Schlaflos und unstet ist das Leben von Gustl Mollath in Freiheit

Titelbild
Gustl Mollath.Foto: MICHAELA REHLE/AFP/Getty Images
Epoch Times20. März 2019

Gut sieht Gustl Mollath aus. Im dunklen Anzug, äußerlich sehr gepflegt, erscheint er im Münchner Justizpalast. Dass er seit Jahren jede Nacht schweißgebadet aufwacht, weil er während seiner Zwangsunterbringung in der Psychiatrie nachts geweckt worden und davon bis heute traumatisiert sei, ist ihm zumindest nicht anzusehen. Für gut 90 Monate in der Psychiatrie will Mollath eine Millionenentschädigung – zum Prozessauftakt wird klar, dass er zumindest auf mehrere hunderttausend Euro hoffen kann.

Mollath reichte eine Klage über rund 1,8 Millionen Euro gegen den Freistaat Bayern ein. Diese soll der juristische Schlusspunkt in einem Justizskandal sein, der über Jahre viele Menschen bewegte: Als Mollath 2013 aus der Psychiatrie in Bayreuth entlassen wurde, waren zahlreiche Unterstützer da. Auch der Saal des Münchner Landgerichts ist an diesem Mittwoch wieder voller Unterstützer.

Mollaths Rechtsanwalt Hildebrecht Braun versteht nicht, warum der Freistaat Bayern sich nicht dieses große öffentliche Interesse ersparte und im Vorfeld einen Vergleich akzeptierte. „Wir hätten diesen Prozess nicht gebraucht“, sagt Braun. Doch einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich über 600.000 Euro lehnte der Freistaat ab, ein Angebot von 170.000 Euro vom Freistaat fand Mollath inakzeptabel.

Weil es keinen Vergleich gab, steht nun auf einmal wieder der gesamte bayerische Justizapparat im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Denn die Anwesenden eint mit Mollath die diffuse Überzeugung, dass nur durch die Willkür von Gerichten Biografien zerstört werden können.

Am Ende des Prozesstags etwa geht ein Mann aus Nordrhein-Westfalen auf Mollath zu und sagt erkennbar tief bewegt, er könne sich nur entschuldigen. Der Mann hat das Gefühl, für das Behördenversagen gerade stehen zu müssen, wo die Behörden diese Verantwortung nicht übernehmen. Mollath tröstet den Mann, er müsse sich nicht entschuldigen, freut sich aber über den Zuspruch – die Behörden zeigten bis heute „nur Kaltheit“.

Im Fall Mollath gibt es eine Reihe von Ereignissen, die die Skepsis untermauern. Da ist der Prozess in Nürnberg 2006, nach dem ihn der Richter wegen Wahnvorstellungen einweisen ließ, weil Mollath über Schwarzgeldgeschäfte seiner Frau für eine Großbank berichtete – später stellte sich heraus, dass diese Vorwürfe im Kern zutrafen. Auch später schrieb Mollath aus der Psychiatrie diese Behauptungen. Eine interne Kontrolle der Bank bestätigte den Verdacht – doch die Bank behielt das lieber für sich.

Dass Mollath selbst allerdings mit einer Vielzahl an Pamphleten und Verschwörungstheorien eher für Verwirrung sorgte, statt für Klarheit zu sorgen, spielt in dem Zivilprozess keine Rolle mehr. Der Vorsitzende Richter sieht eine Reihe von Fehlern der Justiz und hält deshalb Schadenersatzansprüche des früher in Nürnberg lebenden Mollath für „plausibel“.

Wieviel Geld es werden könnte und bis wann eine Entscheidung kommt, ist offen. Der Zivilprozess soll nun auf dem Schriftweg fortgesetzt werden, ein Urteilstermin ist offen. Verkürzt werden könnte das Verfahren nur, wenn es doch eine außergerichtliche Einigung gibt. Mollaths Anwalt sagt, er wolle dabei auf jeden Fall mehr als die vom Richter vorgeschlagenen 600.000 Euro.

Ob Mollath mit der Entscheidung über seine Klage wohl endlich seinen Frieden finden wird? Denn noch immer fehlt seinem Leben die Stetigkeit, wie er selbst sagt. „Ich versuche mich zu orientieren.“ Einen festen Beruf hat er nicht, „ich habe auch keine eigene Wohnung“. Nach bald sechs Jahren in Freiheit wohnt er immer noch bei Freunden, derzeit meistens in Bad Pyrmont. Nach Bayern kommt er nur noch selten – das ist seine Lehre aus seiner Geschichte. (afp)



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