Whistleblower: „Moderne Staatspropaganda“ der Bundesregierung
Vertreter der Bundesregierung haben sich mehrfach mit Medien, Internetplattformen und NGOs getroffen, um zum Thema Desinformation zu beraten. Es zeigt sich, dass dabei gezielt Medien ausgewählt und zum Inhalt der Gespräche keine Protokolle angefertigt wurden. Kritiker sehen darin einen „konzertierten Versuch einer Informations-Gleichschaltung“.
Wurden die Medien gleichgeschaltet? Am 18. Mai 2020 warnte die damalige stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in der Bundespressekonferenz vor „Verschwörungstheorien und Desinformation“ im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, die im Internet und auf Messengerdiensten kursieren würden.
„Es ist in diesen Zeiten wirklich wichtig, genau hinzusehen, Fakten bei verlässlichen Quellen zu prüfen […]. In dem Bemühen, um Aufklärung zu betreiben, sind Plattformbetreiber, die sozialen Netzwerke genauso gefragt wie jeder in seiner privaten Messengergruppe oder auf der Straße.“
Vertrauliche Treffen von Regierung und Medien
Wie sich im Nachhinein herausstellte, nahm die Bundesregierung intensiv Kontakt zu einzelnen Medien, großen Internetplattformen und verschieden zivilgesellschaftlichen Institutionen auf, um offenbar „verlässliche Quellen“ in den Augen der Regierung zu schaffen. Aber möglicherweise auch, um die unterschiedlichen Meinungen in der Gesellschaft ihrer Sicht und ihren Positionen anzupassen, so der Vorwurf von Kritikern. Andere sehen darin gar einen konzertierten Versuch einer Informationsgleichschaltung durch die Bundesregierung.
So berichtete die „Bild“ am 25. Januar 2023 unter dem Titel „Enthüllt: Geheim-Gipfel mit Facebook und Google – Ließ die Bundesregierung unliebsame Corona-Meinungen löschen?“ über ein „vertrauliches“ Treffen im Bundespresseamt am 2. Juni 2020.
Auf Einladung der Bundesregierung hätten sich Vertreter mehrerer Bundesministerien sowie Top-Manager von Facebook und Google (YouTube) zu einem „Gipfel“ im Bundespresseamt eingefunden, um die „Verbreitung von Fehl-, Falsch- und Desinformationen“ auf den sozialen Netzwerken im Zuge der Corona-Pandemie zu besprechen. Ziel der Unterredung sei es gewesen, zu klären, „wie der damit verbundenen Herausforderung grundsätzlich begegnet werden kann“.
Die Regierungsantwort auf eine AfD-Anfrage zeigte dann, wer bei diesem Treffen eine Rolle spielte und wer nach Einladung durch das Bundesinnenministerium und das Regierungspresseamt teilnahm:
- Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (StS Dr. Markus Kerber);
- Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (StS Steffen Seibert);
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (StSin Juliane Seifert);
- Bundesministerium für Gesundheit (StS Dr. Thomas Steffen);
- Auswärtiges Amt (Beauftragter für Strategische Kommunikation Andreas Kindl);
- Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (StSin Dr. Margaretha Sudhof);
- Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung;
- Vertreter der Plattformen (YouTube und Facebook);
- Vertreter der Zivilgesellschaft (Stiftung Neue Verantwortung, Correctiv gGmbH und Amadeu Antonio Stiftung) sowie
- Vertreter der Wissenschaft (Universität Kassel).
Whistleblower: Moderne Staatspropaganda
Zu dem Ergebnis des Treffens erklärte die Staatssekretärin im Ministerium von Karl Lauterbach (SPD): Das Gespräch habe einem allgemeinen Erfahrungs- und Gedankenaustausch gedient und nicht dem Zweck, konkrete Maßnahmen und Ideen der Unternehmen zu entwickeln.
Es habe ein Konsens bestanden, dass es bei der Bekämpfung von Desinformation eines breiten, vielschichtigen und gesamtgesellschaftlichen Ansatzes bedarf. Und: Weder hätten die Unternehmen die Bundesregierung, noch hat die Bundesregierung die Unternehmen um Vertraulichkeit zu dem Treffen gebeten. Konkreter wird man jedoch nicht.
Detaillierter bietet ein Regierungsdokument Einblick in das, was bei solchen Treffen passiert. Es wurde durch einen Whistleblower im September vergangenen Jahres den „NachDenkSeiten“ zugespielt. Das Papier trägt den Titel „Laufende Aktivitäten der Ressorts und Behörden gegen Desinformation im Zusammenhang mit RUS Krieg gegen UKR“ und umfasste mit Stand 27. Juni 2022 insgesamt zehn Seiten. Es listet entsprechende Aktivitäten der Bundesministerien und untergeordneten Behörden auf.
Der Informant erklärte gegenüber den „NachDenkSeiten“, dass er, als dieses Dokument auf seinem Arbeitsrechner eintraf, zutiefst erschrak. Für ihn wäre es „der konzertierte Versuch einer Narrativ-Gleichschaltung“ gewesen.
In seinen Augen sei es ein Blick in den Abgrund der gebündelten Aktivitäten einer horizontalen (ressortübergreifenden) und vertikalen Integration moderner Staatspropaganda. Von den Ministerien und ihren Partnerschaften mit transatlantischen Denkfabriken wie dem ISD bis hinab in die Presse, „Faktenchecker“, Social Media, „Multiplikatoren“, „kritische Zivilgesellschaft“ und so weiter, zitiert ihn das Medium. „Selbst vor der Einbindung von Schulen und Kindern im Grundschulalter machen Sie nicht halt.“
In dem Dokument zum Regierungs-„Plan“ gegen „Desinformation“ spielen Verlinkungen von „Faktencheckern“ wie Correctiv oder dem beitragsfinanzierten ARD-Faktenfinder zu Websites der Bundesregierung ebenso eine Rolle, wie die Einbindung von privaten oder öffentlich-rechtlichen Medien (z. B. „Spiegel“, „Stern“, „Tagesspiegel“, „Deutsche Welle“) und Social-Media-Konzernen sowie verschiedenen NGOs in die Regierungsarbeit.
Angaben „möglicherweise nicht vollständig“
Eine frühere Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zu Desinformation im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg vom 12. Dezember 2022 gibt einen kleinen Einblick, wie intensiv der Kontakt einzelner Ministerin zu externen Medien- und Plattformbetreibern war. Hier eine Auflistung, wobei die Bundesregierung einräumt, dass sie unvollständig sei:
Bundeskanzleramt (Staatssekretär Dr. Jörg Kukies):
- Treffen am 14. April 2022 mit Vertretern von NGOs zur deutschen G7-Präsidentschaft u. a. zu den Themen Open societies und resiliente Gesellschaften und Desinformation
- Treffen am 19. Mai 2022 am „Digital Dish“-Event des Aspen Institut (Themen im Bereich der Digitalpolitik im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft u. a. Desinformation)
- Treffen am 31. August 2022 mit Vertretern des International Center for Ukrainian Victory zu aktuellen Themen der Ukraine
- Treffen am 23. September 2022 mit dem CEO von Global Witness u. a. zum Thema Desinformation
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Staatssekretär Stefan Schnorr):
- Treffen am 3. März 2022 mit Vertretern von Twitter, Meta, Microsoft, TikTok, Google und YouTube, zu den von den Plattformen initiierten Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine
- Treffen am 15. März 2022 mit der Vizepräsidentin von YouTube u. a. zum Thema Desinformation
Bundesministerium der Justiz (Staatssekretär Benjamin Strasser):
- Treffen am 9. Juni 2022 im Berliner Büro von Google mit dem President Global Affairs & Chief Legal Officer Google/Alphabet zu den Themen Hate Speech, Fake News und Desinformation im Netz
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung:
- verschiedene Treffen von Mai bis Juli 2022 mit Vertretern von Twitter, Google (inklusive YouTube), Meta, Telegram, TikTok, LinkedIn, sogenannten Vertretern der Zivilgesellschaft, der Hausleitung und der Fachabteilung des Presse- und Informationsamtes zu den Maßnahmen, die die Plattformen ergriffen haben, um Desinformation zu erkennen und die Verbreitung einzudämmen
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Beauftragte für Antirassismus:
- nach russischer Invasion in die Ukraine Dialoge mit der Zivilgesellschaft – u. a. russische und ukrainische Migranten- und Diasporaorganisationen – zu Fragen der Desinformation bzw. Maßnahmen gegen Desinformation
- Gründung des Projekts des Bundesverbands russischsprachiger Elternvereine e. V. „Dialoge gegen Rassismus für die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts – Im Plural“
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