Fünf gegen einen: AfD-Landrat soll „demokratisch“ verhindert werden

Katja Mast, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, hat wie viele andere Politiker zur Nicht-Wahl des AfD-Kandidaten für das Landratsamt Sonneberg aufgerufen. Bei Twitter gab's heftigen Gegenwind.
Titelbild
Das Symbolbild zeigt eine Ausgabe des Grundgesetzes im Bundesverfassungsgericht. Die SPD-Politikerin Katja Mast meint: Die AfD will die freiheitlich-demokratische Grundordnung „zersetzen“ – und ruft zur Wahl eines CDU-Stichwahlkandidaten auf.Foto: Uli Deck/dpa/dpa
Von 14. Juni 2023

Die Parteien stecken spätestens seit Sonntag Abend offensichtlich wieder im Wahlkampfmodus: Im südthüringischen Landkreis Sonneberg hatte ein Vertreter der AfD den ersten Wahldurchgang für das Amt des Landrats klar gewonnen – mit elf Prozentpunkten Vorsprung vor seinem CDU-Konkurrenten. In der entscheidenden Stichwahl am 25. Juni heißt es nun Robert Sesselmann (AfD) versus Jürgen Köpper (CDU).

Schon zur Frühstückszeit am nächsten Morgen verlieh Katja Mast, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, ihrer Besorgnis auf Twitter Ausdruck:

Die Landratswahl in #Sonneberg zeigt: Alle Demokraten müssen jetzt zusammenstehen. Jede Stimme für die AfD ist eine zu viel – sie ist keine normale Partei. Sie will unsere Demokratie zersetzen. Es ist klar, wer jetzt die Wahl der Stunde ist: Jürgen Köpper.“

Inhaltlich ähnlich geäußert hatten sich auch Vertreter der thüringischen SPD, der Linken, der Grünen und der FDP: Sie alle stellen sich hinter den CDU-Mann Köpper.

Wenn das Feindbild zusammenschweißt

Dass Politiker ein Pferd aus dem eigenen Rennstall anfeuern, ist weder unfair noch verwerflich. Doch der Christdemokrat Köpper tritt ja gar nicht für die Linken, die Grünen, die FDP oder für die SPD an. Die Sozialdemokratin Mast macht sich also – stellvertretend für die übrigen Angehörigen der Anti-AfD-Fraktion – ausgerechnet für einen politischen Gegner stark, für dessen Partei sie in anderen Twitter-Postings sonst offensichtlich wenig Sympathie hegt: Eine Partei der „sozialen Kälte“ mit „Gruselvorschlägen“, zudem „neoliberal“ und „unsozial“ hatte Mast die CDU in den vergangenen Monaten genannt.

„Schämen Sie sich eigentlich nicht ein klein wenig?“, fragt folgerichtig „tom2102“, ein User, der Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) im Profil trägt.

Für Hinnerk K. erinnern die Aufforderungen Masts, alle „Demokraten“ gegen die AfD an einem Strang ziehen zu lassen, an die politischen Verhältnisse in den ostdeutschen Bundesländern vor 1989: „Geben Sie dem Kind doch ruhig einen Namen: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – kurz SED“.

Demokratiezersetzung?

Besonders die Wortwahl, derer sich Mast zur Diskreditierung der AfD bedient, stößt in der Twitterwelt vielfach auf Unverständnis. „Die Demokratie zersetzen Parteinen [sic] und Personen wie Sie, die den Willen des Wählers nicht anerkennen, wenn er ihnen nicht passt“, kommentiert die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Bettina Gruber in Richtung Katja Mast.

Auch die Stadträtin und Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Stadtratsfraktion in Dresden, Dr. Silke Schöps, meldete sich zu Wort: „Wie definiert man einen Demokraten? Und wie kann kann es laut Parteiengesetz überhaupt nicht-demokratische Parteien und Kandidaten geben? Ehrlich gemeinte Frage. Ich verstehe das nämlich trotzdem Jura-Promotion nicht.“

Weit schärfer kontert der User „ChaosCore“: „Solche Aussagen wie ihre zersetzen die Demokratie… aber die Menschen verstehen es endlich. Die @AfD verhindern sie mit so Platitüden nicht mehr. Akzeptieren sie einen neuen Spieler in der Demokratie oder mit Verlaub…..scheren sie sich zum Teufel…“

Wer anderen eine Grube gräbt…

Zur Selbstkritik rät „DerheiligeJOKER“: „War es nicht unteranderem [sic] Ihre Partei SPD die geschlossen mit den anderen Blockparteien gegen den Antrag der AfD für ‚direkte Demokratie-Volksentscheide‘ im Bundestag gestimmt hat? Wollte es kurz erwähnen, damit Ihre Anhänger im Bilde sind“.

„Fritz57634843“ greift zum Rundumschlag aus: „Gott, Lady, haben Sie es noch nicht begriffen??? Ihr AfD Mobbing ist lächerlich! Wer Politik GEGEN die Bürger macht, braucht sein Versagen nicht auf die zu schieben, die die Sorgen der Mehrheit ernst nimmt! Mein Vaterland, mein Körper, meine Meinung, meine Heizung, mein Kotelett – Finger Weg!“

„Was verstehen sie und die SPD unter Demokratie? Ein Kanzler, der in seiner Politik keine roten Grenzen kennt. Parteikollegen die Menschen beleidigen, z. B. als Covidioten. Die SPD wollte eine Zwangsimpfung, Menschen wurden ausgegrenzt. Ist das die Demokratie der SPD? Nein Danke“, schreibt „Who knows“.

Der „rassistisch verfolgte Saarländer“ gibt Mast durchaus recht – aber nur scheinbar: „Totally d’accord. Alle Demokraten müssen jetzt zusammenstehen. Jede Stimme für die AfD“.

Nur wenig Zustimmung für Mast

Doch Mast hat auch Fans, die ihre Meinung teilen. Zum Beispiel Thomas Dittrich, den Gründer der „European Media- & Business Academy“. Er teilte eine Kachel, die potenziellen AfD-Wählern schlicht den Anstand abspricht.

Der Radiomoderator Christoph Lemmer (Twittername: „bitterlemmer“) sprang Mast unter Verweis auf die Brandmauer-Rede von CDU-Parteichef Friedrich Merz ebenfalls zur Seite: „Merz hat recht. Gilt auch für Sie“.

Einen Vorschlag zur Güte macht Lothar Loeffel: „Parallel dazu müssen Union und FDP zurückkehren zu einer sachlichen Debatte und Populismus sowie Fakenews aus den eigenen Reihen stoppen. Nur so können die demokratischen Parteien das Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen“.

AfD – demokratisch oder verfassungsfeindlich?

Die AfD sieht sich seit ihrer Gründung anno 2013 immer wieder Vorwürfen wie jenem von Mast ausgesetzt, sie sei „undemokratisch“ oder „keine normale Partei“. Bei einem Blick ins AfD-Grundsatzprogramm sind dafür aber keine Belege zu finden. Schon in der Präambel heißt es:

Als freie Bürger treten wir ein für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft, Subsidiarität, Föderalismus, Familie und die gelebte Tradition der deutschen Kultur.“

„Verfassungswidrige“ Ideale liegen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur bei solchen Parteien vor, die „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“.

Selbst zur viel beklagten „generellen Ausländerfeindlichkeit“ ist im AfD-Programm nicht viel zu finden: „Es ist notwendig, zwischen politisch Verfolgten und Kriegsflüchtlingen einerseits und irregulären Migranten andererseits zu unterscheiden“, wird da differenziert. Im Einklang mit dem Grundgesetz-Artikel 16a, Absatz 2 dürfe das Asylrecht „nicht länger als ein Vehikel der Masseneinwanderung missbraucht werden“. Die AfD plädiert stattdessen für Personenkontrollen an „allen deutschen Grenzen“, „Schutz- und Asylzentren in sicheren Staaten“ und eine „Schließung der EU-Außengrenzen“. Denn nach Vorstellung der AfD solle „die sichere Reise nach Deutschland […] erst nach Anerkennung eines Schutzgrundes […] ermöglicht“ werden.

Die lange bekannten Standpunkte der AfD scheinen also nicht allzu weit entfernt von dem zu sein, was Innenministerin Faeser (SPD), Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck (beide Grüne) kürzlich in Luxemburg mitgetragen hatten.

Kommt bald das Verbotsverfahren?

Zudem gelingt es der AfD trotz ihrer Einstufung als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz offensichtlich regelmäßig, den Demokratie-Check der Bundes- beziehungsweise Landeswahlleitung zu bestehen. Sonst dürfte die Partei gar nicht auf einem offiziellen Wahlzettel auftauchen.

Verboten sind die „Blauen“ jedenfalls noch nicht, auch wenn das hauptsächlich aus Steuermitteln finanzierte „Deutsche Institut für Menschenrechte“ (DIMR) die Voraussetzungen für ein Parteiverbot bereits als erfüllt ansieht.

Woher rührt also die bei vielen Bürgern unverrückbare Überzeugung, die AfD habe mit Demokratie, Grundgesetz und Rechtsstaatlichkeit nichts am Hut?

Die Rolle der Medien-Flaggschiffe

Wie der heutige ARD-Chef und aktuelle SWR-Intendant Prof. Kai Gniffke bereits Anfang Mai 2018 zugab, spielte das „Framing“ in den öffentlich-rechtlichen Medienhäusern von Anfang an eine wohl nicht zu unterschätzende Rolle. In einer Talkrunde auf dem Branchentreffen „re:publica“ hatte Gniffke an der Seite der TV-Moderatorin Dunja Hayali Folgendes zu Protokoll gegeben:

Zu Beginn der ganzen AfD, des AfD-Großwerdens, Pegida-Phase, da hatten wir schon einen gewissen missionarischen Eifer. Ich glaube, wenn man sich unsere Texte anguckt, sind die alle irgendwie unangreifbar. Aber zwischen den Zeilen kam es aus jeder Pore, irgendwie: ,Ihr sollt die bitte doof finden‘. Das hat ’ne ganze Weile gebraucht. Und deshalb haben wir das immer, immer dann noch wie so’n Stigma dort angelegt: ,die rechtspopulistische AfD‘. Und haben gesagt: Ja, die Leute kennen diese Partei noch nicht, die müssen’s erst mal einordnen können. Dann haben wir irgendwann mal gemerkt, mittlerweile ist diese Partei bekannt, es braucht dieses Etikett nicht mehr. Weil, was hat dieses Etikett gemacht? Es hat genau diese Wirkung entfaltet, dass die Leute sich irgendwie stigmatisiert fühlten.“ (Video auf YouTube).

Zum Zeitpunkt dieser Aussage war Gniffke laut SWR-Porträt noch „Erster Chefredakteur ARD-aktuell“, der unter anderem die „Tagesschau“, die „Tagesthemen“ und die Internetseite „tagesschau.de“ betreute – also die großen Flaggschiffe des deutschen TV-Journalismus.



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