Der lange Arm der chinesischen Polizei in fünf Kontinenten

Was wie ein unscheinbares chinesisches Restaurant aussieht, könnte sich als eine Art „illegale Servicestation“ der chinesischen Polizei entpuppen. 37 davon gibt es in Europa.
Manche Abteilungen der chinesischen Polizei hat ihren Hauptsitz im Restaurant
Die Auslandsstation 110 der Kommunistischen Partei Chinas befindet sich in einem Einkaufszentrum im Bezirk Scarborough, Toronto, in Kanada.Foto: Epoch Times
Von 7. Oktober 2022


Weltweit hat die Kommunistische Partei Chinas über 54 inoffizielle Polizei-Servicestationen eingerichtet, um ihre im Ausland lebenden Bürger zu überwachen. Insgesamt 37 davon befinden sich in Europa, eine davon ist in Frankfurt am Main. Paris (2), Rom, Amsterdam, Rotterdam, Prag (2), Wien, Budapest, Lissabon, Madrid, Barcelona, London, Stockholm, Belgrad und Athen beherbergen auf diese Weise die chinesische Polizei.

Die in Spanien ansässige Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders warnt vor Pekings Vormarsch, seine polizeilichen Befugnisse auf internationalem Boden auszuweiten. China verwendet illegale Methoden, um Dissidenten oder religiös Verfolgten zu drohen und zur Rückkehr nach China zu zwingen.

„Diese Operationen entziehen sich der offiziellen bilateralen Zusammenarbeit von Polizei und Justiz und verletzen die internationale Rechtsstaatlichkeit“, schreibt die NGO in ihrem im September veröffentlichten Bericht. Die chinesischen Behörden würden einen „parallelen Polizeiapparat mit illegalen Methoden einrichten“ und hätten damit die „territoriale Integrität von Drittländern verletzt“.

Kampagne „110-Übersee“

Oft werden die Stationen von chinesischen Gemeindeverbänden in verschiedenen Ländern als „Polizei-Servicestationen“ betrieben. Sie sind zum Teil an unscheinbaren Orten zu finden, wie etwa in Restaurants, Supermärkten oder Büros von chinesischen Verbänden. So sind beispielsweise zwei chinesische Polizei-Servicestationen in London als Immobilienagenturen registriert, in Glasgow ist eine weitere in einem chinesischen Restaurant ansässig. Darüber berichtet „The Telegraph“.

Die Polizei-Servicestation der Kommunistischen Partei Chinas in Markham, Greater Toronto Area, Kanada. Foto: Epoch Times

Angeblich bestünde ihre Aufgabe lediglich darin, Chinesen im Ausland bei behördlichen Fragen oder Formalitäten wie etwa der Verlängerung ihres chinesischen Führerscheins zu helfen, so die offizielle Erklärung. Recherchen von Safeguard Defenders zeigen jedoch, dass die Stationen eng mit der chinesischen Polizei zusammenarbeiten und Teil der sogenannten Kampagne „110-Übersee“ sind. Der Name ist von der nationalen Notrufnummer der chinesischen Polizei abgeleitet.

Mit dieser Kampagne will die KP Chinas angeblich „kriminelle Aktivitäten“ von Chinesen im Ausland bekämpfen. Gerade die „Online-Kriminalität“ wird als großes Problem betrachtet. Die chinesischen Behörden gaben an, zwischen April 2021 und Juli 2022 rund 230.000 Auslandschinesen zur Rückkehr nach China „überredet“ zu haben, um sich dort einem strafrechtlichen Prozess zu stellen.

Massiver Druck vor einem Gerichtsurteil

Die Kampagne zur „Kriminalitätsbekämpfung“ begann zunächst lokal. Behörden auf allen Ebenen in der Provinz Fujian wurden angewiesen, verschiedene Maßnahmen gegen Verdächtige durchzuführen, noch bevor diese vor Gericht geführt werden. Zu den Maßnahmen gehören: Ausschluss von Kindern der Beschuldigten vom Schulunterricht, Aufhebung der Zuschüsse der Krankenversicherung, Verbot der Nutzung von Zügen, Flugzeugen und Hotels. Die Verfolgung dieser Personen erfolgt grenzübergreifend. Während einer Großkonferenz in Fujian mit 1.000 Teilnehmern wurde dazu ein Komitee gegründet, welches für die Verfolgung im Ausland zuständig ist.

Der Fall von Li Qingqing (Pseudonym) zeigt, wie weitreichend die Kontrolle der KP Chinas über ihre Bürger im Ausland ist. Im März 2022 wurde die Chinesin, die aus der Provinz Fujian stammt und zu jener Zeit ein Restaurant in Phnom Penh (Kambodscha) betrieb, von der chinesischen Polizei zur Rückkehr aufgefordert.

Die Begründung lautete, dass sie sich in einem der neun von der chinesischen Regierung „verbotenen Länder“ befand. Daher müsste sie laut Verordnung das Land vorbehaltlos verlassen. Sie argumentierte, dass sie keine Straftat begangen hätte und nur Geschäfte in Kambodscha führen würde. Seither erhält sie immer wieder Benachrichtigungen von der chinesischen Polizei, die sie auffordern, zurückzukehren. Die Behörden drohten auch ihrer Mutter, die noch in China lebt, den Strom abzustellen. Ihr Haus wurde mit den Worten „Haus eines Betrügers“ gekennzeichnet.

Seit Ende November 2021 hat die KP Chinas die Bürger vor Reisen in die neun als „schwer kriminell“ gelistete Länder gewarnt. Dazu zählen Kambodscha, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Philippinen, Thailand, Myanmar, Laos, Malaysia, Türkei und Indonesien.

„Freiwillige Rückkehr“ oder Entführung?

Was die KPC als „freiwillige Rückkehr“ propagiert, bedeutet für die Betroffenen in der Regel Belästigungen, Drohungen, Entführungen. In den meisten Fällen hat Safeguard Defenders drei Vorgehensweisen beobachtet und bestätigen können: Zum einen wird die Familie der betroffenen Person in China von der Behörde aufgesucht und eingeschüchtert. Ihnen wird mit Gefängnisstrafen gedroht, wenn sie die gesuchte Person nicht dazu überreden können, „freiwillig“ nach China zurückzukehren.

Zum anderen wird die Zielperson selbst belästigt und bedroht – entweder durch Online-Benachrichtigungen oder direkt durch verdeckte Ermittler im Ausland. Die dritte angewandte Methode ist Entführung, erklärte der Gründer und Direktor von Safeguard Defenders, Peter Dahlin. 22 derartige Entführungsfälle hat seine Organisation feststellen können.

Die gleichen Methoden werden auch im Rahmen der sogenannten „Sky Net-Kampagne“ mit der seit 2014 bestehenden „Fox Hunt Operation“ angewendet. „Fox Hunt“ ist Teil der Anti-Korruptionskampagne des Führers der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping. Zehntausend „Geflüchtete“ aus der ganzen Welt sollten bis Ende 2021 mithilfe dieser Kampagne erfolgreich wieder zurück nach China überführt worden sein. Offiziell sagt Sky Net, dass diese nur auf Wirtschaftskriminelle und Beamte abzielt, denen Korruption oder Bestechung vorgeworfen werden. Ein tiefer Einblick in die individuellen Fälle zeigt laut Safeguard Defenders jedoch, dass es sich bei den Beschuldigten überwiegend um Dissidenten oder religiös Verfolgte handelte.

Alternatives Polizeisystem etabliert

Ob Dissidenten, korrupte Beamte oder Kleinkriminelle, das Problem bleibt gleich: Die illegalen Methoden, mit denen Zielpersonen und ihre Familien bedroht und belästigt werden, „untergraben jedes ordnungsgemäße Verfahren und die grundlegendsten Rechte der Beschuldigten“, so die Organisation.

Den Betroffenen wird das Recht auf ein faires Verfahren entzogen. Und anstatt mit den lokalen Behörden in den jeweiligen Ländern zu kooperieren, zieht die KP Chinas es vor „ein alternatives Polizei- und Justizsystem in Drittländern“ zu etablieren, um gezielt Personen mit illegalen Methoden zu verfolgen, schlussfolgert der Bericht.

Nach der Veröffentlichung der Informationen über die chinesischen Operationen im Ausland haben Sicherheitspolizei und entsprechende Regierungsbehörden aus Nordamerika und Europa die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders kontaktiert und um ein „kurzes Gespräch“ gebeten. „Sie wissen also zumindest in einigen Ländern Bescheid“, sagte Dahlin gegenüber der Epoch Times.

(Mit Material von The Epoch Times)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 65, vom 08. Oktober 2022.



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