Virologe befürchtet rasante Ausbreitung des Coronavirus – „Durchseuchung“ führt zu „Herden-Immunität“

Der Chef-Virologe der Charité hält es für möglich, dass in Deutschland langfristig eine Viertelmillion Menschen am Coronavirus sterben werden. Auch der Kassenarztpräsident geht davon aus, dass ein Großteil der Bevölkerung sich anstecken wird. Allerdings sei die Lage "nicht bedrohlich", denn die vollständige Ansteckung der Gesellschaft führt wiederum zur Immunität.
Epoch Times6. März 2020

Das Coronavirus werde sich erst dann nicht weiter verbreiten, wenn zwei von drei Menschen zumindest vorübergehend immun seien, weil sie die Infektion dann schon hinter sich hätten, sagte Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité, im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Bei einer Gesamtbevölkerung von 83 Millionen wären zwei Drittel fast 56 Millionen Menschen, die sich infizieren müssten, um die Ausbreitung zu stoppen. Bei einer Mortalität von 0,5 Prozent wäre in dem Fall mit 278.000 Corona-Todesopfern zu rechnen“, erklärte Drosten.

Solch eine Berechnung ergebe allerdings „wenig Sinn“, weil die Zeitkomponente fehle, ergänzte der Virologie. Bei langsamer Verbreitung würden die Opfer des Coronavirus in der normalen Todesrate verschwinden. Jedes Jahr würden in Deutschland 850.000 Menschen sterben. Das Altersprofil sei ähnlich wie bei den Todesfällen durch das neue Virus, so Drosten.

„Durchseuchung“ der Gesellschaft führt zur Herden-Immunität

Auch Kassenarztpräsident Andreas Gassen geht davon aus, dass sich ein Großteil der Bevölkerung anstecken wird, bevor die Ausbreitung zu einem wirklichen Halt kommt.

„Das mag für den Laien schockierend wirken, ist aber nüchtern betrachtet nichts Bedrohliches: Es gibt Viren, die praktisch jeden mindestens einmal befallen. Zum Beispiel Herpes und Influenza“, sagte Gassen im Interview mit der „Neue Osnabrücker Zeitung“. Man spreche in dem Fall von einer „Durchseuchung“ der Gesellschaft, die dann letztlich zu einer Art Herden-Immunität führe, so der Kassenarztpräsident.

„Auch das Coronavirus dürfte nicht verschwinden“, so Gassen weiter. Die Frage sei, wie lange die Ansteckung dauere. „Das kann vier oder fünf Jahre dauern. Je schneller es geht, je größer ist die Herausforderung für das Gesundheitswesen. Aber dass wir selbst bei einem weiteren raschen Anstieg der Fälle an Grenzen stoßen, sehe ich definitiv nicht.“ Derzeit sei Corona „eher eine mediale als eine medizinisch relevante Infektion“, sagte Gassen der Zeitung.

Virologe fordert Verbot von Großveranstaltungen

Virologe Drosten forderte zur Eindämmung des Virus ein Verbot von Großveranstaltungen mit mehr als tausend Teilnehmern. In der Schweiz habe man diese Regel schon eingeführt und „eine solche bindende Obergrenze wäre auch für Deutschland extrem hilfreich“, sagte der Forscher. Das würde auch den Veranstaltern Rechtssicherheit geben. „Volle Stadien mit Zehntausenden von Fans – gerade in Gegenden wie dem vom Coronavirus jetzt stark betroffenen Rheinland – müssten aus medizinischer Sicht eigentlich gestoppt werden“, mahnte Drosten.

Der Experte befürchtet, dass eine rasante Ausbreitung in Deutschland nicht mehr verhindert werden könne. „Wir stoßen an Grenzen. Die Sorge ist berechtigt, dass wir das Coronavirus nicht in den Griff bekommen und am Beginn einer pandemischen Welle stehen“, sagte er. Die Lage sei für die Gesundheitsämter mancherorts sehr schwierig. (sza)

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