Tumult im Sitzungssaal: Anhörung zur Impfpflicht erhitzt die Gemüter (+Video)
Mit einer halben Stunde Verspätung startete am 12. Oktober der Gesundheitsausschuss des Bundestages in seine Sitzung. Zwei Anträge der AfD standen auf dbaer Tagesordnung. Zum einen forderte die Fraktion ein sofortiges Ende der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, zum anderen eine Aufarbeitung und Dokumentation der Nebenwirkungen nach der COVID-19-Impfung. Obwohl die Anhörung für eineinhalb Stunden angesetzt war, endete sie nach 60 Minuten – aufgrund eines nie dagewesenen Antrags.
„Ich muss Sie darüber informieren, dass wir eine Reihe von Absagen überwiegend krankheitsbedingt bekommen haben – von sieben Verbänden“, erklärte die Vize-Ausschussvorsitzende Dr. Kirsten Kappert-Gonther zu Beginn der Sitzung. Bei ihnen handelte es sich um Vertreter der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, der Bundesärztekammer, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V., des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V., des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie der Kassenärztliche Bundesvereinigung. Das seien die Hälfte der Sachverständigen, so Kappert-Gonther.
Der Abgeordnete Dr. Georg Kippels (CDU) reagierte mit einem Antrag zugunsten eines „zeitökonomischen Vorgehens“, indem die Sitzungsdauer auf 60 Minuten reduziert werden sollte. Das wäre für die Befragung der anwesenden Gutachter ausreichend. Die AfD hingegen hielt an der geplanten Sitzungszeit fest. Gerade bei großen Verbänden wie der Bundesärztekammer oder der Deutschen Krankenhausgesellschaft sei es unwahrscheinlich, dass es keine Ersatzperson gegeben habe, die im Bundestag hätte aussagen können. „Dementsprechend ist da fast schon von Vorsatz auszugehen.“
Die SPD-Abgeordnete Heike Baehrens bezeichnete die Situation als ungewöhnlich. „Das haben wir noch nie erlebt, dass bei einer Anhörung eine solch große Zahl von Experten abgesagt hat“, erklärt sie. Gleichzeitig stimmte sie Kippels Antrag zu. Ähnlich sah es die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Saskia Weishaupt. Letztlich wurde Kippels Antrag bei Gegenstimmen der AfD angenommen.
Tumult im Sitzungssaal: Pfleger fordert Lauterbach-Rücktritt
Die AfD befragte Werner Möller, der seit 30 Jahren Intensivpfleger sowie Mitbegründer der „Pflege für Aufklärung“ ist, nach der aktuellen Lage in der Pflege. Möller schickte gleich voraus, dass er noch immer ungeimpft sei. Er stufte die einrichtungsbezogene Impfpflicht als „unnütz, unfachlich und rein politisch bedingt“ ein. Gute Pflege sei keine Frage des Impfstatus, so Möller. Ungeimpftes Personal würde wegen des fehlenden Nachweises gekündigt oder freigestellt. Auf der anderen Seite gebe es aber auch Kollegen, die nach doppelter oder dreifacher COVID-19-Impfung an teilweise schweren Impfnebenwirkungen erkrankt sind. Dass in der Politik die Impfkomplikationen bagatellisiert würden, sei„ungeheuerlich“.
Die Nichtanwesenheit der Krankenhausgesellschaft und Ärztekammer zur Sitzung bezeichnete der Pfleger als „Taktik“. Die Vertreter wüssten genau, was in den Krankenhäusern derzeit los ist. Aktuell würden Pflegekräfte, die jahrelang ihrem Dienst nachgegangen seien, von Gesundheitsämtern „schikaniert“, indem ihnen Bußgelder angedroht würden, wenn sie keinen Impfnachweis vorlägen.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht biete keinen Schutz für vulnerable Gruppen, erklärte der Intensivpfleger weiter. Im Gegenteil. Vulnerable Gruppen würden durch die immer schlimmer werdende Personalsituation gefährdet. Es gebe über 100.000 offene Pflegestelle. Von 1,7 Millionen Pflegekräften seien 200.000 ungeimpft und schätzungsweise über eine halbe Million ohne Booster. „Die Kollegen haben die Nase voll. Sie werden sich nicht mehr boostern lassen“, so Möller. „Die Pflege ist am Boden. Wenn jetzt Herr Lauterbach nicht zurücktritt, werden Menschen sterben – und nicht an Corona!“
Zwischendurch wurde Möller von der ausschussleitenden Abgeordneten unterbrochen. Sie forderte Ruhe im Sitzungssaal und auf der Besuchertribüne, wo die Gemüter während Möllers Ausführungen hochkochten. Später nannte die AfD-Fraktion als Ursache für die „massiven Unruhen“ und den „Tumult“ im Saal die Äußerungen seitens der Grünen, die Möller beleidigten. Andererseits habe es Zurufe von der Besuchertribüne gegeben, in denen Gäste die Aussagen des Intensivpflegers bestätigten.
Linke hinterfragt AfD-Motivation
Der Linken-Abgeordnete Ates Gürpinar führte an, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht zum Jahresende auslaufe und derzeit von den Behörden nicht durchgesetzt werde. Daher konzentrierte er sich bei seiner Fragestellung weniger auf die COVID-19-Impfung und ließ stattdessen die Motivation der AfD von der Politikwissenschaftlerin Dr. Katharina Kieslich von der Wiener Universität analysieren.
„Was will die AfD mit solchen Anträgen bezwecken?“, wollte er von ihr wissen. Allgemein zeige die Forschung zu Motivation der AfD „und anderer Parteien am rechten Rand in Europa“, dass diese sich nur Themen im gesundheitspolitischen Bereich widmen würden, wenn dies in ihr politisches und gesamt gesellschaftliches Weltbild passe, so Kieslich.
Vor der Corona-Pandemie habe die AfD kaum Interesse für Gesundheitspolitik gezeigt. Seit Pandemie-Beginn habe die AfD das Thema „für sich entdeckt“, weil man damit polarisieren könne. „Meist geht es hierbei wenig um die Sache, sondern um Misstrauen und Unsicherheit in der Bevölkerung zu schüren.“
Der Antrag der AfD zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei überholt, gebe aber eine „Plattform für das Schüren von Misstrauen“ und binde Ressourcen anderer Parteien. „Beides gehört zum politischen Werkzeugkasten von Parteien wie der AfD“, so Kieslich. Sie warf der AfD mit Blick auf Forschungsstudien ein „politisches Ablenkungsmanöver“ vor.
Die AfD-Abgeordnete Baum bezeichnete die Fragestellung von Gürpinar in einer späteren Presseerklärung als „Unverschämtheit“ und wies die Aussagen der Politikwissenschaftlerin vehement zurück. „Das genaue Gegenteil ist natürlich der Fall. Die Menschen wenden sich an uns, weil wir die Einzigen sind, die sich für ihre Belange einsetzen“, konterte sie.
Angepassten Impfstoffe ungetestet
Dr. Alexander Konietzky von den Ärztinnen und Ärzten für individuelle Impfentscheidung (ÄFI) wies darauf hin, dass bereits im August 2021 die CDC-Vorsitzende Rochelle Walensky erklärt habe, dass COVID-19-Impfungen eine Übertragung des Virus nicht verhindern könnten. Laut einer Pfizer-Führungskraft sei eine Reduktion der Virusübertragung auch nie Ziel der Einführungsstudien gewesen. Durch die COVID-19-Impfstoffe könne man sich weder selbst vor einer Infektion schützen noch andere.
Bei den neuen angepassten Impfstoffen gegen die Corona-Varianten BA.1 und BA4/5 wäre das nicht anders. Während erste Studien zur Variante BA1 auf diesen Umstand hinweisen, lägen für die weiteren Varianten BA4 und BA5 erst gar keine Daten von Untersuchungen am Menschen vor.
Sander: Wirksamkeit der Impfstoffe unbestritten
Professor Leif-Erik Sander von der Charité Berlin versicherte, dass es unter praktisch klinisch tätigen Kollegen unbestritten sei, dass die eingeführte COVID-19-Impfung zu einer Reduktion der massiven Krankheitslast der Fallsterblichkeit geführt habe. Nur in Einzelfällen habe man bei vollständig geimpften Personen ohne Immunschwäche schwere Krankheitsfälle beobachten können.
„Keine Maßnahme ist in der Medizin bekannt, die eine 100 prozentige Wirksamkeit hat“, so Sander. Wenn ein großer Teil der Bevölkerung geimpft sei, könne sich nun einmal ein Teil davon infizieren und schwer erkranken. Dies sei aber lediglich bei Personen mit unzureichendem Impfschutz oder einem schlechten Immunsystem der Fall.
Sander widersprach der Aussage, dass die COVID-19-Impfung keinen Infektionsschutz biete. Dieser bestünde, wenn auch nicht zu 100 Prozent. Dass die Schutzwirkung nach drei bis sechs Monaten „deutlich“ nachlasse, liege „an der Art und Weise, wie diese Impfstoffe konzipiert sind“ und wie der Körper darauf reagiert.
Über die Versorgung von Patienten mit Impfkomplikationen äußerte Sander, dass die Behanldung ein internationales Problem sei. Es könne mehrere Jahre dauern, um geeignete Behandlungsstrategien zu erarbeiten. „Ich habe selber sehr viele Anfrage bekommen“, so Sander. In der Charité würde man beschwerdeorientiert nach dem Erkrankungsbild vorgehen. Bei Herzbeschwerden würden beispielsweise Kardiologen hinzugezogen. Eine Allgemeinsprechstunde sei nicht zielführend.
Bezüglich des Postvac-Syndroms – darunter versteht man die nach einer COVID-19-Impfung auftretenden Beschwerden, die dem Long-COVID-Symptom ähneln – sagte Sander: „Ich glaube, hier steht die Forschung weit am Anfang und wir müssen auf weitere Erkenntnisse warten.“
Nur selten Impfschäden und „gewissenhafte Aufklärung“
Nach der Häufigkeit von Impfnebenwirkungen befragte CDU-Abgeordneter Tino Sorge Professor Nicola Buhlinger-Göpfarth vom Hausärzteverband. Schon immer habe es bei Impfungen Nebenwirkungen und Impfreaktionen gegeben, antwortete sie. Als generelle Impfreaktionen nannte sie Schwellungen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen, die in der Regel nach Tagen abklingen. Diese seien auch in den Fachinformationen vom Hersteller angegeben. Bei den COVID-19-Impfungen sei dies nicht anders.
Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen seien deckungsgleich mit den in den Fachinformationen angegebenen Zahlen, etwa bezüglich der Gesichtslähmung, die nach einer COVID-19-Impfung auftreten könne. Unterm Strich gebe es Impfreaktionen „im üblichen Maß“ und Impfkomplikationen eher selten.
Auf weitere Befragung der FDP-Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus teilte Buhlinger-Göpfarth mit, dass die Hausärzte die Patienten „gewissenhaft aufklären“. Sie kritisierte allerdings, dass für eine Aufklärung hauptsächlich Zahlen aus dem Ausland herangezogen würden, da die Datenlage in Deutschland ein bisschen problematisch sei.
Nach Aussage von Buhlinger-Göpfarth haben Schlagzeilen über Herzmuskelentzündungen „durch gewisse Zeitungen“ für eine Verunsicherung bei den Patienten gesorgt. Inzwischen würde man wissen, dass auf 100.000 Impfung „nur“ 2,7 Prozent Myokarditisfälle zu beobachten seien. Diese Information sei für die Patienten dann beruhigend.
Wenn Nebenwirkungen nach einer Impfung erkannt werden, sind Ärzte verpflichtet, das Gesundheitsamt zu informieren. Die Ämter sind sodann verpflichtet, Verdachtsfälle den Landesbehörden oder der Bundeshörde, dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), pseudonymisiert zu melden, erklärt die Ärztin. Unabhängig davon könne man die Nebenwirkungen an das PEI oder den Herzsteller direkt melden. Letzteres sei jedoch ein „ein bisschen aufwendiges Prozedere“. Aus ihrer Erfahrung wisse die Ärztin, dass mehrere Patienten damit nicht zurechtkommen und sich daher an die Ärzte wenden. Insoweit wünschte sich Buhlinger-Göpfarth ein „etwas schlankeres Verfahren“, damit die Patienten ihre Schäden direkt melden können.
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