Roger Köppel über die Populismus-Studie: „Deutsche Journalisten neigen zur Meinungseinfalt“

Viele Journalisten neigen heute dazu, selbst Partei zu ergreifen – statt Berichterstatter zu sein: Der Herausgeber der Schweizer „Weltwoche“, Roger Köppel, übt im Interview mit Gabor Steingart scharfe Kritik an der Populismusdebatte.
Titelbild
Journalisten und Fotoreporter unterwegs ...Foto: iStock
Epoch Times2. Oktober 2018

Der bekannte Publizist und Medienmanager Gabor Steingart hat sein heutiges Morgenbriefing dem unbekannten Populisten gewidmet. Der Populist, so Steingart, komme von überallher – „gut so“, meint Claus Strunz. Der SAT1-Kommentator nennt den Populismus das „Viagra einer erschlafften Demokratie“.

Robert Vehrkamp, Autor des Anfang der Woche vorgestellten „Populismusberichts 2018“, sagt hingegen: „Populismus ist Gift“, denn dieser gehe zu Unrecht davon aus, dass ein homogenes Volk gegen homogenes Establishment stehe.

Gabor Steingart gibt sich viel Mühe, um sein Bild von einem Populisten zu umschreiben:

Der Populist spricht schroff, bisweilen verletzend. Er spricht nicht zu den Eliten, nicht fürs Präsidium, richtet sich nicht an die Parteien, nicht an den ARD-Rundfunkrat. Er ist kein Diplomat und kein Philosoph. Zielgruppe Nummer eins ist das Volk, der Souverän, die Masse derer, die unzufrieden sind mit dem, was ist und mit dem politischen Prozess, der sie dorthin geführt hat.“

Der gemeine Populist kommuniziere lieber über Twitter als über die dpa. Er fülle die Stadien, aber zunehmend auch die Parlamente. Deshalb sei es wohl nicht übertrieben, festzustellen, der Populist sei der Aufsteiger der Saison.

Professionelle Distanz ist in Deutschland verlorengegangen

Steingart vermisst, wie er in weiterer Folge deutlich macht, das journalistische Gebot der „Coolness“ im Umgang mit den Phänomenen – im „Guten“ wie im „Bösen“. Diese Magna Charta des Journalismus solle nicht suspendiert werden. Hajo Friedrichs meinte einst, einen guten Journalisten erkenne man daran, dass er sich nicht mit einer Sache gemein mache, auch nicht mit einer guten.

Heute müsse man, so Steingart, diesen Ausspruch zeitgemäß dahingehend adaptieren, dass er nun auch laute, ein guter Journalist mache sich auch nicht gegen eine Sache gemein. Steingart ist sich sicher:

Einen Kampf ‚Wir gegen die‘, die Medien gegen die Populisten, habe die freie Presse doch schon verloren, weil sie selbst zur Partei werde, ihre Unabhängigkeit aufgebe und sich selbst in den Dienst des Etablierten stelle.“

Gast auf seinem Podcast mit dem Schwerpunktthema der Populismus-Studie war Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel. Dieser machte auch umgehend seinem Unmut über die Art und Weise Luft, in der die Debatte eröffnet wurde.

Journalisten agierten selbst als Partei

Für ihn werde der Begriff in der Bertelsmann-Studie von vornherein als „Kampfbegriff“ gebraucht, der auf sehr durchsichtige Weise das Ziel verfolge, bestimmte Denkweisen, die sich kritisch mit dem politischen Establishment auseinandersetzen, pauschal in die populistische Ecke zu schieben. Gerade in Deutschland werde der Begriff „Populismus“ gleichsam als Vorstufe zum Rechtsextremismus-Vorwurf verwendet, so Köppel.

Er drücke eine Weigerung aus, sich mit dem Kritiker auseinandersetzen zu wollen – ähnlich wie, was Steingart einwarf, das frühere „Geh doch rüber“ mit Blick gegen linke Kritiker während des Kalten Krieges. Der bloße Moralismus, verbunden mit der Anschwärzung Andersdenkender, kennzeichne derzeit die Debatte in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der Realität komme entsprechend zu kurz.

Es gäbe immer wieder charakteristische Diskurstechniken der herrschenden Kreise, um jede Opposition zu kriminalisieren, so Köppel. Die nunmehrige Populismus-Debatte sei ein Ausdruck der Tatsache, dass immer mehr Journalisten diese bloßen Kampfbegriffe kritiklos übernehmen. Dies zeige auch, dass immer mehr Journalisten nicht beschreibende Journalisten, Berichterstatter seien, sondern Partei.

Warum die Wirklichkeit ein Problem für viele Kollegen wäre und ein präzises Beschreiben der Realität so schwierig geworden wäre, fragt Steingart.

„Schlimmste Phase ist überstanden“

Köppel spricht daraufhin von einer „gespenstischen Gleichförmigkeit“, der die deutschen Medien kennzeichne, ein gleichsam „propagandistisches Durchtrompeten, wie etwa 2015 der Version der deutschen Regierung, wonach jetzt die Fachkräfte kommen“. Es sei eine erschreckende Distanzlosigkeit von Journalisten gegenüber der eigenen Regierung zu beobachten.

Köppel ist jedoch zuversichtlich, dass langsam eine gewisse Korrektur einkehre, er meint, es sei diesbezüglich „die schlimmste Phase überstanden“.

Während früher der journalistische Konsens das „Nichts als die Wahrheit“ war, warf Steingart ein, sei heute die „Haltung“ dazugekommen. Köppel hatte auch dafür deutliche Worte:

Wenn mir etwas als Journalist nicht passt, dann muss ich doch in bester deutscher hermeneutischer Tradition versuchen, das verstehen zu wollen, ergründen zu wollen. Aber die Kategorie des Verstehens ist ja heute selbst schon verpönt. Ich bin zum Beispiel ein Merkelversteher, das ist fast schon so schlimm wie ein Putinversteher.“

Auch auf das Thema der politischen Korrektheit kommen Steingart und Köppel zu sprechen. Der Schweizer Starjournalist und Parlamentsabgeordnete habe auch diese am eigenen Leibe verspürt:

„Ich habe die politische Korrektheit als Journalist kennengelernt in Form der Inquisitorengesichter auf Redaktionskonferenzen. Leider neigen viele unserer Kollegen immer mehr zur Meinungseinfalt, zum bloßen Nachplappern und zum Bestätigen dessen, was andere auch so geschrieben oder gedacht haben.“

„Das Urteilsvermögen der Menschen nicht unterschätzen“

Köppel lade demgegenüber bewusst auch Persönlichkeiten wie Stephen Bannon oder Thilo Sarrazin ein, über die die journalistische Meinung bereits gemacht sei – einfach um eine Plattform zu schaffen, die den Leuten ermögliche, selbst zu entscheiden, was sie von diesen hielten.

Man dürfe, so Köppel, das eigene Urteilsvermögen der Menschen nie unterschätzen.

Sie seien misstrauisch, sie seien kritisch, sie seien nicht so verführbar, wie Journalisten dies gerne darstellen. Sollte etwas tatsächlich so schlimm und so schwachsinnig sein, wie es angeblich sein soll, dann werde das Beleuchten auf diese Weise zur Entlarvung beitragen.

Roger Köppel geht in dieser Woche mit Thilo Sarrazin nach Berlin (3.10.), Zürich (4.10) und Wien (5.10). Sie nennen es „Gipfel der freien Rede“ und man kann und sollte die Karten rechtzeitig online buchen  WELTWOCHE – SARRAZIN

(ks)



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