FDP-Politiker: Huawei-Beteiligung am 5G-Netzausbau stellt Sicherheitsrisiko für Bürger und Staat dar

Die Bundespolitiker Bijan Djir-Sarai (FDP) und Peter Felser (AfD), beides Experten im Bereich Informationstechnologie und künstliche Intelligenz, befragten wir – angesichts den kürzlich bekanntgewordenen chinesischen Beeinflussungsversuchen in Deutschland – zu der Gefahr, die möglicherweise von einer Beteiligung des staatsnahen chinesischen Technologiekonzerns Huawei am 5G-Ausbau in Deutschland ausgeht.
Von 15. Mai 2020

Erst kürzlich gab die Bundesregierung bekannt, dass es Kontaktversuche von chinesischer Seite gegenüber deutschen Regierungsbeamten „mit dem Zweck, öffentliche positive Äußerungen über das Coronavirus-Management der Volksrepublik China zu bewirken“ gab. Zuvor hat die chinesische Botschaft in Berlin Berichte dazu abgestritten und öffentlich von „unwahren“ sowie „verantwortungslosen“ Unterstellungen gesprochen.

Zudem gab die Bundesregierung kürzlich bekannt, dass sie es sich vorbehalte, Komponenten bestimmter Hersteller aus besonders sicherheitsrelevanten Teilen des 5G-Netzes auszuschließen. Doch ist ein vom Bündnispartner USA und deutschen Sicherheitsbehörden sowie dem Auswärtigen Amt geforderter grundsätzlicher Ausschluss der chinesischen Netzausrüster wie Huawei und ZTE weiterhin nicht vorgesehen.

Wir sprachen mit zwei Bundestagsabgeordneten, die beide im Bereich Informationstechnologie und Künstliche Intelligenz Experten ihrer Fraktion sind, über die Gründe, die ursächlich für die gespaltene Haltung der Bundesregierung sein könnten, und was es für Alternativen zu Huawei gibt.

FDP-Politiker: „Chinesische Einflussnahme geht oft über die Androhung wirtschaftlicher Konsequenzen hinaus“

Für Bijan Djir-Sarai, Obmann der FDP-Bundstagsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, gibt es Parallelen im Verhalten Chinas zur Corona-Pandemie und den Beeinflussungsversuchen. „Offenheit und Transparenz müssen das oberste Gebot in der aktuellen Lage und bei der Bekämpfung der Pandemie sein“, sagt Djir-Sarai.

Das Verhalten der chinesischen Führung sei jedoch nicht transparent und beruhe nicht auf internationalem Recht. „Auch in einer strategisch wichtigen Partnerschaft, wie der deutsch-chinesischen, muss es Grenzen geben – die hat Peking mit einem derartigen Beeinflussungsversuch definitiv überschritten. Der Vorfall muss aufgeklärt werden und die Bundesregierung muss hier klar Stellung beziehen“, erklärt der Sicherheitspolitiker.

Laut Djir-Sarai ist die chinesische Regierung seit vielen Jahren „außerordentlich bemüht“, ihren weltweiten Einfluss auszubauen. „Die Art und Weise der Einflussnahme ist dabei in vielen Fällen sehr zweifelhaft und geht oft über die Androhung wirtschaftlicher Konsequenzen hinaus“.

Demokratische Staaten bezwiehungsweise Politiker müssen Beeinflussungsversuche mit Vehemenz benennen und verurteilen. Diese also nicht unter den Teppich kehren“, macht der Politiker mit iranischen Wurzeln deutlich.

Was den staatsnahen chinesischen Technologie-Konzern Huawei angeht, dem Spionage und infiltrierende Tätigkeiten vorgeworfen werden, hält der FDP-Politiker einen Ausschluss von Huawei beim 5G-Netzausbau in Deutschland für notwendig. Alles andere halte er für einen gravierenden sicherheitspolitischen Fehler.

„Nicht zuletzt die Geschehnisse in Hongkong waren ein mahnendes Beispiel und haben gezeigt, dass Massenüberwachung und Unterdrückung von Meinungspluralitäten ein fester Bestandteil der aktuellen chinesischen Politik sind“, betont Djir-Sarai.

Djir-Sarai sieht Huawei beim 5G-Netzausbau als Sicherheitsrisiko für Bürger und Staat

Und er führt weiter aus: „Die Beteiligung von Huawei am 5G-Netzausbau stellt außerdem ein enormes Risiko für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sowie für den Staat dar. Die Forderungen der Union nach höchsten Sicherheitsstandards einerseits und der Beteiligung von Unternehmen wie Huawei am 5G-Netzausbau andererseits, ist daher ein Widerspruch in sich“.

Für Djir-Sarai sei die deutsche Politik gegenüber Peking bedauerlicherweise viel zu oft von Naivität und ängstlicher Zurückhaltung geprägt. Besonders in dieser globalen Krise greife das Argument der Wirtschaftsinteressen zu kurz, äußert der Sicherheitspolitiker.

„Klar ist, die Sicherheit der 5G-Netze muss oberste Priorität haben. Anstatt sich voreilig auf nicht vertrauenswürdige Anbieter wie Huawei zu verlassen und sich so einem nicht kalkulierbaren Sicherheitsrisiko auszusetzen, sollte die Bundesregierung sich vielmehr dafür einsetzen, die europäische Perspektive in diesem Bereich zu stärken und beim 5G-Netzausbau auf europäische Ausrüster setzen. Gerade bei derart sicherheitsrelevanten Fragen, ist es die Aufgabe der Bundesregierung europäische Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen.“

AfD-Fraktions-Vize hat keinen Zweifel, dass die KP-Chinas Einfluss auf Unternehmen ausübt

Für Peter Felser, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Mitglied in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ und stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss, stellen Beeinflussungsversuche – sollte es sie von chinesischer Seite tatsächlich gegeben haben – einen drastischen Eingriff in die politische Selbstbestimmung Deutschlands dar.

Für ihn ist die Nähe von Huawei zur chinesischen Führung gar keine Frage: „Es besteht kein Zweifel, dass die Kommunistische Partei und die chinesische Regierung Einfluß auf die Unternehmen des Landes ausüben.“ Inwieweit tatsächlich chinesische Technologie zu Spionagezwecken verwendet würde, wäre ein Betätigungsfeld für deutsche Nachrichtendienste, so der AfD-Fraktions-Vize-Chef.

Die technischen Möglichkeiten zu solchen Sekundärnutzungen wird niemand bezweifeln. Zumindest kann kein Außenstehender diese Möglichkeit ausschließen. Hier ergibt sich ein strategischer Nachteil, der aus meiner Sicht ein bedeutendes Sicherheitsrisiko darstellt“.

„Wer geostrategische Erwägungen zugunsten von weltweitem ‚virtue signalling’* vernachlässigt, braucht sich nicht wundern, wenn er von anderen überflügelt und an die Wand gespielt wird. Es fehlt einfach an konsistenten Alternativen zu außereuropäischen Akteuren.“ Womit Felser auf fehlende führende Technologiefirmen in Europa anspielt, die entsprechende Technik entwickeln und produzieren.

Die Europäische Union hätte sich auch in dieser Frage als unfähig erwiesen, erklärt Felser: „Es gibt keine Idee, keine Strategie, wie man schlagkräftige eigene digitale Netzwerke, konkurrenzfähige Hardwareproduktion oder ausreichende Datenspeicherkapazitäten auf die Beine stellt.“

Dabei erinnert er an die dringenden Appelle der Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts, die die Schaffung europäischer Datenspeicher anmahnen, um der Übermacht außereuropäischer Cloud-Anbieter etwas entgegenzusetzen. Die AfD unterstütze solche Forderungen, denn sie würden digitale Souveränität bedeuten, führt Felser weiter aus.

Felser kritisiert fehlende Transparenz und ein Abhängigkeitsverhältnis

Auf die Einbindung von Huawei als Dual-Use-Entwickler, der dem chinesischen Militär nahesteht und IMEI-Codes zur Überwachung chinesischer Dissidenten im Ausland nutzt, angesprochen, äußert Felser, dass alle Regierungen und Behörden dieser Welt die vorhandene Technik zur Durchsetzung ihrer eigenen außen- oder innenpolitischen Ziele nutzen würden.

„Daran ist zunächst einmal nichts Verwerfliches“, so der AfD-Politiker. Wenn es dann allerdings zu rechtlich und ethisch fragwürdigen Praktiken komme, müsse man sich natürlich die Frage stellen, wie sehr man sich von „skrupellosen Funktionären“, ob nun in der Wirtschaft oder im Staatsapparat, abhängig mache.

Das Kernproblem seien die fehlende Transparenz und das Abhängigkeitsverhältnis an sich, erklärt das Mitglied der KI-Enquete-Kommission. „Jede einseitige Abhängigkeit ist ein Problem in der vernetzten und digitalisierten Welt“.

Der Wiederaufbau eigener Kompetenzen im Bereich Hardware, Software und Datenspeicherung muss die oberste Priorität in der Digitalpolitik einnehmen“, fordert Felser.

Auf die Frage, ob man sich amerikanischen Unternehmen zuwenden sollte, die bei OpenRAN-Lösungen weit vorne mit dabei sind, sieht Felser die Gefahr einer Abhängigkeit von US-Unternehmen. Dies sei keine „besonders smarte Alternative zur Abhängigkeit von chinesischen Unternehmen“, meint Felser. „Der US-CLOUD-Act erinnert uns alle daran, dass auch US-Firmen per Gesetz ’staatsnah‘ sind.“

Fraktions-Vize: „Wiederaufbau eigener Kompetenzen muss oberste Priorität in der Digitalpolitik sein“

Die Gründe dafür, dass sich die großen Netzanbieter (Telekom & Co.) so schwer dabei tun auf Huawei-Technik zu verzichten, sind für Felser vielseitig.

Wir fragten, ob es allein damit zusammenhänge, weil die Netzanbieter in Deutschland beim Aufbau der 4G-Netze oft Huawei-Technik verbaut haben. Denn diese Hardware müsste man bei einem Ausschluss von Huawei aus dem Netz wieder entfernen, bevor man beispielsweise neue Technik der europäischen Huawei-Konkurrenten Nokia und Ericsson verbaut. Dies würde Zusatzkosten verursachen. Oder, ob es die höheren Preise für Nokia oder Ericsson-Technik gegenüber der stark von China subventionierten und unter Preis angeboten Huawei-Technik seien?

Felser sagt, es sei wohl eine Mischung aus mehreren Nachteilen beziehungsweise Unwägbarkeiten, die das Zögern der Netzanbieter erkläre.

Er führt weiter aus: „Bedenken Sie auch die unsägliche Praxis der Versteigerung von Frequenzbereichen! Die Kosten für Mobilfunk in Deutschland sind ja nicht umsonst so hoch. Es ist auch zweifelhaft, ob Ericsson oder Nokia tatsächlich in der Lage sind, zeitnah eigene Netzwerktechnologie im benötigten Umfang zur Verfügung zu stellen“.

Verzicht auf europäische Hardwareproduktion ist für AfD-Politiker katastrophaler geostrategischer Fehler

Für den ehemaligen Bundeswehroffizier ist der Verzicht auf eigene europäische Hardwareproduktion ein katastrophaler geostrategischer Fehler. „Geopolitische Erwägungen werden eine wichtige Rolle in der digitalen Politik spielen, wenn die AfD Regierungsverantwortung erlangt“, kündigt der Fraktions-Vize an.

Doch warum nicht, bis Deutschland eigene Technologie für IT und Kommunikation hat, erst einmal auf Nokia, Ericsson oder Samsung setzen?

„Nokia und Ericsson sind sicher Alternativen, wenn sie denn die geforderten Kapazitäten auf den Markt bringen können. Mir ist klar, dass unsere Wähler eher skeptisch sind, wenn es um überstaatliche Institutionen geht. Aber auf dem digitalen Weltmarkt haben wir nur im europäischen Rahmen eine Chance“, betont Felser.

CDU-Politiker: „Man kann Huawei nicht vertrauen“

Wie jetzt allerdings bekannt wurde, gibt es in der Debatte um eine mögliche Beteiligung von Huawei am 5G-Aufbau, auch innerhalb der Unionsfraktion Widerstand. Konkret geht es dabei um die aktuelle Fassung des Gesetzes von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Sie bietet laut verschiedenen CDU-Politikern keinen ausreichenden Schutz gegen die Einflussnahme des chinesischen Staates.

„Man kann Huawei nicht vertrauen, weil das Unternehmen zur Zusammenarbeit mit dem chinesischen Geheimdienst verpflichtet ist“, sagte der zuständige Berichterstatter für Cyber-Sicherheit der Unionsfraktion im Bundestag, Christoph Bernstiel (CDU), der „Bild“-Zeitung.

Hintergrund ist, dass in dem neuen IT-Sicherheitsgesetz in Paragraph 9b lediglich eine Erklärung der beteiligten Firmen vorgesehen ist: Kritische Komponenten dürften „nur von solchen Herstellern eingesetzt werden, die eine Erklärung über ihre Vertrauenswürdigkeit gegenüber dem Betreiber der Kritischen Infrastruktur abgegeben haben (Garantieerklärung)“, heißt es darin.

„Eine Garantieerklärung in der Huawei versichert, nicht zu spionieren, ist nichts wert“, erklärt Bernstiel dazu. Die Vertrauenswürdigkeitsprüfung müsse daher „durch die Bundesregierung unter Berücksichtigung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse erfolgen und zwar bevor kritische Komponenten verbaut werden.“

Das Bundesinnenministerium kann laut dem aktuellen Gesetzentwurf den Einsatz von bestimmten Produkten untersagen, wenn es Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Herstellers gibt. Das geht allerdings nur nachträglich, wenn etwa gegen Garantiepflichten verstoßen wird, Schwachstellen vertuscht und nicht gemeldet oder Sicherheitsüberprüfungen durch deutsche Behörden nicht unterstützt oder gar behindert werden.

(Mit Material von dts)

*Zurschaustellen von Ansichten, welche die moralische Korrektheit der eigenen Position zu einem bestimmten Thema demonstrieren und gleichzeitig als besonders zustimmungsfähig erachtet

 

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