Gute Miene zum grünen Spiel – Habeck motiviert zum Kurshalten

Beim kleinen Parteitag der Grünen bestärkt Wirtschaftsminister Robert Habeck seine Parteikollegen, den bisherigen Kurs beizubehalten. Gleichzeitig durchlebt die Partei eine innere Zerrissenheit aufgrund des jüngsten Kompromisses zum Beschluss des EU-Asylrechts.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck spricht beim kleinen Parteitag der Grünen in Bad Vilbel.Foto: DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images
Von 18. Juni 2023

Im hessischen Bad Vilbel fand am 17. Juni ab Mittag der kleine Parteitag der Grünen statt. Das Treffen wird auch als Länderrat bezeichnet. Die Ampelpartei ist gespalten wie lange nicht. Zwei Themen dominierten bei dem Treffen – bei beiden ist die Partei zerrissen, von der Basis bis zur Spitze.

Das erste Thema ist das viel diskutierte Gebäudeenergiegesetz, auch als Heizungsgesetz bekannt. In dieser Woche (15. Juni) hat der Bundestag erstmals offiziell darüber beraten. Allerdings haben sich viele Grünen-Politiker mehr erhofft, als das, was jetzt im Bundestag verhandelt wird, berichtete das ZDF. Es sei zu wenig Klimaschutz, weil man SPD und vor allem der FDP zu viel entgegengekommen sei. Die ursprüngliche Wärmewende, wobei die Grünen weg vom Öl und Gas gehen wollen, sehe wahrlich anders aus. Habeck habe sich da über den Tisch der Ampelkoalition ziehen lassen, ist an der Partei-Basis zu hören.

Beim zweiten Thema sind viele Grünen in ihrem Politikverständnis ebenfalls angeschlagen: der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Vergangene Woche verständigten sich die EU-Innenminister auf eine Verschärfung des europäischen Asylrechts, dem stimmte die Bundesregierung zu. Infolgedessen gingen viele Grünen auf die Barrikaden.

Dem Beschluss nach sollen Asylbewerber künftig eine finale Entscheidung über ihr Aufenthaltsrecht in bewachten „Asylzentren“ an den EU-Außengrenzen abwarten müssen. Das „beschleunigte Verfahren“ soll im Idealfall nur noch maximal zwölf Wochen dauern. Je nach Bewertung der Behörden könnten sie schneller abgeschoben werden – auch in „sichere Drittstaaten“, die nicht zur EU gehören.

Habeck: Druck von allen Seiten

Bei der Veranstaltung sprach Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck über die derzeitige Lage seiner Partei. Er erwähnte den „Druck von allen Seiten auf uns, auf Bündnis 90 die Grünen. Es gibt sehr viel Konfrontation“. Dennoch ermutigte er seine Parteikollegen, sich nicht in die Ecke, in die Nische treiben zu lassen. „Lasst euch nicht verhärten.“

Der Vizekanzler erinnerte daran, was sich im Vergleich zur Vergangenheit geändert hat und warum der Druck so hoch ist: „Wir regieren.“ Dabei erwähnte Habeck aber nicht, dass die Grünen nur eine der drei Koalitionsparteien der Ampel ist. Auch sagte er nichts über die momentanen Umfragewerte seiner Partei, die mit rund 13 Prozent so schlecht wie lange nicht sind.

Habeck wies auf die vielen Punkte hin, die die Grünen jüngst erreicht hätten. „Wir verändern die Realität in Deutschland. […] Noch nie wurde so viel für Klimaschutz getan, wie in den vergangenen 15 Monaten. Noch nie wurden die erneuerbaren Energien so schnell wie jetzt ausgebaut“, sagte der Minister.

Auch auf mehrere andere Entscheidungen aufgrund der Bemühungen der Grünen wies Habeck hin. Darunter aktuell ein EU-Beschluss zum verstärkten Ausbau der „erneuerbaren“ Energien, die Produktion von „grünem“ Stahl, Halbleitern oder das neue Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung. Als weitere Änderungen nannte er das Bürgergeld, den Kulturpass, das Deutschlandticket sowie eine CO₂-Abgabe für die LKW-Maut.

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Zerrissenheit bei der Asylreform

Nach der Zustimmung zur geplanten EU-Asylreform muss besonders Außenministerin Annalena Baerbock parteiinterne Kritik einstecken, berichtet die „Tagesschau“. Bei dem Treffen von knapp einhundert Delegierten und weiteren Parteimitgliedern gab es teilweise kontroverse Debatten zur Verschärfung des Asylrechts. Unter anderem die Grüne Jugend dringt darauf, sich von den EU-Beschlüssen deutlich zu distanzieren.

Baerbock verteidigte den EU-Kompromiss. „Ich will nicht sagen, das war alles super. Auch mich hat es zerrissen.“ Es sei eine ganz schwierige Abwägung gewesen. Baerbock kritisierte besonders, dass es nicht gelungen sei, zumindest Ausnahmen für Kinder für die umstrittenen EU-Grenzverfahren mit haftähnlichen Aufnahmezentren zu erreichen. Deutschland sei in dieser Frage jedoch weitgehend isoliert gewesen.

Es habe die Gefahr bestanden, dass sich manche Länder in der Flüchtlingspolitik an gar keine Regeln mehr halten und Europa wieder in nationalstaatliche Vorgehensweisen zerfalle. Sie habe daher auch als Europaministerin verhandeln müssen. Es sei ihr Job, auch hier Kompromisse einzugehen. Als positiv wertete Baerbock, dass es zumindest gelungen sei, eine begrenzte Ausweitung des europäischen Verteilmechanismus für Migranten zu vereinbaren.

Als die Grünen-Politiker am Samstagmorgen beim Parteitag ankamen, fand am Eingang der Stadthalle eine Demonstration von Pro Asyl statt, wie die FAZ berichtet. Dort sprachen auch Vertreter der Grünen und ihrer Jugendorganisation. Sie bezeichneten den Asylkompromiss als „menschenunwürdig“.

Die Spitzenpolitiker blieben stehen und hörten zu. Man merkte, wie sehr die Einigung auf Asylverfahren an den Außengrenzen, die auch Familien mit Kindern durchlaufen müssen, den Kern grüner Identität berührt. Später sagte der Parteivorsitzende Omid Nouripour: „Wir kennen diese Leute. Wir haben Seite an Seite gestanden.“ An Tarek Al-Wazir gerichtet ergänzte er: „Wir haben angefangen, mit ihnen Politik zu machen.“ Man wolle auch weiterhin mit ihnen kämpfen.

Hessische Landtagswahl im Herbst

Al-Wazir ist der grüne Ministerpräsidentenkandidat für die hessische Landtagswahl im Herbst. Er fordert ein Ende der internen Auseinandersetzungen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Ihm kommt ein Richtungsstreit im Wahlkampf gerade äußerst ungelegen. Den Kopf in den Sand zu stecken, löse kein Problem, meinte Al-Wazir. „Regieren heißt auch, schwere Entscheidungen zu treffen.“

Der Streit um die Asylpolitik wird bei den Grünen so hart geführt, weil er einen Kern der Partei berührt. Seit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 kamen viele neue Mitglieder zu den Grünen, weil sie sich für Migranten einsetzen wollten. Viele verstünden nach der Zustimmung der Bundesregierung nun  „die Welt nicht mehr“, sagte der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler.

Es bleibt abzuwarten, welche Folgen der Beschluss der Grünen hat. Denn auf europäischer Ebene gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass solche Nachbesserungen in Europa mehrheitsfähig sind.



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