Kriegt der Landkreis Sonneberg demnächst den ersten AfD-Landrat Deutschlands?

Der Thüringer Landtagsabgeordnete Robert Sesselmann könnte in die Geschichte eingehen – als erster Landrat der AfD. Dazu müsste er aber die Stichwahl am 25. Juni im Landkreis Sonneberg gewinnen. Die restlichen Parteien wollen das mit vereinten Kräften verhindern.
Titelbild
Das Archivbild zeigt Björn Höcke (M.), den Landesvorsitzenden der AfD in Thüringen, auf einer Veranstaltung in Haldensleben. Höcke glaubt daran, dass sein Parteikollege Robert Sesselmann der erste AfD-Landrat Deutschlands werden könnte.Foto: RONNY HARTMANN/AFP über Getty Images
Von 13. Juni 2023

Wird es in knapp zwei Wochen den ersten AfD-Landrat Deutschlands geben? Nachdem mit Robert Sesselmann ein Kandidat der „Alternative für Deutschland“ (AfD) am 11. Juni im ersten Wahlgang mit Abstand die meisten Stimmen im südthüringischen Landkreis Sonneberg geholt hat, scheinen die Chancen nicht schlecht zu stehen.

Der Landtagsabgeordnete Sesselmann (AfD) schaffte es, 46,7 Prozent jener 23.442 Bürger, die ihre Stimme korrekt abgaben, für seine Politik zu begeistern. Er verfehlte den Start-Ziel-Sieg damit nur äußerst knapp. Der zweitplatzierte Jürgen Köpper (CDU) holte genau elf Prozentpunkte weniger. Anja Schönheit (SPD, 13,3 Prozent) und Nancy Schwalbach (Grüne, 4,4 Prozent) schieden aus. Das finale Duell zwischen Sesselmann und Köpper soll nun am Sonntag, 25. Juni, an der Wahlurne stattfinden.

Köpper trotz Amtsbonus abgeschlagen

Das Zwischenergebnis erscheint umso bemerkenswerter, weil CDU-Mann und Vizelandrat Jürgen Köpper eigentlich einen „Amtsbonus“ besitzen müsste. Er hatte den Posten des 2018 gewählten parteilosen Landrats Hans-Peter Schmitz schon vor gut zwei Jahren übernommen, als Schmitz wegen einer langwierigen Erkrankung in den Ruhestand versetzt werden musste. Seit März führt Köpper die Geschäfte offiziell und interimsmäßig.

Sesselmann, von Haus aus Rechtsanwalt, hatte bereits 2018 versucht, ins Landratsamt einzuziehen. Damals war er knapp auf Platz drei gelandet – nicht genug für die Stichwahl, die am Ende der parteilose Schmitz für sich entscheiden konnte. Jetzt also der erneute Anlauf.

Ramelow verärgert über niedrige Wahlbeteiligung

Die Publikumsbeteiligung beim ersten Wahldurchgang 2023 lag bei 49,1 Prozent: Nicht einmal die Hälfte der 48.299 Wahlberechtigten hatten also ihre Stimme für eine neue oder auch alte Kraft im Sonneberger Landratsamt abgegeben.

Darüber zeigte sich Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow alles andere als erfreut: „Es ist ein ernstes Problem, dass die Polarisierung in der Gesellschaft dazu führt, dass ein Teil der Wählerinnen und Wähler denkt, es ist nicht mehr für sie relevant.“ Die Hälfte jener Wahlberechtigten, die auf ihre Stimmabgabe verzichtet hätten, trage „auch ein Stück Mitverantwortung dafür, dass der AfD-Kandidat beinah aus dem Stand 50 Prozent gekriegt hat“, mahnte Ramelow nach Informationen des „Mitteldeutschen Rundfunks“ (MDR).

Um dem AfD-Kandidaten Sesselmann die „Pole Position“ doch noch abzunehmen, empfahl Ramelow einen Zusammenschluss von „Demokraten“ und „exportorientierten“ Firmen. Denn Sesselmann habe während seines Wahlkampfs Themen angesprochen, die gar nicht in die Zuständigkeit des Landkreises fielen.

Alle gegen den AfD-Kandidaten

Die Thüringer Linkspartei pflichtete ihrem Ministerpräsidenten bei: Die Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig kündigte nach Informationen des „Mitteldeutschen Rundfunks“ (MDR) an, ihre Stammwähler zur Wahl des CDU-Kandidaten Köpper aufrufen zu wollen. Dies sei „eine Frage des Verantwortungsbewusstseins für die Demokratie“.

Anja Müller, die Sprecherin für Demokratie und Verfassung in der Landtagsfraktion der Linken, forderte längere Öffnungszeiten und mehr Wahllokale, um mehr Menschen für den Urnengang zu mobilisieren. Denkbar seien Anlaufstellen wie Supermärkte oder Baumärkte. Ginge es nach ihr, sollten Briefwahlunterlagen „automatisch mit ausführlichen Informationen über alle Kandidaten“ versendet werden. Insgesamt plädiere sie dafür, das Kommunalwahlrecht angesichts einer „geänderten Lebens- und Arbeitswelt […] weiter [zu] entwickeln“.

Auch Ann-Sophie Bohm, die grüne Landeschefin in Thüringen, riet laut MDR trotz „inhaltlicher Differenzen“ am Tag nach dem ersten Wahldurchgang zur Wahl Köppers, weil das aus ihrer Sicht „erschütternde“ Zwischenergebnis „kaum eine andere Wahl“ lasse. Die „demokratischen Kräfte“ müssten „zusammenstehen“.

Vertreter der SPD und der FDP hatten sich nach Informationen des MDR ebenfalls bereits für Köpper ausgesprochen.

Höcke jubelt, Möller tadelt

Thüringens AfD-Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke feierte Sesselmann bereits siegesgewiss auf Twitter:

Mit knapp 47% hat mein Fraktionskollege Robert Sesselmann das beste AfD-Ergebnis in der ersten Runde einer Landratswahl erreichen können. Etwa 3% fehlen nun noch zum ersten AfD-Landrat. Das wollen und werden wir für #Thüringen schaffen!“

Weniger optimistisch gab sich Stefan Möller, der Co-Vorsitzende der AfD in Thüringen. Er warf Ministerpräsident Ramelow wegen dessen Stichwahl-Empfehlung pro Köpper eine „verfassungswidrige Missachtung seiner amtlichen Neutralitätspflicht“ vor. Diese gehe zulasten des AfD-Kandidaten.

AfD noch nie Stichwahl-Sieger auf Landratsebene

Erst Mitte Mai 2023 war es im brandenburgischen Oder-Spree-Kreis ebenfalls zu einer kommunalen Stichwahl um ein Landratsamt zwischen einem „Alternativen“ und einem SPD-Kandidaten gekommen.

Damals aber einigten sich nur Vertreter der Grünen und Linken, ihren Anhängern eine Wahlempfehlung für den Sozialdemokraten mit auf den Weg zu geben. CDU und die Freien Wähler zogen es vor, nichts Offizielles dazu zu sagen. Dennoch trug Frank Steffen (SPD) mit 52,4 Prozent knapp den Sieg vor AfD-Bewerber Rainer Galla davon.

Ein Fall für den Verfassungsschutz?

Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz seit Mai 2021 als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft und beobachtet. Vor wenigen Tagen hatte das mehrheitlich aus Staatsmitteln finanzierte „Deutsche Institut für Menschenrechte“ (DIMR) veröffentlicht, dass es die Voraussetzungen für ein AfD-Verbot als gegeben ansehe.

Seit März 2022 gilt die Gesamtpartei AfD bundesweit „nur“ als Verdachtsfall, ihre Jugendorganisation „Junge Alternative“ gilt seit einigen Wochen als „gesichert extremistisch und verfassungsfeindlich“.

Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, hatte allerdings im Mai 2023 gesagt, sein Inlandsgeheimdienst werde „bei der gründlichen Beobachtung des Verdachtsfalls Alternative für Deutschland als Gesamtpartei zu einem geeigneten Zeitpunkt zu einer neuen Bewertung kommen müssen“.

Bei einer Einstufung als Verdachtsfall dürfen geheimdienstliche Mittel zur Beobachtung eingesetzt werden. Darunter fallen etwa Observationen oder das Sammeln von Informationen über sogenannte V-Leute. Bisher verzichtete der Verfassungsschutz auf diese Maßnahmen.

AfD bundesweit im Aufwind

In den vergangenen Monaten war es für die Alternative für Deutschland (AfD) bundesweit deutlich bergauf gegangen. Nachdem die Partei lange bei ungefähr zehn bis zwölf Prozent Zustimmung gedümpelt hatte, gaben zur „Sonntagsfrage“ bei YouGov jüngst 20 Prozent der Befragten an, ihr Kreuzchen augenblicklich bei der Alternative setzen zu wollen. Der Umfrage-Rekordwert liegt zudem ein Prozentpunkt über dem der Kanzlerpartei SPD. Die Grünen kämen demnach nur noch auf 13 Prozent. Die Union musste zwar drei Prozentpunkte Federn lassen, wäre mit 28 Prozent aber noch immer stärkste Kraft in Deutschland.

Erst vor wenigen Tagen hatte CDU-Parteichef Friedrich Merz in einem TV-Interview betont, dass es niemals irgendeine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde, solange er selbst an der Parteispitze stehe. Das Thüringer CDU-Landespräsidiumsmitglied Michael Brychcy dagegen plädiert für mehr Differenzierung bei der Zusammenarbeit mit der AfD: Er selbst binde in seinem Stadtrat schon AfD-Abgeordnete bei Sachfragen mit ein. 2024 wird in Brandenburg, Thüringen und Sachsen ein neuer Landtag gewählt.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion