Sicherheitsbehörden wappnen sich für Blackout
Die jüngsten Krisen haben aus Sicht des Leiters der Spezialkräfte der Bundespolizei gezeigt, dass Deutschland beim Krisenmanagement und der Digitalisierung schnell aufholen muss. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagte Olaf Lindner, Präsident der Bundespolizeidirektion 11: „Fachleute fordern schon lange, dass es ein zentrales Element für Krisenmanagement auf Bundesebene gibt, nicht nur für die Bewältigung von Auslandslagen.“ Solche wichtigen Fragen, die auch einen Blackout betreffen, müssten allerdings die Politiker entscheiden, so Lindner.
SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, gemeinsam mit den Ländern „die Sicherheitsarchitektur in Deutschland“ einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Ziel dabei sei es, die Zusammenarbeit der einzelnen Institutionen effektiver zu machen.
Lindner betonte: „Ganz wichtig ist, dass es in wirklich schwierigen Lagen keine Verantwortungsdiffusion gibt.“ Parallel zum Ausbau des Krisenmanagements müsse Deutschland bei der Digitalisierung vorankommen, „damit wir technologisch nicht abgehängt werden, denn das ist auch eine Sicherheitsfrage“.
Spezialkräfte wappnen sich für möglichen Blackout
Durch den Ukraine-Krieg haben sich nicht nur die Aufgaben und Manöver der Bundeswehr verändert. Auch die Spezialkräfte der Bundespolizei wappnen sich für schwierige Zeiten. „Wir haben unsere Durchhaltefähigkeit erhöht“, sagte der Präsident der Bundespolizeidirektion 11. „Es geht zum Beispiel darum, bei einem etwaigen Cyberangriff auf die Stromversorgung in Berlin möglichst lange handlungsfähig zu bleiben.“ Denn wenn der Strom durch einen Blackout ausfalle, funktioniere beispielsweise auch die Zapfsäule an der Tankstelle nicht mehr. „Wir haben unsere Reserven noch mal massiv erhöht“, sagte Lindner. Für die gesamte Bundespolizei gebe es einen „Mindeststandard in Sachen Durchhaltefähigkeit“.
Unter dem Dach der vor fünf Jahren gegründeten Direktion 11 in Berlin sind die GSG 9 sowie alle anderen Spezialkräfte der Bundespolizei mit insgesamt sechs Dienststellen an 40 Standorten zusammengefasst. Dazu gehören unter anderem Polizeibeamte, die für die Sicherheit deutscher Diplomaten im Ausland sorgen. Beim Schutz von Bahnanlagen, um den sich die Bundespolizei in Abstimmung mit der Konzernsicherheit der Deutschen Bahn kümmert, unterstützen die Spezialkräfte mit Überwachungsflügen sowie mit einem Entschärfungsdienst, der an 15 Standorten im Bundesgebiet präsent ist.
„Hybride Bedrohungen und Risiken für die kritische Infrastruktur waren für uns und für andere Fachleute immer schon ein Thema“, sagte Lindner. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) beschäftige sich seit vielen Jahren mit der Frage, wie Deutschland für den Fall eines Blackout vorbereitet sei. Neu sei nur, dass es für diese und andere Fragen zur kritischen Infrastruktur jetzt – ausgelöst durch die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021, den Krieg in der Ukraine und die jüngsten Sabotage-Akte gegen Pipelines und die Bahn „eine ganz neue politische Aufmerksamkeit“ gebe.
Schutz von Gas-Plattformen auf hoher See
Auch der Schutz von Anlagen auf hoher See sei für die Spezialkräfte der Bundespolizei nicht neu, betonte Lindner, der früher Kommandeur der GSG 9 war. Er sagte: „Seit vielen Jahren haben wir Szenarien durchgespielt, wie Angriffe auf Gas-Plattformen in der Ostsee.“ Die GSG-9-Taucher kooperierten, auch in der Ausbildung, mit den Kampfschwimmern der Bundeswehr.
Über die genaue Zahl der Angehörigen der Einsatzeinheiten der GSG 9 gibt die Bundespolizei keine Auskunft. Die Angehörigen der Spezialeinheit, die von anderen Sicherheitsbehörden beispielsweise für Durchsuchungen im Rockermilieu oder die Festnahme von Terrorverdächtigen angefordert wird, haben im 50. Jahr ihres Bestehens laut Lindner alle Hände voll zu tun gehabt. „Die GSG 9 kam dieses Jahr nicht mehr aus den Stiefeln“, sagte der ehemalige Kommandeur. Auch wenn die GSG 9 in der Öffentlichkeit vor allem mit Geiselbefreiungen in Verbindung gebracht wird, so ist das eine Aufgabe, die sie eher selten beschäftigt. „Die Zahl der Einsätze, die mit Terrorismus zu tun haben und mit Gewaltkriminalität oder Ermittlungsverfahren zur organisierten Kriminalität, das hält sich in etwa die Waage“, berichtete Lindner.
Weniger im Licht der Öffentlichkeit stehen die Spezialkräfte, die sich um Schutzaufgaben im Luftverkehr kümmern. Gegründet als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001, konzentrierte man sich zu Beginn auf das Szenario eines Eindringens von Terroristen ins Cockpit. Heute übernehme diese Einheit auch Aufklärungsaufgaben, sagte Lindner, zum Beispiel um Flugbewegungen von bestimmten Gefährdern oder anderen relevanten Personen, von denen eine Gefahr ausgehen könnte, im Blick zu behalten: „Wir analysieren jeden Tag Flüge. Wir besetzen jeden Tag Flüge in der ganzen Welt.“ Die Einsätze seien auf deutsche Luftfahrzeuge beschränkt, „wir arbeiten aber auch mit Partnern im Ausland zusammen“.
PSA-Einheit für Personenschutz im Ausland
Die Bundespolizei schickt zum Schutz deutscher Diplomaten auch Sicherheitsberater ins Ausland, um die Lage vor Ort einzuschätzen oder auch Kontakt zu halten zu den Sicherheitsleuten an den Vertretungen befreundeter Staaten. Da, wo es besonders brenzlig ist, geht es nicht nur um Mauern, Sicherheitsschleusen und Zäune. In ausgewählten Krisengebieten übernimmt die PSA-Einheit (Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland) auch komplett den Personenschutz, reist etwa mit dem Konsul oder der Botschafterin im Einsatzland. Aktuell ist das beispielsweise in Kiew der Fall. „Wir haben zu Beginn des Krieges in der Ukraine die sichere Verlegung des Botschaftspersonals nach Polen und Anfang Mai zurück nach Kiew durchgeführt“, berichtete Lindner.
Kommt die Rede auf die Evakuierung aus Kabul vom August 2021, wird er schmallippig. Denn mit möglichen Fehlentscheidungen rund um das chaotische Ende der deutschen Präsenz in Afghanistan nach der Machtübernahme durch die islamistischen Taliban befasst sich aktuell ein Untersuchungsausschuss. Dessen Mitglieder wollen auch einen seiner Mitarbeiter befragen, der damals als Sicherheitsberater in Kabul war.
Kommt ein Auftrag aus der Bundespolizei, entscheidet die Bundespolizeidirektion 11 selbst, ob sie dafür ihre Leute schickt. Fordert eine andere Bundesbehörde Unterstützung an – etwa das Bundeskriminalamt – trifft die Entscheidung das Bundespolizeipräsidium in Potsdam. Geht es um Auslandseinsätze, stimmt sich das Bundesinnenministerium mit dem Auswärtigen Amt und anderen betroffenen Ressorts ab, etwa dem Verteidigungsministerium.
„Wir haben sehr schnelle Alarmierungszeiten – maximal eine Stunde nach Alarmierung sind unsere Leute abmarschbereit“, erzählte Lindner. Dass mit der Gründung der Bundespolizeidirektion 11 auch der Aufbau einer zusätzlichen Einheit der GSG 9 in Berlin einherging, habe wegen der kürzeren Anreisezeit dazu geführt, dass die Spezialkräfte häufiger aus der Hauptstadt und anderen Bundesländern im Osten angefordert werden. (dpa/mf)
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