Ford meldet Patent für Autos an, die Besitzer nerven, abservieren und anzeigen

Ford will Zahlungsausfälle von Kunden vermeiden und will Fahrer auf verschiedene Arten an ihre Pflichten erinnern. Diese reichen von Handy-Nachrichten bis zum Lockdown des Fahrzeugs. Auch gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr sind dabei nicht ausgeschlossen.
Fahrzeuge des US-Autobauers Ford Motor Company bei einem Autohändler.
Fahrzeuge des US-Autobauers Ford Motor Company bei einem Autohändler.Foto: Justin Sullivan/Getty Images
Von 8. März 2023


Ford finanziert. Fahrer fährt Ford. Finanzierung (f)ergessen. Ford fährt fort. Fahrerlos.

So ähnlich könnte die Zukunft des Automobils aussehen. Das geht aus einem Patentantrag des US-Autobauers hervor. Neben Warnmeldungen und -tönen oder Einschränkungen von Fahrzeugfunktionen könnte das Auto selbst die Polizei einschalten, absichtlich (falsch) parken für erleichtertes Abschleppen oder – bei niedrigem Fahrzeugwert – autonom den nächsten Schrottplatz ansteuern.

Katastrophe mit Ansage

„In den letzten zwei Jahren stiegen die Fahrzeugpreise, weil es kein Angebot an Neuwagen gab“, sagte Jeremy Cross, Präsident von International Recovery Systems, Mitte Dezember gegenüber „NBC News“. „Die Leute kauften wie verrückt, weil sie viel Bargeld zu Hause haben und ihre Kreditwürdigkeit entsprechend hoch war. Es war ein Rezept für eine Katastrophe.“

Diese Katastrophe trifft Autokäufer nun in Form von steigenden Zinsen und damit verbundenen Zahlungsschwierigkeiten. Um Zahlungsausfälle zu minimieren, haben Banken oder Fahrzeughändler in den USA die Möglichkeit der sogenannten Wiederinbesitznahme – das Auto wird gepfändet und erst nach Zahlung wieder freigegeben.

Im Gegensatz zu Deutschland ist dies in den USA auch ohne Vollstreckungsbescheid und Gerichtsvollzieher möglich und wird immer häufiger angewendet, da sich die höheren Zinssätze auf die monatlichen Zahlungen auswirken.

Unter dem unscheinbaren Titel „System und Methoden zur Wiederinbesitznahme eines Fahrzeugs“ hat der US-Autobauer Ford bereits im August 2021 einen Patentantrag für die weitgehende Automatisierung dieses Prozesses eingereicht. Die Veröffentlichung der Unterlagen Ende Februar 2023 sorgte für Wirbel.

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr durch das Auto

So beschreiben die Autoren auf 14 Seiten gleich mehrere Methoden, wie säumige Ford-Fahrer zur Fortzahlung ihrer Raten bewegt werden können:

  • Erinnerung und Zahlungsaufforderungen auf Smartphone, Tablet, Wearables oder Computer und im Fahrzeug
  • Deaktivierung (unwichtiger) Fahrzeugfunktionen wie Radio und Klimaanlage
  • Warn- und/oder Dauertöne im Fahrzeuginneren und/oder durch die Hupe
  • Beschränkung der Bewegungsfreiheit (zum Beispiel auf der Fahrt zur Arbeit)
  • Beschränkungen der Fahrzeit (zum Beispiel auf Wochentage)
  • Aussperren des Fahrers (Deaktivierung des gesamten Fahrzeugs), mit Ausnahme medizinischer Notfälle
  • Selbstständiges Parken auf öffentlichen Verkehrsflächen (um Abschleppen zu ermöglichen oder zu erleichtern)
  • Selbstständiges Fahren zu Sammelplätzen, Wiederbeschaffungsagenturen oder Fahrzeughändlern
  • Ermittlung des geschätzten Restwertes des Fahrzeugs in Verbindung mit der selbstständigen Überführung zu einem Schrottplatz
  • Übermittlung verschiedener Daten einschließlich Fahrzeugsensoren, Kamera und Position an die Polizei im Rahmen eines Fahndungsaufrufs (wenn Fahrzeuge am Wegfahren gehindert werden)

In Deutschland: Technischer Defekt statt Beschlagnahme

Käufer aus Deutschland müssen sich über derartige Dinge zurzeit keine Sorgen machen. Einerseits schreibt das Gesetz bestimmte Formalitäten und Abläufe bei der Beschlagnahme von Sachen vor, andererseits ist das autonome Fahren bislang nicht straßenzugelassen – Sondergenehmigungen ausgenommen.

Auch der Bundesgerichtshof urteilte im Oktober 2022 zugunsten eines Klägers, dessen E-Auto-Batterie vom Hersteller gesperrt wurde und sich nicht mehr aufladen ließ. Dies sei eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher, berichtete „Golem“.

Das heißt aber auch, ein technischer Defekt könnte – völlig legal und natürlich rein zufällig – bestimmte Funktionen lahmlegen oder den Fahrer aussperren. Außerdem soll, wie Ford im Patentantrag beschreibt, das Fahrzeug mit den betroffenen Teilnehmern drahtlos kommunizieren, was Hackern zumindest eine Chance bietet, das System zu übernehmen. Auch ohne Eingreifen Dritter wäre beispielsweise bei Serverüberlastung ein ungewolltes Aktivieren oder Deaktivieren der verschiedenen Mahn- und Sperrfunktionen denkbar.

Werden Hupe oder Radio, Blinker oder Lichter plötzlich aktiviert, kann dies jedoch den Fahrer selbst oder andere Verkehrsteilnehmer erschrecken. Je nach Situationen mit lebensgefährlichen Folgen.

Eine Umfrage von „Auto-Motor-Sport“ zeigt jedoch auch, dass 40 Prozent der über 2.000 befragten Leser Assistenzsysteme zum teilautonomen Fahren gern nutzen. Die Technik sorge bei ihnen für mehr Sicherheit. Fast ebenso viele Leser haben lieber selbst die Kontrolle und lehnen sie ab.

Ob, wann und wie ungeklärt

Als Begründung für eine oder mehrere Maßnahmen heißt es im Patentantrag:

„Der Eigentümer eines Fahrzeugs kann aus verschiedenen Gründen mit der Zahlung eines Fahrzeugs in Verzug geraten. Der Kreditgeber kann dem Eigentümer eine Zahlungsaufforderung zukommen lassen, […] der Eigentümer des Fahrzeugs kann diese Mitteilung ignorieren. Nach weiteren Mahnungen kann der Kreditgeber das Fahrzeug wieder in Besitz nehmen. In der Regel ist der Eigentümer zu diesem Zeitpunkt unkooperativ und kann versuchen, die Rücknahme des Fahrzeugs zu behindern. In einigen Fällen kann dies zu einer Konfrontation führen. Es ist daher wünschenswert, eine Lösung für dieses Problem zu finden.“

Indes teilte Ford auf Anfrage mit: „Wir reichen Patente auf neue Erfindungen im Rahmen der normalen Geschäftsaktivität ein, aber sie sind nicht unbedingt ein Hinweis auf neue Geschäfts- oder Produktpläne.“

Insofern ist unklar, ob Ford derartige Lösungen in seine Fahrzeuge integriert und wann sie damit beginnen – oder begonnen haben. Ebenso wenig ist bekannt, ob nötige Komponenten werkseitig eingebaut werden müssen oder ob eine gegebenenfalls aus der Ferne erzwungene Aktualisierung der Software ausreicht.

Für Fahrer interessant wäre zudem, ob die vollständige Bezahlung des Fahrzeugpreises die Funktion deaktiviert oder ob beispielsweise bei Nichtzahlung von Steuern oder Gebühren der Traum vom eigenen Auto zum Albtraum wird.



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