„Letzte Generation“ will ganz Deutschland blockieren – neue Aktion in Köln

„Der Widerstand wird größer als je zuvor“ – die Aktivistengruppe „Letzte Generation“ will auch mit einem Gesellschaftsrat mehr Einfluss ausüben. In Köln erlebten die Verkehrsteilnehmer nun, was demnächst vermehrt folgen könnte.
„Letzten Generation“
Aktivisten der „Letzten Generation“ bei einer Straßenblockade im Dezember 2022 in Berlin. Die jüngste fand am 3. Februar in Köln statt.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 3. Februar 2023

Die Klimaschutz-Protestgruppe „Letzte Generation“ kündigte an, ihre Blockade- und Störaktionen in diesem Jahr auf ganz Deutschland deutlich auszuweiten.

„Der Widerstand wird 2023 größer als je zuvor“, sagte kürzlich Aimée van Baalen, eine Sprecherin der Gruppe. „Wir werden massiv auf die Straßen gehen.“ Ab 6. Februar sollten Protestaktionen „in allen Regionen Deutschlands“ stattfinden.

Wir werden an so vielen Stellen wie möglich den Alltag in dieser Republik unterbrechen.“

Man wolle die Störungen „in jede Stadt und jedes Dorf tragen, mit immer mehr Menschen“. Wie genau die Aktionen aussehen sollen, sagte die Gruppe noch nicht.

Vor knapp einem Jahr, am 24. Februar 2022, blockierte die Gruppe in Berlin zum ersten Mal eine Straße. Es folgten zahlreiche Blockaden auf Autobahnen mit langen Staus sowie Störungen in Museen und Ministerien. Oft klebten sich Demonstranten fest, damit die Räumung lange dauert.

Einmal behinderte eine Straßenblockade der Aktivisten einen Rettungseinsatz eines Krankenwagen. Die Klimablockaden haben möglicherweise die Rettung einer verunglückten Fahrradfahrerin verhindert. Die „Letzte Generation“ hofft nun darauf, dass immer mehr Menschen teilnehmen, um das Land „zum Stillstand“ zu bringen. Das sei ein „entscheidender Faktor“, sagte van Baalen.

Blockadeaktion in Köln

Bei ihrer jüngsten Aktion blockierten Aktivisten der „Letzten Generation“ in Köln am Freitag, dem 3.2.2023, eine Hauptverkehrsstraße. Einige Demonstranten klebten sich auf dem Asphalt fest, Fahrzeuge mussten stoppen. Viele Autofahrer reagierten mit Unverständnis.

Wenn wir so weitermachen, dann ist nicht der Planet kaputt, sondern wir haben die Gesellschaft kaputtgemacht. Wir haben kein Miteinander mehr. Das ist ein Gegeneinander. Das ist ein berechtigter Grund, aber nicht die Art und Weise. So gehen wir nicht miteinander um“, sagte die Autofahrerin Isabelle Mehl zu Reuters.

Grundsätzlich sei es ja richtig, auf die Straße zu gehen und gegen den Klimawandel zu demonstrieren. „Das ist ein wichtiges Thema, das wir bestimmt in den letzten 15 bis 20 Jahren zu sehr vernachlässigt haben. Auf der anderen Seite schauen Sie sich unsere Gesellschaft an, wo wir sind, wie schlecht wir alle miteinander umgehen“, so Mehl.

Autofahrer Emre findet deutlichere Worte: „Prinzipiell bringt das ja gar nichts. Die Autos stehen hier im Stau. Die verbrennen jetzt alle mehr Benzin, Diesel als auf der normalen Straße. Und die denken, also was heißt, die denken, die behaupten ja, wir würden an uns denken. In diesem Fall, in diesem Moment denken die nur an sich selber, indem die da sitzen.“

Die Kölner Demonstranten äußern Verständnis für den Unmut der Autofahrer, an ihrer Haltung ändere dies allerdings nichts. „Ich weiß auch genau, dass ich auch für deren Kinder hier sitze und das Richtige tu“, sagt die Sprecherin der Demonstranten, Caroline Schmidt. „Wir setzen uns für die Menschen ein und wir fordern die Regierung auf, zu handeln. Dies tut sie aber leider nicht. Es geht um die Lebensgrundlage von uns allen und die Lebensgrundlage der Kinder und der Kindeskinder. Dass sie noch auf eine Zukunft hoffen dürfen.“

Rund zwei Stunden dauerte die Aktion, am Ende musste die Polizei die Demonstranten wegtragen.

„Letzte Generation“ will Gesellschaftsrat errichten

Van Baalen sprach am Montag, dem 30.01.2023, in Berlin darüber, auch einen „Gesellschaftsrat“ zu bilden, berichtete „RND“. Dabei soll es sich um einen Bürgerrat mit deutlich mehr Einflussmöglichkeit handeln. In ihm sollen zufällig ausgeloste Menschen sitzen. Dieser soll dann Schritte ausarbeiten, damit Deutschland ab 2030 klimaneutral ist.

Die Ergebnisse der bisher in Deutschland organisierten Bürgerräte landen laut Ansicht der „Letzten Generation“ aber zu oft in den Schubladen von Parteien und Ministerien, statt Eingang in Gesetze zu finden. Daher fordert van Baalen, dass Regierungen sich schon im Vorfeld der Bürgerräte dazu bekennen, die Ergebnisse unabhängig von ihrem Inhalt umzusetzen.

Die Klimaaktivistin will einen Rat, der auch Gesetze beschließen kann. Die Ampelkoalition hingegen will lediglich Räte, die dem Bundestag Empfehlungen aussprechen. „Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt“, heißt es aber im Koalitionsvertrag.

Reaktionen auf Gesellschaftsrat

Der FDP Politiker Konstantin Kuhle reagierte skeptisch zu den Plänen von van Baalen, wonach die Bürger in dem Gremium Gesetze erarbeiten und beschließen sollten: „Das ist doch der Deutsche Bundestag!“

Der AfD-Politiker Harald Laatsch befürchtete daraufhin, dass die Aktivisten eine Räterepublik in Deutschland errichten wollen.

Die Politikwissenschaftlerin Brigitte Geißel forscht an der Goethe Universität Frankfurt zu „demokratischen Innovationen“, zu denen sie auch Bürgerräte zählt. „Die Idee eines Bürgerrats, in dem zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger, die in ihrer Zusammensetzung dann zum Beispiel bei Alter und Geschlecht der deutschen Bevölkerung entsprechen, miteinander diskutieren, ist relativ neu.“

Mehr als 900.000 Euro Spenden

Im vergangenen Jahr hätten sich in vielen Städten rund 800 Menschen bei Blockaden festgeklebt, sagte Sprecherin Carla Hinrichs. Eine genaue Anzahl der Unterstützer sei nicht bekannt. „Es sind so viele Menschen, hunderte, ganz genau wissen wir es nicht.“ Entweder müsse die Regierung „uns alle wegsperren“ oder die Forderungen akzeptieren.

Einige Unterstützer werden von der Gruppe und einer verbundenen Initiative aus Spendengeldern bezahlt, vor allem für Vorträge und weitere Bildungsarbeit, wie es im Transparenzbericht heißt. Im vergangenen Jahr gingen mehr als 900.000 Euro Spenden ein. Die Gruppe gab 535.000 Euro aus.

Momentan bekommen die Klimakleber Monatsgehälter von bis zu 1.300 Euro, je nachdem, wie viel zum Leben benötigt werde. Das Konstrukt: Das Geld komme von Spenden, die die „Letzte Generation“ erhalte. Das „Wandelbündnis“ gebe den rechtlichen Rahmen und stelle die Verträge aus.

(Mit Material von dpa)



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