AfD gewinnt Klage gegen Seehofer – Meuthen begrüßt Urteil zur „politischen Hygiene“

Epoch Times9. Juni 2020

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat mit einem im September 2018 auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums veröffentlichten Interview das Recht der AfD auf Chancengleichheit verletzt.

Das geht aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag hervor. Die getätigten Äußerungen im Interview sind demnach als Teilnahme am politischen Meinungskampf verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Durch die Veröffentlichung auf der Internetseite habe der Bundesinnenminister allerdings auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamtes zur Verfügung stehen, und diese zur Beteiligung am politischen Meinungskampf eingesetzt, so die Karlsruher Richter.

Dies verstoße gegen das Gebot staatlicher Neutralität und verletze damit die AfD in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb. Seehofer hatte in dem Interview gesagt, die AfD stelle sich gegen den Staat und verhalte sich „staatszersetzend“.

In einem ähnlichen Verfahren hatte sich die AfD bereits im Februar 2018 gegen die frühere Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) durchgesetzt. Wanka hatte auf der Homepage des Ministeriums eine Forderung nach einer „Roten Karte“ für die AfD veröffentlicht.

Meuthen begrüßt Urteil als „Beitrag zur politischen Hygiene“

Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Klage seiner Partei gegen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) als „wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene in Deutschland“ bezeichnet.

Die Richter hätten festgestellt, dass Seehofer keine „Regierungsressourcen“ nutzen dürfe, „um die Opposition zu diffamieren“, erklärte Meuthen.

„Dieser juristische Sieg der AfD über Seehofer ist ein wichtiger Beitrag zur politischen Hygiene in Deutschland“, ergänzte der Parteivorsitzende am Dienstag in Berlin.

Innenministerium erfreut: Minister können am politischen Meinungskampf teilnehmen

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das Innenministerium hervorgehoben, dass Ministern im politischen Meinungskampf auch künftig heftige Attacken grundsätzlich zustehen.

Das Gericht habe klar gestellt, dass sie daran nicht nur mit angezogener Handbremse teilnehmen könnten, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings (CDU), am Dienstag in Karlsruhe. Mit der Veröffentlichung solcher Äußerungen auf der Internetseite des Ministerium müsse aber kritischer umgegangen werden.

Staatssekretär Krings nannte es „sehr wertvoll“, dass die Minister dadurch auch künftig am politischen Meinungskampf teilnehmen könnten. Dass solche Äußerungen dann nicht auf der Internetseite veröffentlicht werden könnten, akzeptiere das Ministerium. Es werde künftig genauer geschaut, was dort eingestellt werde.

Dienstag, 9. Juni 6:55 Uhr

Ist Horst Seehofer mit kritischen Interview-Äußerungen über die AfD zu weit gegangen? Die Partei klagt gegen den CSU-Innenminister in Karlsruhe, am Dienstag verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil.

Seehofer könnte zum Verhängnis werden, dass der Text mit den Passagen gut zwei Wochen lang auch auf der Internetseite seines Ministeriums stand. Die AfD wirft ihm deshalb vor, staatliche Ressourcen unzulässigerweise zur Verbreitung einer parteipolitischen Aussage genutzt zu haben. (Az. 2 BvE 1/19)

Das Interview hatte Seehofer im September 2018 der dpa gegeben. Unmittelbar davor hatte die AfD-Fraktion versucht, im Bundestag den Haushalt des Bundespräsidenten diskutieren zu lassen.

Ihr Vorwurf: Frank-Walter Steinmeier habe „für eine linksradikale Großveranstaltung“ geworben, indem er ein Konzert gegen Rassismus der zeitweilig vom Verfassungsschutz beobachteten Linkspunkband Feine Sahne Fischfilet unterstützt hatte.

Seehofers umstrittene Äußerung: „Das ist Staatszersetzend“

Seehofer kommentierte das in dem Interview mit den Worten: „Das ist für unseren Staat hochgefährlich.“ Man könne nicht „wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln“. „Das ist staatszersetzend.“ Außerdem sagte er: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten.“

Nach der Veröffentlichung hatte das Ministerium den dpa-Text zu den anderen Medienberichten auf seiner Homepage gestellt – eine Steilvorlage für die AfD. Denn die Partei hatte in einem ganz ähnlichen Fall in Karlsruhe schon einmal erfolgreich gegen die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) geklagt.

Wanka hatte in der Flüchtlingskrise 2015 auf einen Demonstrationsaufruf der AfD mit der Parole „Rote Karte für Merkel!“ per Ministeriums-Pressemitteilung reagiert: „Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden.“

Kein Recht auf Gegenschlag für Minister

Das ging den Verfassungsrichtern zu weit. Damit alle Parteien die gleichen Chancen hätten, seien Mitglieder der Bundesregierung zu Neutralität verpflichtet, urteilten sie 2018. Minister dürfen sich demnach mit Kritik an ihren Maßnahmen und Vorhaben zwar sachlich auseinandersetzen. Ein „Recht auf Gegenschlag“ haben sie aber nicht.

In der Karlsruher Verhandlung im Februar hatte sich abgezeichnet, dass der Zweite Senat unter dem scheidenden Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle die Causa Seehofer nicht viel anders beurteilen dürfte. Die Richter hinterfragten sehr kritisch, ob derartige Äußerungen nicht auf anderen Kanälen verbreitet werden könnten.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland hatte am Rande der Verhandlung gesagt, Seehofer habe sich eben nicht im Bierzelt einen Ausrutscher geleistet. „Wenn ich auf der Internetseite eines Ministeriums etwas veröffentliche, dann sieht es so aus, als ob es die staatliche Amtsautorität ist und dass die Beschimpfung der AfD dann sozusagen schon Teil des Staates ist. Und genau das geht nicht.“

Seehofer hatte sich von seinem Parlamentarischen Staatssekretär Günter Krings (CDU) vertreten lassen. Dieser hatte die Äußerungen als zugegebenermaßen „zugespitzt“ bezeichnet. Der Ton in der Politik sei aber deutlich rauer geworden. Eine Reaktion müsse möglich sein. (dpa/nh)



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