Verdopplung eingefrorener Vermögenswerte: Warum russische Oligarchen Yachten und Villen weiter nutzen dürfen

Als Druckmittel gegen Russland setzt die EU seit neun Jahren auf Sanktionen gegen Personen und Unternehmen, die den Ukraine-Kurs des Kreml unterstützen. Allein Deutschland hat zurzeit Vermögenswerte von 4,4 Milliarden Euro eingefroren. Doch wann genau werden Gelder legal eingefroren? Es gilt die EU-Verordnung Nr. 269/2014.
Die russische Megajacht «Valerie» liegt im Hafen von Barcelona: Spanien hat im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegen russische Oligarchen die Luxus-Jacht festgesetzt.
Die Sanktionsverordnung Nr. 269/2014 der EU gegen Kreml-nahe Personen umfasst neben Konten auch Sachwerte. Das Symbolbild zeigt die russische Jacht „Valerie“ im Hafen von Barcelona.Foto: David Oller/EUROPA PRESS/dpa
Von 3. April 2023

Deutschland zieht beim Einfrieren von Vermögenswerten russischer und weißrussischer „Oligarchen“ die Daumenschrauben offenbar immer stärker an.

Nach Informationen des belgischen EU-Justizkommissars Didier Reynders hätten die deutschen Behörden jüngst „beeindruckende“ Zugriffssperren in Höhe von knapp 4,4 Milliarden Euro gemeldet. Vor einer Woche seien es nur 2,2 Milliarden gewesen. Das meldete das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND, Bezahlschranke) am 3. April.

Reynders räumte im RND-Gespräch allerdings ein, dass es unklar sei, ob Deutschland in so kurzer Zeit tatsächlich doppelt so viele Ressourcen gesperrt habe. Es könne auch sein, dass die Informationen darüber erst verspätet gemeldet worden seien.

EU-weit seien insgesamt bislang russische oder weißrussische Vermögenswerte in Höhe von 23,1 Milliarden Euro eingefroren worden, sagte Reynders. Im November 2022 seien es noch rund 19 Milliarden gewesen. Der Zuwachs von 4,1 Milliarden gehe gut zur Hälfte auf die deutschen Sperren zurück. „Wir versuchen, die Sanktionen weiter durchzusetzen und einen immer stärkeren Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedsstaaten zu erreichen“, erklärte Reynders.

Es gilt die EU-Verordnung Nr. 269/2014

Konten und sonstigen Vermögenswerte von Privatpersonen oder Kreml-nahen Unternehmen einzufrieren, ist ein Teil der Sanktionspolitik der Europäischen Union gegen Russland.

Grundlage dieser Form der Bestrafung ist der Artikel 2 der EU-Verordnung Nr. 269/2014 des Europäischen Rates vom 17. März 2014. Die Verordnung war einen Tag vor der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation erlassen worden – und zwar „im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [PDF] anerkannt wurden“.

„Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union sind auch ohne zugrunde liegende Maßnahmen der Vereinten Nationen möglich“, stellt die Bundesbank klar.

Ein Jahr EU-Taskforce „Freeze and Seize“

Die EU-Sanktionsverordnung zielt auf das Vermögen von Personen ab, „die für Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, einschließlich der ukrainischen Verfassung zuwiderlaufender Handlungen in Bezug auf den künftigen Status von Teilen ihres Hoheitsgebiets, verantwortlich sind, und der mit ihnen verbundenen natürlichen und juristischen Personen, Einrichtungen und Organisationen vorsieht“.

Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde die Zielgruppe immer weiter ausgedehnt, die Anstrengungen verstärkt. Bereits im März 2022 hatte die EU-Kommission unter dem Motto „Freeze and Seize“ (zu Deutsch etwa: „Einfrieren und Beschlagnahmen“) eine eigene „Taskforce“ dafür eingerichtet.

Hunderte Einträge auf Sanktionsliste

Bei der ersten Ausfertigung der EU-Verordnung vor neun Jahren hatte der Anhang mit der Liste der zu sanktionierenden Personen und Unternehmen 21 Männer umfasst. Seitdem wurde die Verordnung immer wieder angepasst oder berichtigt, zuletzt am 3. März 2023.

Anfang April 2023 enthält die Liste Hunderte Männer, Frauen und Unternehmen, ihre wichtigsten Personaldaten und die näheren Gründe, aufgrund derer die EU diese Personen für sanktionswürdig hält.

Private Nutzung einer Villa erlaubt

Wie der Wirtschaftsrechtsexperte Dr. Stephan Fischer gegenüber dem auf rechtliche Angelegenheiten spezialisierten Onlineportal „beck-aktuell“ bereits im April 2022 erläuterte, bleiben sanktionierte „Personen und Unternehmen […] weiterhin Eigentümer der eingefrorenen Vermögenswerte“.

Handele es sich um Sachwert-Eigentum wie etwa eine Jacht oder eine Villa, sei die private Nutzung weiter möglich – nur Gewinne dürfe man nicht mehr damit erzielen. Verkaufen oder Vermieten seien also verboten.

Gleichwohl blieben die Rechte Dritter „grundsätzlich bestehen“: Wenn also beispielsweise ein Warenlieferant noch eine berechtigte Forderung gegenüber einem Unternehmen habe, dessen Ressourcen einem Verfügungsverbot unterlägen, könne die „zuständige Behörde […] im Einzelfall die Freigabe von eingefrorenen Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen für Zahlungen genehmigen, […] sofern damit nicht gegen die sogenannten Bereitstellungsverbote […] verstoßen“ werde.

Beschlagnahmen möglich

Um „Verstöße gegen die Verfügungsverbote mit Blick auf die eingefrorenen Vermögenswerte zu verhindern“, könnten Ressourcen „zur Sicherheit“ aber auch beschlagnahmt werden, sagte Fischer. Dafür müssten allerdings „konkrete Anzeichen“ vorliegen, „dass eine gelistete Person etwas tut, das gegen das Verfügungsverbot verstößt“. Ob eine Beschlagnahme zulässig sei, hänge im Übrigen auch „vom Recht des jeweiligen EU-Mitgliedstaats ab“.

Den Betroffenen stehe es frei, eine „Klage beim zuständigen EU-Gericht“ einzureichen, wenn sie von einem „Beurteilungsfehler“ ausgingen, erklärte Fischer. Außerdem habe sich auch die EU an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu halten.

Staatssekretär Jörg Kukies als Chef der deutschen Taskforce

In Deutschland überwacht das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn die korrekte Umsetzung. Außerdem hatte die Bundesregierung wenige Wochen nach Beginn des Ukraine-Krieges eine eigene Taskforce eingerichtet. Nach Angaben der „Tagesschau“  liegt die „übergeordnete koordinierende Rolle“ dieser Taskforce auf Wunsch von Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim Bundeskanzleramt. Die Leitung habe Kanzleramtsstaatssekretär Jörg Kukies übernommen.

Auch die Banken seien zur Mitarbeit verpflichtet: „Gegenüber der Bundesbank bestehen in diesem Zusammenhang auch Berichtspflichten“, erklärte Rechtsanwalt Fischer. „Aufgrund der großen Bandbreite an EU-Sanktionen ist eine fortlaufende Koordination zwischen der Bundesregierung und den Ländern sowie den zuständigen Behörden unabdingbar“.

Kriegsende soll im Interesse der Oligarchen sein

Selbstverständlich könnten die Vermögenswerte der Sanktionierten auch wieder „aufgetaut“ werden, präzisierte Fischer. Dazu müsse allerdings entweder die Verordnung außer Kraft gesetzt oder die betreffende Person von der Liste gestrichen werden. „Daher dürfte es im wirtschaftlichen Interesse der betroffenen Oli­garchen liegen, dass der Krieg in der Ukraine beendet und die Sanktionen wieder aufgehoben werden“, sagte Fischer.



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