„Das Dach brennt“: VW-Chef stimmt Mitarbeiter auf Krise ein

Bei einer Brandrede an Volkswagen-Manager in aller Welt machte VW Chef Thomas Schäfer den Ernst der Lage klar: Es gehe um nicht weniger als „die Zukunft der Marke“. Kurz darauf steigt der Automobilbauer in den Strommarkt ein.
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Dunkle Wolken ziehen auf über dem VW-Konzern. Der Platzhirsch befindet sich in einer schweren Krise.Foto: Alexander Koerner/Getty Images
Von 14. Juli 2023

Starke Konkurrenz, schlechte Absatzzahlen der Elektromodelle, hohe Ausgaben – beim Volkswagen-Konzern herrscht Krisenstimmung. Entsprechend hat VW-Markenchef Thomas Schäfer in einer gut eine Stunde dauernden Video-Konferenz am Montag, dem 10. Juli, Alarm geschlagen. Anwesend waren rund 2.200 zugeschaltete Führungskräfte aus der ganzen Welt.

„Ein perfekter Sturm“ braue sich da gerade für den Hersteller zusammen, sagte Schäfer laut „Automobil Industrie“. Seine Brandrede habe der Markenchef als den „letzten Weckruf“ für das Unternehmen bezeichnet und eine Rezession sei nahe. Die Wettbewerber verdienten im Volumenbereich zwei- bis dreimal so viel wie die Kernmarke des Volkswagen-Konzerns.

Kurz vor den Werksferien herrscht in den Chefetagen bei VW keine Urlaubsstimmung. Schäfer teilte mit, wie ernst die Lage bei Deutschlands größtem Autobauer aktuell ist. „The roof is on fire“ („Das Dach brennt“), warnte der 53-Jährige seine Kollegen laut dem „Handelsblatt“. Weiter hieß es: „Die Zukunft der Marke VW steht auf dem Spiel.“ Für das Unternehmen stünden nun „sehr harte“ nächste Wochen und Monate an.

Viele Brandherde im Konzern

Der VW-Chef kündigte als erste Maßnahme einen sofortigen Ausgabenstopp an, der bis Ende des Jahres gelten dürfte. Er erklärte dazu, dass der Konzern „die Kosten an vielen Stellen zu hoch laufen“ lasse.

Insgesamt wolle Schäfer das Ergebnis der Marke in den nächsten drei Jahren um zehn Milliarden Euro verbessern. Das könnte jedoch schwierig werden. VW-Finanzvorstand Patrik Andreas Mayer soll laut „t-online“ in der Videoschaltung gesagt haben: „Unser Autogeschäft ist krank“. Die aktuelle operative Rendite von dreieinhalb Prozent stamme ausschließlich aus dem Teilegeschäft und Lizenzeinnahmen aus China.

Zudem gebe es in weiteren Punkten Hindernisse: „Unsere Strukturen und Prozesse sind immer noch zu kompliziert, zu langsam, zu unflexibel.“ Im Weiteren sprach der VW-Vorstand laut „Spiegel“ Probleme bei der Umsetzung des geplanten Umbaus an. „Wir stellen vielerorts fest, dass es jetzt schwierig ist, die nächsten Schritte zu unternehmen und wirklich zum Kern der Sache vorzudringen“, sagte Schäfer. Doch das müsse und werde VW jetzt tun.

Bereits im Mai hatte sich Schäfer in einem internen Schreiben an die VW-Mitarbeiter gewandt. Schon damals beklagte er, die Marke sei „wirtschaftlich noch nicht solide genug aufgestellt“. Volkswagen müsse „auch in Krisenzeiten und in einer auf Dauer volatilen Welt gute, wettbewerbsfähige Renditen schaffen“.

Die Umsatzrendite müsse sich demnach mehr als verdoppeln – von 3,0 auf 6,5 Prozent. Im Unternehmen kursieren seither Ideen für ein milliardenschweres Umbauprogramm. Die Maßnahmen sollen spätestens nach der Sommerpause weiter konkretisiert werden, heißt es im Unternehmen.

Zunehmender Wettbewerb schwächt VW

Eine ernst zu nehmende Bedrohung sei der zunehmende Wettbewerb, insbesondere in der Sparte der Elektrofahrzeuge. Tesla und einige chinesische Marken wie BYD setzten VW mit niedrigeren Preisen und Kosten für E-Autos unter Druck, berichtete „Golem“. Erst kürzlich machte das deutsche Unternehmen mit einer Preissenkung des VW ID.3 in China von sich reden.

Seit einigen Monaten tobt in diesem Segment ein heftiger Preiskampf. Laut Schäfer ist dieser eine Folge der eingebrochenen Nachfrage nach Elektrofahrzeugen aufgrund von gekürzten Subventionen und Rezessionsängsten. VW drosselte bereits die Produktion in einem Werk aufgrund der schwachen E-Auto-Bestellungen.

Weiteres Standbein im Strommarkt?

Trotz der internen Krisen ist VW seit Mittwoch, dem 12. Juli, in den Strommarkt einsteigen. Die Volkswagen Group hat laut einer Pressemitteilung als erstes Automobilunternehmen mit ihrer Marke Elli den Handel am deutschen Strommarkt, der größten europäischen Strombörse EPEX Spot, gestartet. Dabei soll ein stationäres Speichersystem – das sogenannte „PowerCenter“ – zukünftig die am Strommarkt gehandelte Energie speichern. Ist der Strom günstig, wird Strom aufgekauft und wenn der Preis angestiegen ist, wird der Strom wieder verkauft.

VW

Die Batterien des e-up! kommen beim Einstieg in den Strommarkt zum Einsatz. Foto: JOHANNES EISELE,JOHANNES EISELE/AFP via Getty Images

Volkswagen und Elli wollen dadurch perspektivisch die wachsenden Speicherkapazitäten von E-Autos und Batterien im Energiesystem verankern. Elli-CEO Giovanni Palazzo sagte dazu: „Elli wird die Elektromobilität und die Energiewende wesentlich voranbringen. Bereits heute sind wir der größte Mobility Service Provider Europas im Bereich Laden und Energie.“ Palazzo erklärte zudem das langfristige Ziel: „Wir wollen unseren Kunden einen klaren Vorteil beim Strompreis verschaffen und zugleich neue, umsatzstarke Geschäftsmodelle entwickeln, die Elli dauerhaft stärken werden.“

Zunächst kommen als stationärer Batteriespeicher 28 Batteriesysteme und 34 Zellmodule der e-up!-Batterien zum Einsatz. Mit dem Pilotprojekt will Elli wertvolle Erfahrungen für den Aufbau einer Smart Energy Plattform sammeln. Anschließend soll es auch größere und komplexere Anwendungen geben. So untersucht Elli derzeit gemeinsam mit dem Batterie-Unternehmen PowerCo die Möglichkeiten und die Skalierbarkeit von Großspeichersystemen. Bereits heute sei es möglich, das Auto genau dann zu laden, wenn viel „erneuerbare“¹ Energie preisgünstig vorhanden ist.

[1] Der Begriff „erneuerbare Energien“ hat sich zwar gesellschaftlich etabliert, nach dem Energieerhaltungssatz ist Energie aber grundsätzlich nicht erneuerbar. Sie kann nur umgewandelt werden.



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