bertelsmann Stiftung stellte ihrerseits fest, dass sich die Bildungsqualität in Deutschland verschlechtert hat. Das verschärft das Problem des Fachkräftemangels zusätzlich. Ebenfalls sei die Anzahl der Patentanmeldungen aus Deutschland rückläufig, was auf eine Abnahme der Forschungs- und Entwicklungserfolge hinweist.



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