Böse Fette gar nicht so böse? Forscher stellen Ernährungsdogma infrage

Gesättigte Fette gelten als schädlich fürs Herz. Doch ist das wirklich so? Immer mehr Studien zweifeln dies an.
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Eine besonders schädliche Kombination: gesättigte Fette und raffinierte Kohlenhydrate in verarbeiteten Lebensmitteln.Foto: iStock
Von 4. September 2023

Je weniger gesättigte Fettsäuren einer zu sich nimmt, desto kleiner ist das Risiko für Herzerkrankungen. Immer mehr Wissenschaftler stellen diese seit Jahrzehnten gängige Ernährungsweisheit infrage.

Laut diesen Forschern seien gesättigte Fettsäuren – die in Butter, rotem Fleisch und Käse reichlich vorhandenen Fette – nicht so gesundheitsgefährdend wie lange behauptet. Deswegen sollte ihr Konsum nicht pauschal verteufelt werden.

Gesättigte Fette und schlechtes Cholesterin

Vor gesättigten Fetten und sogenanntem „schlechten Cholesterin wird bei Ernährung immer wieder gewarnt. In einem umfassenden Review kommen dänische und amerikanische Forscher nun jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis.

In der im Jahr 2020 in der Fachzeitschrift „Journal of the American College of Cardiology“ veröffentlichten Übersichtsarbeit kamen die Autoren zu dem Schluss:

„Vollmilchprodukte, unverarbeitetes Fleisch und dunkle Schokolade sind Lebensmittel mit einer komplexen Matrix [Beschaffenheit und Zusammensetzung, Anm. d. Red.], die reich an gesättigten Fettsäuren sind und nicht mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert werden. Alle verfügbaren Beweise stützen keine weitere Einschränkung des Konsums solcher Lebensmittel.“

Die Forscher gingen auch auf den Nutzen ein, der in den oben erwähnten Kohortenstudien bei der Ersetzung von gesättigten durch mehrfach ungesättigte Fette festgestellt wurde. Dieser könnte „auf eine mögliche positive Wirkung der mehrfach ungesättigten Fettsäuren zurückzuführen sein und nicht notwendigerweise auf eine schädliche Wirkung der gesättigten Fettsäuren“, so die Wissenschaftler.

Eine Frage der wissenschaftlichen Interpretation

Ob gesättigte Fettsäuren gefährlich oder ungefährlich sind, ist, wie aus der wissenschaftlichen Veröffentlichung hervorgeht, eine Frage der wissenschaftlichen Interpretation. Die geltenden Ernährungsrichtlinien basieren auf der sogenannten „Ernährungs-Herz-Hypothese“. Dieser zufolge sind gesättigte Fette die Hauptverursacher von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Gemäß dieser Annahme führt der Verzehr von Nahrungsmitteln, die gesättigte Fette enthalten, zu einem Anstieg des LDL-Cholesterins (umgangssprachlich auch als „schlechtes Cholesterin“ bekannt). Dieses Cholesterin lagert sich in den Blutgefäßen ab und bildet atherosklerotische Plaques. Das sind verdickte Stellen an den Wänden von Arterien, die aus Fett, Cholesterin und anderen Substanzen bestehen. Mit der Zeit können diese Plaques wachsen und die Arterien verengen, was den Blutfluss stört und das Risiko für koronare Herzkrankheiten erhöht.

Deswegen sollten gesättigte Fettsäuren laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nur sieben bis zehn Prozent der täglichen Kalorienmenge ausmachen. In Deutschland lag dieser Wert im Jahr 2012 bei Männern mit 16 Prozent und bei Frauen mit 15 Prozent deutlich über dem Richtwert. Außerdem empfiehlt die DGE, gesättigte Fettsäuren durch mehrfach ungesättigte zu ersetzten, was die LDL-Cholesterolkonzentration im Blut senkt. Ungesättigte Fettsäuren kommen vor allem in Pflanzenölen sowie Nüssen und Fisch vor.

Diese Empfehlung basiert auf verschiedenen Studien, denen zufolge der Ersatz von gesättigten durch ungesättigte Fette das Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme reduziert. Allerdings ist die Auswirkung auf die allgemeine Sterblichkeit nicht eindeutig nachweisbar.

Beweise für eine Verbindung zwischen gesättigten Fetten und Herzkrankheiten

Die maßgeblichen Studien, die die Verbindung zwischen gesättigten Fetten und Herzkrankheiten aufzeigen, stammen aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Sie bilden das Fundament für die Ernährungsempfehlungen zu gesättigten Fetten.

Zu diesen Studien gehört die in den 1960er-Jahren durchgeführte Ernährungsstudie der Los Angeles Veterans Administration. Über 800 Männer im Alter von 55 Jahren und älter nahmen an dieser Untersuchung teil. Eine Hälfte der Probanden ersetzte zwei Drittel des tierischen Fettes in ihrer Ernährung durch Pflanzenöl, während die andere Hälfte ihre tierische Fettzufuhr beibehielt. Nach sechs Jahren zeigte die erste Gruppe einen Rückgang des Cholesterinspiegels um 13 Prozent. Zudem starben während der Studie 48 Männer an Herzkrankheiten, verglichen mit 70 in der Gruppe, die tierisches Fett zu sich nahm.

Ein Widerspruch in diesem Ergebnis ist, dass die Gesamtmortalität zwischen den beiden Gruppen etwa gleich war. In der Gruppe, die Pflanzenöle konsumierte, wurden zwar weniger Herzkrankheiten, jedoch mehr Krebsfälle gemeldet.

Eine weitere häufig zitierte Studie ist die Anti-Coronary-Club-Studie, die 1959 in der Fachzeitschrift „The American Journal of Clinical Nutrition“ erschien. Die Versuchsgruppe wurde angewiesen, ihren Verzehr von tierischem Fett zu reduzieren, nach eigenem Ermessen Fisch und Geflügel zu essen, täglich etwa zwei Esslöffel Maisöl zu sich zu nehmen und mit mehrfach ungesättigten Fetten zu kochen. Als Folge der Intervention sank der Cholesterinspiegel der Teilnehmer und ihr Bluthochdruck verbesserte sich. Allerdings wurden in dieser Versuchsgruppe mehr Todesfälle verzeichnet als in der Kontrollgruppe.

„Die Interventionsstudien fanden in den 60er- und 70er-Jahren statt […] und sicherlich deuteten [sie] darauf hin, dass es einen kleinen Nutzen gab, aber er war statistisch nicht sehr aussagekräftig“, erklärte Peter Clifton, Professor für Ernährungswissenschaften an der University of South Australia, gegenüber Epoch Times.

Das Problem mit den Kohortenstudien

Laut Professor Clifton nach stammen fundiertere Beweise für die „Ernährungs-Herz-Hypothese“ aus Kohortenstudien, die große Bevölkerungsgruppen untersuchen.

Eine solche Kohortenstudie aus dem Jahr 2015 untersuchte mehr als 120.000 Erwachsene. Die Forscher stellten fest, dass Teilnehmer, die fünf Prozent ihrer gesättigten Fette durch mehrfach ungesättigte Fette und Vollkornprodukte ersetzten, bemerkenswert weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. 

Eine weitere Kohortenstudie, die im Jahr 2014 in der Fachzeitschrift „Circulation“ erschien, untersuchte mehr als 2.700 Personen. Laut der Untersuchung steht ein hoher Spiegel von Linolsäure, einer Omega-6-Fettsäure, im Blut mit weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung.

Kohortenstudien haben jedoch eine Problematik: Im Gegensatz zu randomisierten Kontrollstudien sind die Forscher nicht in der Lage, alle Lebensfaktoren der Studienteilnehmer zu kontrollieren (einschließlich ihrer Ernährungsgewohnheiten). Deshalb sind die ermittelten Beziehungen nur durch Zusammenhänge begründet und nicht durch direkte Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Darüber hinaus nehmen Kohortenstudien viel Zeit in Anspruch. Während dieser langen Periode können Teilnehmer aus der Studie ausscheiden, was eine Verzerrung der Ergebnisse zur Folge haben kann.

Beweise gegen eine Verbindung zwischen gesättigten Fetten und Herzkrankheiten

Wissenschaftler, die die schädliche Wirkung von gesättigten Fetten infrage stellen, verweisen häufig nicht auf Kohorten-, sondern auf umfangreiche randomisierte Kontrollstudien. Diese zeigen, dass eine Senkung der gesättigten Fette oder deren Austausch durch mehrfach ungesättigte Fette keine positive Wirkung auf die Gesundheit zeigt, sondern – im Gegenteil – sogar schädlich sein kann.

Eine solche Studie ist beispielsweise die Women’s Health Initiative Dietary Modification Trial aus den 1990er-Jahren. An ihr nahmen fast 49.000 Frauen nach der Menopause teil, die entweder ihren Konsum an gesättigten Fetten auf unter zehn Prozent reduzieren oder ihre Ernährung unverändert lassen sollten. Die Studie ergab, dass eine Fettreduktion weder die Herzerkrankungen der Frauen beeinflusste noch zu Gewichtsverlust führte.

Eine andere Studie war die Sydney Diet Heart Study, die zwischen 1966 und 1973 durchgeführt wurde. Die Forscher setzten 458 Männer, die bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten, auf eine Diät, bei der gesättigte Fette durch Sojaöl ersetzt wurden. Während der LDL-Cholesterinspiegel der Männer sank, stieg ihr Sterberisiko um mehr als 60 Prozent und ihr Risiko für Herzerkrankungen entgegen den Erwartungen sogar um 70 Prozent.

Etwa zur gleichen Zeit führten Forscher die Studie Minnesota Coronary Survey mit 9.000 Probanden durch und kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Der LDL-Cholesterinspiegel sank, aber das Sterberisiko und das Risiko für Herzereignisse stiegen.

„Die Auswirkung von gesättigten Fetten und der Anstieg des LDL-Cholesterins sind ziemlich gering. Es handelt sich also nicht um ein besonders wirkungsvolles Fett“, so Ernährungswissenschaftler Clifton.

Cochrane-Übersichtsarbeit liefert keine eindeutigen Ergebnisse

Es existieren auch große Metaanalysen, deren Ergebnisse beide Seiten der Debatte stützen, wie etwa eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 von Cochrane.

Reviews von Cochrane gelten als der Goldstandard in der Forschung. Die Autoren analysierten die Ergebnisse von 15 randomisierten Kontrollstudien, in denen gesättigte Fette durch mehrfach ungesättigte und einfach ungesättigte Fette ersetzt wurden. Laut der Analyse senkte dieser Austausch das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis um 17 Prozent, beeinflusste die Gesamtmortalität jedoch nicht.

Professor Clifton führte im Jahr 2017 eine Metaanalyse zum gleichen Thema durch und stützte sich auf die Ergebnisse der Übersichtsarbeit von Cochrane. Seinen Ergebnissen zufolge senkt der Ersatz von gesättigten Fetten das Risiko für koronare Herzkrankheiten.

Dem widersprachen elf Forscher, die die Übersichtsarbeit von Cochrane in ihrem Kommentar aus dem Jahr 2021 zitierten. Ihnen zufolge habe Cochrane keine signifikanten Erkenntnisse geliefert, die es rechtfertigen würden, den Konsum von gesättigten Fettsäuren zu reduzieren.

Sie verwiesen auch auf Forschungsergebnisse, laut denen eine Reduzierung der gesättigten Fette weder die Gesamtmortalität noch die kardiovaskuläre Mortalität, die Mortalität durch koronare Herzkrankheit, tödliche und nicht tödliche Herzinfarkte sowie Ereignisse im Zusammenhang mit koronaren Herzkrankheiten verringerte.

Nicht alle gesättigten Fette sind gleich beschaffen

Ferner werden im Reviewartikel aus dem Jahr 2020 nicht alle gesättigten Fettsäuren gleich eingestuft. Daher sollen laut den Studienautoren Mediziner eher auf die Herkunft dieser Fette achten, statt nur den Gesamtkonsum von gesättigten Fetten zu betrachten.

Laurinsäure, eine mittelkettige gesättigte Fettsäure, die überwiegend in Kokosnüssen vorkommt, erhöht stark das „schlechte“ LDL-Cholesterin. Daher legen einige Studien nahe, dass sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert. Allerdings weisen Untersuchungen mit nativem Kokosöl darauf hin, dass dieses insgesamt einen herzschützenden Effekt hat.

Butter enthält viel Palmitinsäure, eine weitere gesättigte Fettsäure, die das LDL-Cholesterin stark erhöht. Dennoch zeigt eine Metaanalyse, dass Butter ebenfalls eine herzschützende Wirkung hat.

Etwa 70 Prozent der Milch besteht aus gesättigtem Fett, ein hoher Milchkonsum hat laut Studien jedoch auch eine herzschützende Wirkung.

Was Rindfleisch anbelangt, so zeigten Forschungsergebnisse, dass es auf Herzerkrankungen einen eher neutralen Effekt hat. Obwohl Rindfleisch viel gesättigtes Fett enthält, bestehen etwa 50 bis 60 Prozent seines Fettes aus einfach und mehrfach ungesättigten Fetten.

Giftige Kombination: Gesättigte Fette und Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln

Überdies seien es entgegen der weitläufigen Meinung nicht tierische, sondern verarbeitete Lebensmittel, die die Hauptquelle für gesättigte Fette darstellen. Das meinte Zoe Harcombe, eine Forscherin im Bereich Ernährung und Fettleibigkeit.

Gesättigte Fette werden häufig verarbeiteten Lebensmitteln zugesetzt, um ihre Haltbarkeit zu verlängern und ihre Textur zu verbessern.

Verarbeitete Lebensmittel sind zudem reich an Zucker. „Besonders schädlich sei dabei die Kombination von gesättigten Fetten und raffinierten Kohlenhydraten“, sagte Benjamin Bikman, Professor für Zellbiologie und Physiologie an der Brigham Young University in den USA der Epoch Times. Zu raffinierten Kohlenhydraten zählt auch Zucker.

Blutzucker oxidiert LDL-Cholesterin und führt zur Bildung kleiner, dichter LDL-Cholesterinpartikel, die die Wahrscheinlichkeit für Atherosklerose steigern. Zusätzlich erhöht Zucker den Triglyceridspiegel (Triglyceride sind Blutfette) in den Blutgefäßen. Erhöhte Triglyceridwerte tragen ebenfalls zur Entstehung von Arteriosklerose bei. Daher sind sowohl oxidiertes LDL-Cholesterin als auch erhöhte Bluttriglyceridwerte Risikofaktoren für Herzerkrankungen.

Ferner zeigten Forschungsergebnisse, dass es neben LDL-Cholesterin und Triglyceriden aber auch viele andere Faktoren gibt, die das Risiko für Herzkrankheiten erhöhen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf theepochtimes.com unter dem Titel „Saturated Fat: The Great Debate“ (redaktionelle Bearbeitung ld, as).



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