Wieder geteiltes Deutschland: Kandel gedenkt getrennt der ermordeten Mia (15) – Trauermarsch und Schweigen in der Kirche

Ein Jahr nach Mias Tod trauerte Kandel - getrennt. Die einen schwiegen in der Kirche, die anderen schwiegen bei einem Trauermarsch durch den Ort. Doch zusätzlich wurde hier zu Beginn und Ende der Veranstaltung über Probleme gesprochen, die man im Land sieht ...
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Was geschieht "Dem Deutschen Volke"?Foto: istockphoto/Chepko/Lady-Photo & Comp. EPT
Von 27. Dezember 2018

Bereits der Mordfall Maria L. (19) im Oktober 2016 veränderte Deutschland grundlegend. Als mehr als ein Jahr später die Kandeler Schülerin Mia V. im DM in Kandel ermordet wurde, ebenfalls wie Maria von einem eingewanderten Afghanen, löste dies eine bundesweite und auch heute noch anhaltende Protestwelle aus. Die 15-Jährige Mia  starb am 27. Dezember 2017.

Gestern, am 27. Dezember 2018, ein Jahr nach dem Tod des Mädchens von Kandel,  trafen sich zahlreiche Bürger auf dem Parkplatz des DM-Marktes der pfälzischen Kleinstadt, legten Kerzen und Blumen ab, warteten auf den Beginn des Schweigemarsches. Zu Beginn und am Ende der Veranstaltung wurden an der nahen Hauptstraße Reden gehalten, nicht laut, nicht polternd, jedoch ernsthaft und mahnend.

Im Video: Veranstaltung des „Frauenbündnis Kandel“ vom 27. Dezember in Kandel

Gesellschaftlicher Zerfall

Eine in dieser Form nie da gewesene Welle des Protestes ging durch Deutschland und seither wurden zahlreiche Demonstrationen veranstaltet, die sich um die viel kritisierte Migrationspolitik der Bundeskanzlerin und den wachsenden Verlust der öffentlichen Sicherheit drehen. Andere, zumeist Menschen mit linker Gesinnung, sehen in den Demonstrationen einen „Aufmarsch“ der „Rechten“. Die einen sehen sich als Patrioten für Deutschland, die anderen als Genossen der sozialistischen Ursprünge, mittendrin zahlreiche Menschen, die sich nicht so genau erklären können, was gerade wohl im Land passiert.

Schon beim Trauermarsch am 9. Januar 2018 in Kandel, knapp zwei Wochen nach Mias Tod, zeigte sich die Zersplitterung der Gesellschaft. Es kam zu Rangeleien zwischen Schweigemarsch-Teilnehmern und etwa 30 Personen, die sich mit bunten Regenschirmen vor dem Tatort aufgestellt hatten und für ein „buntes Deutschland“ demonstrierten. Viele Teilnehmer des Trauermarsches empörten sich: „Es war eine höchst emotionale Stimmung. Der Schweigemarsch fand es fehl am Platz, in der aktuellen Situation für diesen Zweck zu demonstrieren“, sagte Polizeisprecher Thomas Sommerrock von der Polizeidirektion Landau.

Der Polizeisprecher wandte sich in seiner Einschätzung auch gegen die Rechte-Linke-Etikettierung der unterschiedlichen Teilnehmer: „Sowohl der Schweigemarsch als auch die Mahnwache waren vielfältige Gruppen. Ganz normale Bürger, die ihre Trauer teilen wollten. Auf verschiedene Art und Weisen.“

Die guten und die schlechten Bürger

Auch Kandel ist gespalten. Wie das „ZDF“ berichtet, versammelte sich „der Ort“ am Todestag von Mia zu einer „stillen Zusammenkunft“ in der St. Georgskirche, um des ermordeten Mädchens zu gedenken: „Zahlreiche Bürger entzündeten Kerzen und verharrten stumm im größten spätgotischen Sakralbau der Pfalz“, schilderte der öffentlich-rechtliche Sender das Geschehen vor Ort. Auch SPD-Bürgermeister Poß sei „demonstrativ mit CDU-Landrat Fritz Bechtel“ zur Andacht erschienen.

Das sind die Guten, so die Meinung der einen Seite. Zu Weihnachten gab Bürgermeister Poß dem „Cicero“ ein Interview unter dem Titel: „Man hat mich den Kuppler von Kandel genannt“. Auf die Frage danach, dass das „Frauenbündnis Kandel“ inzwischen bundesweit gut vernetzt sei und bei den Demos „regelmäßig bekannte Mitglieder der AfD, Neonazis und vom Verfassungsschutz beobachtete Hooligans“ zu sehen seien und was „diese Menschen in Ihre Stadt“ ziehe, antwortete Poß: „Leider ist Kandel zu einem Treffpunkt für all diese Demonstranten geworden, die die für uns alle nach wie vor unfassbare Gewalttat für ihre Zwecke instrumentalisieren.“ Das „Frauenbündnis Kandel“ nutze „unsere Stadt“ als Plattform, so Poß, schüre „Verunsicherung, Besorgnis und Angst“. Der Rest des Interviews verschwindet hinter der Bezahlschranke.

Über die „anderen“ Bürger, die von manchen als unbequeme oder schlechte Bürger angesehen werden, die die gute Stimmung verderben, berichtete das „ZDF“ in seinem aktuellen Bericht zum Todestag von Mia V.: „Teilnehmer eines ‚Trauermarschs‘ gingen durch den Ort – dazu hatte ein Bündnis aufgerufen, das in den vergangenen Monaten in Kandel wiederholt etwa gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung protestiert hatte.“

Foto: Screenshot Facebook 

Kandel: „Ground Zero“ der Migrationspolitik

Auch der „Focus“ widmet sich dem gespaltenen Gedenken zum Todestag, spricht über „rechte und linke Gruppen“, die seit der Tat im Ort demonstrieren, getrennt von „Hunderten Sicherheitskräften“, nennt Kandel „eine Art ‚Ground Zero‘ der Migrationspolitik.

Der Bericht deutet aber auch auf die Lücke zwischen den Menschen hin: „Es ist auch ein Kampf um die Deutungshoheit“ und zitiert Bürgermeister Poß:

Nach dieser schrecklichen Gewalttat herrschte große Bestürzung. Wie konnte das nur passieren? Man kann es nicht verstehen.“

(Volker Poß, SPD, Bürgermeister)

In der SPD ist man sich offenbar einig, wer gut, wer schlecht ist. Im Mai empfing sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen Parteikollege Volker Poß demonstrativ in Berlin, vermutlich, um dem Genossen den Rücken zu stärken.

Alexander Schweitzer, Fraktionschef im Landtag von Rheinland-Pfalz, sagte, dass die Bewohner von „importierter Empörung“ sprechen würden, von Aktivisten, die „versuchen, den bürgerlichen Zusammenhalt zu zerstören“. Marco Kurz vom „Frauenbündnis Kandel“ bestreitet das: „Ohne unsere Demonstrationen würde in Kandel niemand mehr über Mia sprechen“, zitiert der „Focus“.

Ein Prozess, verborgen vor der Öffentlichkeit

Der Mordprozess fand vom 17. Juni bis 3. September 2018 statt. Das Urteil betrug 8,5 Jahre für den Mord an der 15-Jährigen.

Zwar wurde das von dem Angeklagten angegebene Alter von zur Tatzeit 15 Jahren widerlegt, der Afghane laut ärztlichem Gutachten für wahrscheinlich 20, höchstens 21 Jahre erklärt, jedoch wurde vom Gericht das im Gutachten angegebene Mindestalter von 17,5 Jahren offiziell angenommen, wodurch es zu einem Prozess nach Jugendstrafrecht kam und die Öffentlichkeit vom Prozess ausgeschlossen werden konnte.



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