Forscher enthüllen „unsichtbare“ Galaxie aus der Zeit „kurz nach dem Urknall“

Astronomen aus Italien haben die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen gefunden, nur dass ihre Nadel unsichtbar war und der Heuhaufen das gesamte Universum – Albert Einstein sei dank.
Die „unsichtbare“ Galaxie aus dem frühen Universum, aufgenommen vom ALMA-Radioteleskop und mithilfe einer gigantischen Gravitationslinse.
Die „unsichtbare“ Galaxie aus dem frühen Universum, aufgenommen vom ALMA-Radioteleskop und mithilfe einer gigantischen Gravitationslinse.Foto: Giulietti et al. (2023); doi.org/10.3847/1538-4357/aca53f (cc by 4.0)
Von 14. Februar 2023

Wie findet man etwas, das zu klein ist, um es mit bloßem Auge zu sehen? Mit einer Lupe. Das funktioniert auch in der Astronomie, nur dass die Lupe in diesem Fall einige Milliarden Kilometer groß war und das gesuchte Objekt (fast) unsichtbar.

Dennoch ist es Forschern der Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati (Internationale Schule für höhere Studien, SISSA) gelungen, die „Nadel“ mit dem wenig poetischen Namen „HATLASJ113526.2-01460“ zu finden. Die Galaxie ist kompakt, enthält große Mengen an interstellarem Staub und ist jung und bildet Sterne etwa 1000-mal schneller als die Milchstraße. Allerdings ist sie so weit weg und so dunkel, dass sie selbst für die leistungsstärksten optischen Instrumente – wie das Hubble-Weltraumteleskop – völlig unsichtbar erscheint.

Beobachten konnten die Forscher sie schließlich nur in einer ganz bestimmten Wellenlänge dank eines Phänomens, das bereits Einstein vorhergesagt hat, und dem leistungsfähigsten Teleskop zur Beobachtung des kalten Universums – dem Großen Millimeter/Submillimeter Array in der Atacama-Wüste (ALMA)

Abgelegen, dunkel und von unschätzbarem Wert

„Sehr weit entfernte Galaxien sind wahre Fundgruben für Informationen über die vergangene und zukünftige Entwicklung unseres Universums“, erklärte Doktorandin Marika Giulietti. Gemeinsam mit Prof. Andrea Lapi und anderen veröffentlichte sie die Studienergebnisse Anfang Februar in der Fachzeitschrift „The Astrophysical Journal“.

So gewährt die Studie den Forschern Einblicke in die Zeit „kurz“ – etwa zwei Milliarden Jahre – nach dem vermuteten Urknall, eine Zeit, als das Universum etwa ein Sechstel seiner heutigen Größe hatte. Ebenso liefere sie neue Ansätze für die Untersuchung anderer „dunkler“ Himmelskörper, verbunden mit weiteren möglichen Erkenntnissen über die Entstehung von Galaxien wie der Milchstraßen und des gesamten Universums.

Diese dunklen Körper sind nicht besonders selten. „In den letzten Jahren wurden mehrere weit entfernte Galaxien entdeckt, die besonders verdeckt sind und selbst für die leistungsstärksten optischen Instrumente wie das Hubble-Weltraumteleskop völlig unsichtbar erscheinen“, so Giulietti weiter.

„Ihre Erforschung ist jedoch eine große Herausforderung. Sie sind sehr kompakt und daher schwer zu beobachten. Außerdem empfangen wir aufgrund der Entfernung nur sehr schwaches Licht von ihnen. Die Ursache für diese Verdunkelung ist das massive Vorhandensein von interstellarem Staub.“ Dieser fange das sichtbare Licht von jungen Sternen ab und strahle es bei größeren Wellenlängen wieder aus. Das wiederum mache die fernen Sterne mit optischen Instrumenten schwer nachweisbar, sodass die Forscher im Radiowellenbereich „sehen“ müssen.

Albert Einsteins komische Lupe

Ein Werkzeug, das in diesen Fällen zum Einsatz kommt, ist die von Albert Einstein vorhergesagte Gravitationslinse. Seine allgemeine Relativitätstheorie besagt, dass näher gelegene Weltraumobjekte, die eine große Masse haben, das Licht von weiter entfernten Quellen, die perfekt auf sie ausgerichtet sind, verzerren. Mit anderen Worten, sehr schwere Himmelsobjekte biegen das Licht und vergrößern, was hinter ihnen liegt.

Giulietti fährt fort: „Auf diese Weise erscheinen die ‚Hintergrund‘-Galaxien größer und heller, sodass sie identifiziert und untersucht werden können.“ In den letzten zehn Jahren wurden viele Beobachtungsprogramme mit diesem Ansatz durchgeführt. „Etwa hundert wurden bisher entdeckt, aber es könnten noch viel mehr sein.“

In ihrem konkreten Fall war es jedoch noch etwas komplexer: „Das war ein ganz besonderer Himmelskörper. Er ist sehr hell und unterliegt möglicherweise einer Linsenwirkung. Die wiederum tritt jedoch nur bei bestimmten Wellenlängen auf, was wahrscheinlich auf das Vorhandensein großer Mengen an interstellarem Staub zurückzuführen ist.“ Erst in Verbindung mit ALMA sei es möglich gewesen, seine Eigenschaften zu bestimmen.

„Unsere Analyse hat gezeigt, dass dieses Objekt sehr kompakt ist, vermutlich jung und mit einer extrem hohen Rate Sterne bildet“, so die junge Forscherin.

Ein Blick in die Vergangenheit der Milchstraße

Prof. Lapi ergänzte: „Entfernte Galaxien, die jung und kompakt sind, sich durch eine rege Sternentstehung auszeichnen, weitgehend von Staub verdeckt sind und über ein sehr reiches Reservoir an molekularem Gas verfügen, sind Vorläufer der massereichen, ruhenden Galaxien, die wir im lokalen Universum sehen. Sie bieten daher sehr wertvolle Einblicke in die Prozesse, die zur Entstehung und Entwicklung dieser Strukturen im Laufe der Geschichte des Kosmos geführt haben.“

Außerdem äußerte er die Hoffnung, dass das James-Webb-Weltraumteleskop in Zukunft mehr über diese weit entfernte und die Vergangenheit unserer eigenen Galaxie enthüllen werde.

Gleichzeitig bedankte sich der Astrophysiker für die Möglichkeit, das ALMA zu nutzen, denn aufgrund der großen Menge an interstellarem Staub sei diese spezielle Galaxie selbst mit Gravitationslinsen schwer zu erkennen gewesen. ALMA blickte durch den Staub hindurch und entdeckte eine junge, aktive Galaxie und sei „eine echte Goldmine für die heutige Astrophysikforschung.“



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