Frauke Petry liebäugelt mit Sahra Wagenknecht und ihrem „Aufstehen“-Projekt
Frauke Petry kämpft bei der Landtagswahl in Sachsen um ihr „blaues“ Projekt. Dazu nimmt sie Anleihen an Österreichs Kanzler Kurz – und macht Sahra Wagenknecht Avancen.
Seit ihrem spektakulären Austritt aus Fraktion und Partei am Tag nach der Bundestagswahl 2017 ist es um die frühere AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry zunehmend ruhig geworden. Die Erwartungen der über das Direktmandat im Stimmkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in den Bundestag eingezogenen Politikerin, eine erhebliche Zahl an neu gewählten AfD-Bundestagsabgeordneten würde ihrem Schritt folgen, haben sich nicht bewahrheitet.
Auch das Interesse an der „Blauen Partei“, unter deren Dach sie Interessenten und Anhänger aus allen politischen Lagern vereinen wollte, blieb seither überschaubar. Lediglich der Abgeordnete Mario Mieruch, der über die Landesliste NRW eingezogen war, wo Petrys Lebensgefährte MdEP Marcus Pretzell bis zu seinem Ausscheiden den Landesverband führte, schloss sich ihr an – mit dem Ergebnis, dass nun zwei früherer AfD-Abgeordnete als Fraktionslose im Bundestag in der letzten Reihe sitzen.
Mittlerweile ist die „Blaue Partei“ durch Übertritte ursprünglich auf dem AfD-Ticket gewählter Abgeordneter in den Landtagen von NRW, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie im Europaparlament und einigen Kommunalparlamenten vertreten. Die bundesweite Mitgliederzahl liegt jedoch immer noch im niedrigen dreistelligen Bereich, im August 2018 sollen es selbst im Stammland Sachsen nur 87 Personen gewesen sein.
Projekt bundesweite CSU – ohne Rückendeckung aus Bayern
Die im September anstehende Landtagswahl soll nun jedoch zur ersten Bewährungsprobe für das politische Projekt Petrys werden. Sollte sie es schaffen, zumindest dort aus eigener Kraft einen Parlamentseinzug zu schaffen, könnte sie ihrem Ziel, als eine Art „bundesweite CSU“ zu fungieren, zumindest näherkommen – einem Ziel, an dem zuvor jedoch schon die „Freiheitliche Volkspartei“ (FVP) und die „Deutsche Soziale Union“ (DSU) gescheitert waren. Letztere hatte dabei zumindest 1990 noch tatsächlich Rückendeckung aus Bayern. Auch das half ihr jedoch wenig.
Nachdem die bislang einzige Umfrage aus dem Sommer des letzten Jahres, die die „Blauen“ explizit als Option auswies, dieser für den Freistaat Sachsen nur 0,4 Prozent eingeräumt hatte, will Petry deren Chancen erhöhen, indem sie ihrer Liste den Zusatz #TeamPetry verpasst. Angelehnt an die „Liste Sebastian Kurz“ in Österreich will sie damit ihren immer noch hohen Bekanntheitsgrad in die Waagschale werfen, berichtet die WAZ.
Außerdem buhlt sie um mögliche Bündnispartner – und hat erst jüngst in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) wieder Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht als solchen ins Spiel gebracht. Diese gilt in ihrer eigenen Partei ebenfalls als umstritten. Politische Konkurrenten geben sich wenig Mühe, den Eindruck zu vermeiden, an Wagenknechts Stuhl zu sägen. Wagenknecht hat ihrerseits wiederum mit der von ihr initiierten linkspopulistischen Bewegung „Aufstehen“ ihrer eigenen Partei und der deutschen Linken insgesamt eine Rute ins Fenster gestellt. Allerdings ist es auch um „Aufstehen“ mittlerweile wieder ruhig geworden.
„Ich habe Sympathie für viele ihrer Positionen, vor allem in der Migrationspolitik“, zitiert das Blatt die ehemalige AfD-Bundeschefin. Allerdings gebe es noch keinen direkten Kontakt, Wagenknecht habe „davor offenkundig Angst“, sagte Petry der „NOZ“.
Was unterscheidet „Aufstehen“ von der Linken?
Die „Aufstehen“-Bewegung Wagenknechts betrachtet Petry mit Interesse, deren Gründung „macht aus ihrer Sicht Sinn“, sagte Petry mit Blick auf den Widerstand innerhalb der Linkspartei gegen Wagenknechts Haltung in der Migrationspolitik. Wagenknecht habe allerdings „den entscheidenden Schritt eines Austritts und einer Parteineugründung noch nicht gemacht“.
Wie weit die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Politikerinnen allerdings abseits der Migrationsthematik reichen, wo Wagenknecht tatsächlich Petry näherstehen dürfte als der Mehrheit in ihrer eigenen Partei, ist fraglich.
So stellt sich unter anderem bereits die Frage, was Wagenknecht und ihre Bewegung ideologisch von der Partei unterscheidet, für die diese seit knapp 15 Jahren in überregionalen Parlamenten sitzt – also was „Aufstehen“ überhaupt von ideologischen Kernbeständen der Linkspartei unterscheidet.
Inhaltlich grenzen sich Sahra Wagenknecht und „Aufstehen“ zumindest von einigen Bestrebungen innerhalb der Linken ab, die diese für den Großteil der einfachen Bevölkerung von vornherein als unwählbar erscheinen lassen – so etwa von besonders extremen Gender-Ideologen, von Personen, die sich erfreuen an „Filmen, in denen Deutsche sterben“, oder solchen, die dazu aufrufen, während der Fußball-WM Deutschlandfahnen von Autos zu reißen.
Dass Sahra Wagenknecht ihr noch 2012 auf ihrer Abgeordnetenseite vermerktes Bekenntnis, „Antifa- und andere Initiativen in meinem Wahlkreis mit Spenden“ zu unterstützen, in „linke Blogs, zivilgesellschaftliches Engagement sowie Initiativen in meinem Wahlkreis“ abgeändert hat, ist wohl als Signal in Richtung von Wählerschichten abseits des Linksextremismus zu werten.
Themen wie Privatisierung, Israel oder Abtreibung
Dennoch verfechten Wagenknecht & Co. beispielsweise noch Positionen wie „Privatisierungen sollen beendet und rückgängig gemacht werden“ – was nicht unbedingt zu Petry, Pretzell und anderen wirtschaftsliberalen Exponenten der „Blauen“ passen würde. Immerhin hatte Petry einst auch eine Zusammenarbeit mit Marine Le Pen mit der Begründung abgelehnt, dieser vertrete eine „sozialistische Politik“.
So leicht sich Wagenknecht und Petry auf eine freundlichere Politik gegenüber Russland verständigen könnten, umso schwieriger würde es schon mit Blick auf die Forderung der „Aufstehen“-Bewegung, auf Distanz zu den USA zu gehen.
Endgültig unvereinbar würden die außenpolitischen Grundsatzpositionen, wenn es um Israel geht: Während Wagenknecht und ihr orthodox-kommunistisches Anhängerumfeld dem jüdischen Staat mit geradezu alttestamentarischem Hass begegnen, hat Marcus Pretzell bereits als AfD-Spitzenfunktionär deutlich gemacht, das Existenzrecht Israels und dessen Kampf gegen Panarabismus und islamischen Extremismus uneingeschränkt zu unterstützen.
Zudem ist Sahra Wagenknecht als Unterstützerin des „Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung“ eine dezidierte Verfechterin einer vollständigen Abschaffung der §§ 218 und 219 – und damit eines „Menschenrechts auf Abtreibung“. Demgegenüber hatte nicht nur Frauke Petry selbst 2014 eine mögliche Verschärfung der Gesetzgebung gegen den Schwangerschaftsabbruch – damals aus demografischen Erwägungen – ins Spiel gebracht.
Auch unter den wenigen bekannteren Aushängeschildern der „Blauen Partei“ befinden sich mit der früheren Chefin der „Christen in der AfD“, Anette Schultner, und dem sachsen-anhaltinischen MdL Gottfried Backhaus, ehemals kirchenpolitischer Sprecher, dezidiert christliche Exponenten, die gerade in dieser Frage zu keinem Kompromiss bereit wären.
Republikaner, NPD und Pegida-Liste in Konkurrenz zur AfD?
Ein Querfront-Bündnis zwischen Sahra Wagenknecht und Frauke Petry wäre also – neben der Tatsache, dass ehemalige Mitstreiter Petry als im persönlichen Umgang nicht immer einfach schildern – vor allem auf Grund unüberwindlicher inhaltlicher Unvereinbarkeiten von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die AfD muss neben der Blauen Partei bei den Landtagswahlen voraussichtlich noch mit weiteren Konkurrenten rechts der Union auf dem Stimmzettel rechnen. Diese reichen von gemäßigten Kräften wie den Freien Wählern über die Republikaner, die versuchen, rechtsnationale AfD-Anhänger abzuwerben, bis hin zur in Sachsen lange Zeit erfolgreichen NPD.
Ob darüber hinaus noch Lutz Bachmann mit einer eigenen Pegida-Liste antreten wird, die DSU oder die Sächsische Volkspartei ihr Glück versucht oder der frühere CDU-MdB Henry Nitzsche einen Wahlvorschlag einreicht, steht noch in den Sternen. Chancen auf einen Parlamentseinzug werden keiner dieser Kandidaturen eingeräumt.
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