Rechtsanwalt zu Habig-Fall: „Gericht wollte Entlastendes nicht hören“
„Ich bin Christian Moser, Rechtsanwalt und Steuerberater in Erkrath“, stellt sich Moser vor. „Ich war eines der Gründungsmitglieder von ‚Anwälte für Aufklärung‘ und habe lange Zeit als Schatzmeister im Vorstand gedient. Doch mittlerweile bin ich auf eigenen Wegen unterwegs, verfolge Gerichtsverfahren, knüpfe Netzwerke und setze mich für die Rechte meiner Mandanten ein.“
Den Fall von Dr. Heinrich Habig hat Moser als Prozessbeobachter verfolgt. Der Arzt aus Recklinghausen wurde angeklagt, falsche COVID-19-Impfzertifikate ausgestellt zu haben. Moser erzählt: „Das Wichtigste zunächst einmal ist, dass Habig auf freiem Fuß ist. Denn er war ja 16 Monate in Untersuchungshaft, ein ungeheurer Tatbestand. Und darum hat sich der ganze Streit auch gerankt.“
Die Gerichtsverhandlungen fanden im Sommer vor dem Landgericht Bochum statt und sind mittlerweile abgeschlossen. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Moser erklärt: „Die Verfahren befinden sich nun im Revisionsverfahren. Da müssen wir dann sehen, wie es weitergeht. Ob Habig danach eventuell sogar nochmal ins Gefängnis muss, das steht noch in den Sternen. Ich hoffe natürlich, dass er am Ende freigesprochen wird.“
Der Fall Habig wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die rechtlichen Herausforderungen während der Pandemie, sondern auch auf die Bedeutung von engagierten Anwälten wie Christian Moser, die sich für eine transparente Justiz einsetzen. Im Interview werden wir mehr über den Fall und Mosers Ansichten zur aktuellen juristischen Lage erfahren.
Können Sie ein bisschen näher eingehen auf diese 16-monatige Untersuchungshaft? Die ist ja schon außergewöhnlich. Wie bewerten Sie das als Prozessbeobachter?
In der Tat. Also mal ganz unabhängig von dem Tatvorwurf und was damit zusammenhängt, ist es so, dass Untersuchungshaft normalerweise auf sechs Monate begrenzt ist. Und wenn man diese sechs Monate überschreiten will, also die Untersuchungshaft fortdauern lassen möchte, dann muss es dafür besondere Gründe geben. Das heißt erst mal, die Voraussetzungen der Untersuchungshaft müssen weiter vorliegen. Das ist die Schwere des Tatvorwurfs, eine etwaige Flucht, um sich dem Zugriff zu entziehen, oder Verdunklungsgefahr, also dass möglicherweise Beweise vernichtet werden könnten. Nichts davon ist in dem Fall nach meinem Dafürhalten gegeben gewesen. Doch man hat die ganze Zeit versucht, das Gerichtsverfahren aufrechtzuerhalten und es auch viel zu früh in die Gänge gesetzt, als noch gar nicht richtig ausermittelt war. Man hat also nur einen Teil der Fälle überhaupt ausgearbeitet und dann ist man schon in die Anklage gegangen, obwohl das verfahrensrechtlich gar nicht zulässig ist. Alles nur, um zu rechtfertigen, dass Herr Habig weiter im Gefängnis bleibt. Er wurde im Mai 2022 verhaftet. Vorher, im Januar, hat eine Durchsuchung seines Hauses stattgefunden. Dann ging erst die Ermittlungsarbeit los und im Dezember 2022 war man seitens der Staatsanwaltschaft dazu genötigt, nun endlich Anklage zu erheben, weil ja schon ein halbes Jahr Untersuchungshaft vorbei war.
Wie ging es dann weiter?
Das Gericht hat versucht, eine Einigung zu erzielen, möglichst schnell, um das Verfahren mit einem sehr hohen Strafmaß dreieinhalb Jahre ohne Bewährung für einen nicht vorbestraften Arzt wegzubügeln. Das hat nicht funktioniert. Dann kam eine Wahlverteidigung. Habig hat sich für Wilfried Schmitz entschieden und der hat Contra gegeben. So wurden Fragen zur Rechtfertigung aufgeworfen, wie zum Beispiel die Frage, ob die Impfung schädlich ist und ihren Zweck nicht erfüllt. Das hat beim Gericht für sehr viel Unmut gesorgt. Es hat dann versucht, sich aus der Affäre zu ziehen, indem ein Teil der Taten, die schon öffentlich verhandelt waren, abgespalten wurden, um ein Teilurteil zu erlassen.
Das ist auch prozessual nicht zulässig. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) auch eindeutig entschieden. Aber es wurde trotzdem gemacht. Jetzt hat man erst mal einen Abschluss, der bei der Revision liegt. Denn das Gericht war gar nicht willens, sich überhaupt anzuhören, was positiv für Herrn Habig zu berücksichtigen gewesen wäre.
Eigentlich ist es normal, die Motivation des Täters zu berücksichtigen. Das wird bei den schlimmsten Gewaltverbrechern so gemacht. Da guckt man, hat er eine schwere Kindheit gehabt? Wie sah sein Leben aus? Was ist seine innere Haltung? Doch das Einzige, was man Herrn Habig als Arzt vorgehalten hat, ist, er habe eine besonders hohe kriminelle Energie. Das muss man sich vorstellen. Ein Arzt, der seinen Patienten, die in Not waren, die weinend zu ihm kamen, weil sie unter dem Impfdruck standen, geholfen hat. Und da sagt man, der hat eine hohe kriminelle Energie. Das ist schon starker Tobak, finde ich.
In einem langen Plädoyer, das an die Öffentlichkeit gelangt ist, erklärt Habig, seine Motivation war der Hippokratische Eid, die Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen und ihre Ehre. Ich glaube, da war eine junge Mutter dabei, der man den Zutritt zu ihrem Kind verweigert hat, weil sie keinen Impfnachweis hatte. Haben Sie den Eindruck, dass dieses Plädoyer vom Gericht angemessen berücksichtigt wurde?
Überhaupt nicht. All das, was Habigs Handeln im weitesten Sinne rechtfertigen könnte, ist komplett am Gericht abgeprallt. Man wollte es nicht hören. Es ging ja auch so weit, dass entsprechende Beweisanträge gestellt worden waren seitens der Verteidigung. Man wollte also Sachverständige hören zu diesen, insbesondere wissenschaftlichen, Fragen. Die wurden rundweg abgelehnt, mit Begründungen, die für mich, vorsichtig ausgedrückt, mehr als fadenscheinig waren.
Das Gericht hat die Beweisfrage schon als unerheblich angesehen. Das ist dann ja alles offenkundig: dass die Impfung also genützt hätte und auch nicht schädlich sei, dass die Maßnahmen auch alle völlig gerechtfertigt seien usw. Das wurde einfach als selbstverständlich und gegeben vorausgesetzt und in dem Geiste wurde dann Recht gesprochen.
Die Staatsanwaltschaften spielen ja eine große Rolle im Zusammenhang mit Hausdurchsuchung und mit Untersuchungshaft. In Deutschland ist die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden. Kritiker sagen, das passt nicht zu einer Demokratie, zu einer demokratischen Gewaltenteilung. Sehen Sie da ein Defizit in unserem Rechtssystem?
Auf jeden Fall haben wir ein Defizit. Es ist ja einigermaßen bekannt, dass die deutsche Staatsanwaltschaft nicht befugt ist, europäische Haftbefehle auszustellen, weil sie nämlich weisungsgebunden ist. Weisungsungebundenheit ist aber die Voraussetzung, um solche Haftbefehle auszustellen. Diese Tatsache spricht ja schon Bände im internationalen Vergleich.
Ich sehe allerdings ein schwerwiegenderes Problem als die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft. Es liegt bei den Richtern und bei der Juristerei insgesamt. Weil ich sehe, dass die Richterschaft sich zum allergrößten Teil mit wenigen Ausnahmen an die [Regierungs-]Narrative hält. Es wurde in der Veranstaltung eben hingewiesen auf das Buch von Ernst Fraenkel: „Der Doppelstaat“ (1974).
Ich kann wirklich jedem, der sich für das Rechtssystem und die Vorgänge in der heutigen Zeit interessiert, dieses Buch wärmstens empfehlen. Fraenkel zeigt darin auf, wie sich die Justiz in einem Staat verhält, der bestimmte Maßnahmen unbedingt durchsetzen möchte, wie die Einschränkungen der Grundrechte. Das Staatswesen teilt sich dann auf in einen Maßnahmenstaat, der diese Maßnahmen an die oberste Stelle stellt, und eine Justiz, die entsprechend danach Urteile fällt. Auf der anderen Seite gibt es einen Normenstaat, der sich noch an die Normen hält. Letzteres ist das, was man landläufig als Rechtsstaat versteht. Diese Splittung entspricht der Wahrnehmung, die ich auch habe. Ich bin Steuerrechtler. In meinem Bereich ist es immer noch so, wenn es um entsprechende Sachfragen geht, die mit der Politik beziehungsweise der Agenda nichts zu tun haben, wird ganz normal geurteilt. Wenn es aber an die virulenten Fragen geht, im doppelten Wortsinne, dann erlebe ich, dass die Richter die Hacken zusammenschlagen.
Das hat sicherlich auch sehr viel damit zu tun, dass natürlich auch schon Exempel statuiert wurden. Ich denke an den Richter Christian Dettmar aus Weimar, den man auch die Durchsuchungskommandos ins Haus geschickt hat und der dann belangt wurde wegen Rechtsbeugung. Das verfehlt ja seine Wirkung nicht bei der Richterschaft, weil ja auch Richter befördert werden wollen. Die Justiz ist ja in der Verwaltung angesiedelt beim Justizministerium, also sowohl bei den Ländern als auch im Bund. Und das Ministerium ist das Kabinett, also die Regierung. Wenn man es mal streng nimmt, dann haben wir in dem Punkt gar keine Gewaltenteilung, denn dann müsste die Justiz ja unabhängig sein, also auch von ihrer Verwaltung her unabhängig sein.
Eine Gewaltenteilung wäre erst dann gegeben, wenn die Justiz selbstständig organisiert ist – wie die Anwälte oder Steuerberater zum Beispiel. Ich bin ja auch Mitglied in der Rechtsanwaltskammer und in der Steuerberaterkammer. Warum sollte das nicht auch bei Richtern so sein? Sie dürften dann übrigens auch keine Parteizugehörigkeit haben. Momentan besteht nicht nur beim Bundesverfassungsgericht das Problem, dass dort nach Parteienproporz die Richter besetzt werden. Das gleiche Problem haben wir bis hinunter zu den Amtsgerichten. Ich kann mich noch gut an die Ausbildung erinnern, als mein Ausbilder damals zu mir gesagt hat, es wäre doch hilfreich, wenn ich ein Parteibuch hätte, falls ich Richter werden will beim Amtsgericht. Ich bin nicht Richter geworden und habe auch kein Parteibuch. Ich bin heilfroh, aber da weiß man dann schon, wie der Hase läuft. Und das erklärt einiges von dem, was wir heute erleben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Erik Rusch
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