Ministerin auf zwei Hochzeiten: Massive Kritik an Faesers Spitzenkandidatur in Hessen

Mit Nancy Faeser steht die Spitzenkandidatur der Hessen-SPD für die Landtagswahl im Oktober fest. Das löste über die Opposition hinaus Kritik aus. Auch eine Meinungsumfrage in der Bevölkerung zeigt ein deutliches Negativbild.
«Wir wollen, dass Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen und durchstarten können»: Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
„Wir wollen, dass Fachkräfte schnell nach Deutschland kommen und durchstarten können“: Bundesinnenministerin Nancy Faeser.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 4. Februar 2023

Die hessische SPD hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu ihrer Spitzenkandidatin für den Landtagswahlkampf bestimmt. Dafür sprachen sich am Freitag die Parteigremien beim Hessengipfel der SPD im osthessischen Friedewald einstimmig aus, wie Faeser sagte. „Ich freue mich sehr darüber“.

Die Tatsache, dass Faeser trotz der Spitzenkandidatur Bundesinnenministerin bleiben will, war auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicher gab, dass die Arbeit seiner Ministerin nicht beeinträchtigt werde, kritisierten Politiker anderer Parteien Faesers neue Doppelrolle.

Dazu sagte Faeser am Freitag in Friedewald, es sei eine demokratische Selbstverständlichkeit, aus einem Amt heraus zu kandidieren. Sie habe dafür die volle Rückendeckung auch von Scholz. Es sei außerdem jetzt nicht die Zeit für Wahlkampf in Hessen, daher werde sie sich in den nächsten Wochen und Monaten voll auf das Amt der Bundesinnenministerin konzentrieren.

Aus den Reihen der Koalitionspartner als auch der Opposition kritisierte man Faesers Entscheidung. So äußerte der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz per Twitter: „Die Führung des Bundesinnenministeriums ist kein Teilzeitjob. Gerade nicht in diesen Zeiten.“

Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, gab sich skeptisch. „Das Bundesinnenministerium ist eins der größten Häuser der Bundesregierung und braucht die volle Aufmerksamkeit“, sagte sie dem RND.

Opposition gegen „Teilzeitministerin“

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), forderte bereits im Vorfeld den Rücktritt Faesers, sollte sie sich als Spitzenkandidatin der SPD in Hessen aufstellen lassen. In seinen Augen wäre es aufgrund der vielen aktuellen innenpolitischen Herausforderungen und des Ukraine-Kriegs unverantwortlich, „neben einem Wahlkampf auch das Innenministerium führen zu wollen“.

Er warf Faeser vor, ihren Amtseid zu brechen. „Nancy Faeser wird dem Eid, den sie als Innenministerin dem deutschen Volk geschworen hat, nicht gerecht“, sagte er der Mediengruppe Bayern. Das Amt vertrage keine „Teilzeitministerin“.

Auch CSU-Chef Markus Söder meldete sich nach einer Sitzung des CSU-Vorstands am Freitag zu Wort. Mit Bezug auf die Migrationspolitik sagte er: „Ich habe kein Problem damit, dass man sagt, man will Bundesinnenministerin bleiben – aber dann muss man den Job auch erfüllen.“ Das hieße, sich zu kümmern und sich nicht wegzuducken.

Ebenso kritisierte FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki die Entscheidung: Das Bundesinnenministerium sei „keine geeignete Wahlkampfbühne in diesen ernsten Zeiten“.

Die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel warf Faeser eine „Zweckentfremdung“ des Ministeramts vor. „Dass sie an ihrem Ministersessel in Berlin als Rückversicherung für den Fall festhalten will, dass sie ihr Karriereziel als Ministerpräsidentin von Hessen nicht erreichen sollte, ist unwürdig.“

Kritik an laissez faire Migrationspolitik

Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Innenministerin erheblich unter Druck steht. So steht die SPD-Politikerin in der Kritik aufgrund eines ihr vorgeworfenen einseitigen „Kampfes gegen Rechtsextremismus“ und einer zu lockeren und inkonsequenten Migrationspolitik.

Insbesondere durch kürzlich ereignete tödliche Angriffe mit Messern oder Schusswaffen in Deutschland durch Migranten und Menschen, die unter Vorgabe, Ukraine-Flüchtling zu sein, aus Drittstaaten illegal einwanderten, ist auch der öffentliche Druck auf Faeser gewachsen.

Zudem richtet sich auch aus Städten und Gemeinden Kritik gegen die Migrations- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Sie fühlen sich zunehmend überfordert und im Stich gelassen.

Konkret waren es kürzlich die Bürgermeister und der Landrat des Main-Taunus-Kreises (Hessen), die in einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU)  forderten, in der Migrations- und Flüchtlingspolitik umzusteuern. Es fehle an Kapazitäten am Wohnungsmarkt, in Schulen und in den Ämtern. Zudem forderte man mehr Abschiebungen.

„Helfen Sie uns durch konsequente Anwendung von Gesetzen, um der aktuellen Lage gerecht zu werden, und setzen Sie keine weiteren Anreize, sich aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg in die Bundesrepublik zu machen“, zitierte die „Bild“ aus dem Brandbrief.

Faeser wegen Gehaltserhöhung in der Kritik

Hinzu kommt, dass sich Faeser mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, Dienstliches und Privates nicht zu trennen. So berichteten verschiedene Medien darüber, dass sie bei Martin von Simson (SPD), Leiter der Zentralabteilung im Bundesinnenministerium, zur Miete wohne. Dieser erhielt kurz nach Faesers Amtsantritt eine Beförderung, wodurch sein Gehalt um 3.505 Euro auf 12.425 Euro monatlich stieg. Bis jetzt wurden die Vorwürfe durch das Innenministerium nicht entkräftet.

Andere sahen bereits in ihrer Beförderung zur Bundesministerin ein Mittel zum Zweck, um die gebürtige Hessin in eine günstige Position für den Landtagswahlkampf zu schieben.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, dass ein Landtagswahlkampf viel Kraft und Zeit koste, die Faeser in ihrem Amt nicht aufbringen könne. „Gleichzeitig darf das Bundesinnenministerium nicht zur PR-Maschine für die politischen Ambitionen von Nancy Faeser in Hessen werden.“

„Für mich ist Hessen Herzensangelegenheit“

Faeser war Ende 2021 aus der Landespolitik als Bundesinnenministerin ins Kabinett der Ampelkoalition in Berlin gewechselt. Die 52-Jährige steht damit als erste Frau in der Geschichte der Bundesrepublik an der Spitze der Behörde. Das Amt möchte sie vorerst auch behalten.

Ihre Absicht, erste Ministerpräsidentin in ihrem Heimatbundesland werden zu wollen, hatte sie bereits am Vortag in Berlin öffentlich gemacht. Beim geplanten Parteitag der hessischen SPD am 17. Juni in Hanau muss nun nur noch die Landesliste aufgestellt werden. Ein neuer Landtag in Hessen soll am 8. Oktober gewählt werden.

Sie sei in Hessen tief verwurzelt, habe 30 Jahre lange Kommunalpolitik gemacht und 18 Jahre lang im hessischen Landtag als Abgeordnete gesessen, betonte die Sozialdemokratin. „Für mich ist Hessen Herzensangelegenheit.“ Das Land sei ihre Heimat, hier sei sie verwurzelt. Ihr Ziel sei, das Bundesland moderner, stärker und sozialer zu gestalten. „Deswegen trete ich an.“

Nach 25 Jahren CDU-Regierung brauche Hessen frischen Wind. „Genauso wie ich die erste Frau im Amt der Bundesinnenministerin bin, so möchte ich die erste Frau an der Spitze der hessischen Landesregierung werden. Ich trete an, um zu gewinnen“, erklärte die 52-Jährige. Sie betreibe keine Politik vom Schreibtisch aus, sondern gehe dorthin, wo die Menschen sind.

Faeser SPD-Landesvorsitzende in Hessen

Bevor die ausgebildete Juristin in die Bundesregierung gewechselt war, hatte Faeser die SPD-Fraktion im hessischen Landtag geführt. Seit 2019 ist die verheiratete Mutter eines Sohns SPD-Landesvorsitzende in Hessen.

Die Sozialdemokraten sind seit 1999 in der Opposition im hessischen Landtag. Der bislang letzte SPD-Ministerpräsident in Hessen war Hans Eichel. Seine rot-grüne Regierung wurde 1999 von einer CDU/FDP-Koalition unter Regierungschef Roland Koch (CDU) abgelöst.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein hat bereits angekündigt, als CDU-Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen zu wollen. Bei den Grünen machte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir seine Ambitionen für die Spitzenkandidatur öffentlich. CDU und Grüne, die seit 2014 eine Regierungskoalition in Hessen bilden, gelten als Hauptkonkurrenten der SPD im politischen Wettstreit um den Einzug in die Staatskanzlei.

Umfrage: Mehrheit für Rücktritt von Faeser als Innenministerin

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) soll laut einer Umfrage nach dem Willen der Bundesbürger ihr Amt abgeben, wenn sie in ihrem Heimatland Hessen als Spitzenkandidatin bei der nächsten Landtagswahl um den Posten des Ministerpräsidenten kämpft. Nur 23 Prozent der Befragten finden, sie sollte das Amt behalten und in der Doppelrolle den Wahlkampf bestreiten, so eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag des Nachrichtenmagazins „Focus“. 48 Prozent waren dagegen der Ansicht, sie müsse ihr Ministeramt aufgeben, 29 Prozent waren sich unschlüssig oder machten keine Angabe.

Eine Überraschung gab es bei der Parteipräferenz der Befragten: 53 Prozent der SPD-Anhänger sprachen sich für den Rücktritt aus, das war der zweithöchste Wert hinter den Anhängern der AfD (72 Prozent). Es folgten FDP (51 Prozent), Grüne (49), Linke (47) und Union (ebenfalls 47 Prozent). Kantar hatte von 31. Januar bis 1. Februar 1.006 Menschen für „Focus“ befragt. Schon kurz nach Bekanntwerden von Faesers Plänen Anfang der Woche warnten Oppositionspolitiker von AfD über CDU bis zur Linken vor der Doppelrolle. Auch Vertreter der Ampel von FDP und Grünen mahnten, sie müsse im Fall ihrer Hessen-Kandidatur als Innenministerin zurücktreten.

(Mit Material von dpa und dts)



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