Zurück auf großer Fahrt: Kirchen spenden „Seenotrettern“ der „Alan Kurdi“ ihren Segen

Eine Hafenkontrolle in Tarent und eine Sturmflut haben die „Seenotretter“ von der Organisation „Sea Eye“ tagelang am neuerlichen Aufbruch gehindert. Mittlerweile sind sie aber auf ihrer achten Mission – begleitet von pathetischen Grußadressen der Kirchen.
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Heinrich Bedford-Strohm ist Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).Foto: Sebastian Willnow/dpa
Von 26. November 2019

Unter Verwünschungen an die Adresse der Bundesregierung und der EU ist die Mannschaft der privaten „Seenotretter“ von der „Alan Kurdi“ am Donnerstag der Vorwoche (21.11.) zu einer neuen Mission aufgebrochen. In einer Erklärung, die das Regensburger „Wochenblatt“ wiedergibt, klagt Julian Pahlke, der Sprecher der aus der Domstadt stammenden Organisation „Sea Eye“, die das Schiff betreibt, über die libysche Küstenwache und darüber, dass die deutsche Bundesregierung und die EU mit diesen zusammenarbeitet.

Im Oktober sollen Einheiten der libyschen Küstenwache sich mit Waffengewalt den privaten „Seenotrettern“ entgegengestellt haben, als diese versucht hatten, etwa 90 Migranten aus Schlauchbooten zu bergen und in weiterer Folge nach Europa zu bringen.

„Nach dem gewalttätigen Zwischenfall mit libyschen Küstenwächtern beginnen wir nun mit großer Sorge den nächsten Einsatz“, erklärt nun Pahlke. Man betrachte Libyens Seepolizei als „ernstzunehmende Bedrohung für Menschen auf der Flucht und die Retter*Innen an Bord unseres Schiffes“. Die Tatsache, dass „solche Milizen als Partner der Bundesregierung und der EU bewusst und willentlich Menschenrechte brechen“, sei „durch nichts zu entschuldigen“, heißt es weiter in der Erklärung. Die „Rettung von Menschenleben“ scheine „keine Priorität mehr zu sein“.

Sturmschäden in Höhe von 30 000 Euro

Durch eine ausgedehnte Hafenstaatskontrolle des Schiffes im Hafen von Tarent und einen starken Sturm, der Italien in der Vorwoche heimgesucht hatte, sahen die „Retter“ sich zusätzlich behindert. Die Unwetter hatten nach Angaben von „Sea Eye“ Schäden in Höhe von etwa 30 000 Euro am Schiff verursacht. Mittlerweile konnten diese aber behoben werden.

Am Donnerstag konnte die „Alan Kurdi“ zu ihrer achten Mission ins Mittelmeer aufbrechen. Das Schiff ist nach dem 2015 vor Bodrum ertrunkenen fünfjährigen Jungen benannt, dessen Bild damals um die Welt gegangen war und in entscheidender Weise die weitere Entwicklung der Flüchtlingspolitik der deutschen Bundesregierung beeinflusste.

Die Finanzierung der neuen Fahrt stehe auf mehreren Säulen. Nach Angaben von „Sea Eye“ gehören unter anderem die katholischen Bistümer München-Freising, Paderborn, Hildesheim und Regensburg zu den größten Förderern ihrer Aktivitäten zur „Seenotrettung“, seit 2018 sei auch die EKD mit dabei. Bereits zuvor hatte sich die kleinere Freikirche der Mennoniten für „Sea Eye“ engagiert.

Zudem tragen auch der Berliner Rapper „TUA“ und der Treuhandfonds, in dem von Jan Böhmermann und Klaas-Heufer Umlauf gesammelte Spenden verwaltet und verteilt werden, „maßgeblich zum aktuellen Einsatz bei“. Insgesamt seien 60 000 Euro „für den Rettungseinsatz und die nachhaltige Organisationsentwicklung“ von Sea Eye bewilligt und bereitgestellt worden.

Diener vergleicht Risiken freiwilliger Flucht mit Juden-Deportation im Dritten Reich

Die Kirchen begleiten die neue Mission allerdings nicht nur mit finanziellen Mitteln, sondern auch mit Segenswünschen. Für die Katholische Kirche übermittelte diese der Dekan der Diözese Regensburg, Roman Derl. Für die EKD waren es Präses Dr. Michael Diener und Ratspräsident Heinrich Bedford-Strohm, die sich zu Wort meldeten, dazu kam Doris Hege als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden mit einer Videobotschaft.

Diener sah die „Seenotretter“ gar „in der Tradition von Menschen, die in der Nazi-Zeit Juden vor dem Tod in Vernichtungslagern bewahrten“ – ungeachtet dessen, dass diese sich regelmäßig nicht freiwillig dorthin begeben hatten. In seiner Videobotschaft zitiert Diener den Ausspruch: „Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt.“ Die Urheberschaft daran schreibt er dem deutschen Industriellen Oskar Schindler zu, der im Dritten Reich tausende Juden vor der Deportation in die Vernichtungslager gerettet hatte. Tatsächlich ist der Ausspruch dem Koran entnommen. Dort heißt es in Sure 5, Vers 32: „Wenn jemand einen Menschen tötet […], so ist es, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so ist es, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.“

„Gerade jetzt wieder auf Spenden angewiesen“

Sea Eye spricht von einem „wichtigen Zeichen“, dass „die Zivilgesellschaft so zusammensteht und gemeinsam sicherstellt, dass die ,Alan Kurdi‘ in den nächsten Einsatz aufbrechen kann“. Vor allem, dass „junge Künstler wie TUA oder Jan Böhmermann dieses wichtige Thema zunehmend aufgreifen und die Kirchen Deutschlands sich immer wieder insistierend für die Seenotrettung einsetzen“, erhalte den „Seenotrettern“ ihre Zuversicht.

Finanzielle Zuwendungen würden jedoch weiterhin benötigt, erklärt Gordon Isler, der Sprecher der Organisation:

„Wir sind gerade jetzt wieder auf Spenden angewiesen, weil mit diesem schweren Sturmschaden einfach nicht zu rechnen war.“



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