Söder gesetzt – Rennen um Platz zwei unter den Parteien bleibt spannend

Am Sonntag sind knapp 9,5 Millionen Wahlberechtigte in Bayern aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Schon jetzt steht so gut wie fest, dass CSU und Freie Wähler weiter regieren dürfen.
Titelbild
Archivbild: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, l.) und sein Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages 2018.Foto: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images
Von 6. Oktober 2023

Aufregende Monate des Wahlkampfs liegen hinter den Bürgern in Bayern. Gleichwohl ist nicht damit zu rechnen, dass sich nach der Landtagswahl am Sonntag, 8. Oktober, irgendetwas Grundlegendes ändern wird: Alles andere als eine Fortführung des Regierungsbündnisses aus CSU und Freien Wählern scheint äußerst unwahrscheinlich.

Mit Abstand stärkste Kraft im 19. bayerischen Landtag wird traditionell die CSU bleiben. Ihr Parteichef und Spitzenkandidat Markus Söder wird damit höchstwahrscheinlich fünf weitere Jahre das Sagen als Ministerpräsident in der Bayerischen Staatskanzlei haben.

Söder unangefochten Nummer eins

Nach Daten des „ZDF-Politbarometers Extra“ stehen 54 Prozent der Bayern hinter Söder als Regierungschef und 37 Prozent hinter den Christsozialen – praktisch genauso viele wie vor fünf Jahren (37,2 Prozent). Die repräsentative Umfrage wurde von der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF durchgeführt.

Die zweite Kraft im bayerischen Parteienspektrum wird es voraussichtlich nicht einmal auf die Hälfte der CSU-Stimmen bringen. Wer Platz zwei erobern wird, ist noch unklar: Mit den Grünen (16 Prozent), den Freien Wählern (15 Prozent) und der AfD (14 Prozent) liefern sich drei Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ihre Zustimmungswerte hatten sich laut ZDF im Vergleich zur Vorwoche nicht mehr verändert. Doch nur 72 Prozent der Befragten des „ZDF-Politbarometers“ gaben an, dass ihre Wahlentscheidung bereits sicher sei. Der Rest überlegt noch.

Freie-Wähler-Wunsch-Koalitionspartner

Da der CSU für eine sichere absolute Mehrheit wahrscheinlich nur noch um die zehn Prozentpunkte fehlen werden, käme grundsätzlich jede der drei Parteien als künftiger Koalitionspartner infrage. Doch zur AfD besteht bekanntlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss, und ein Bündnis mit den Grünen hatten Söder, sein Stellvertreter Aiwanger und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ebenfalls kategorisch ausgeschlossen.

Nur für den äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass die Freien Wähler doch noch krachend abstürzen sollten, wäre ein dritter Koalitionspartner nötig – und dafür bliebe augenscheinlich nur die 9-Prozent-Partei SPD übrig. Die FDP wird mit derzeit nur noch drei Prozent Zuspruch wahrscheinlich überhaupt nicht mehr im bayerischen Landesparlament vertreten sein.

Grafik: Umfragewerte zur Landtagswahl in Bayern laut „ZDF Politbarometer Extra“, Stand 05.10.2023.

Grafik: Umfragewerte zur Landtagswahl in Bayern laut „ZDF Politbarometer Extra“ im Vergleich zur Vorwoche, Stand 05.10.2023. Foto: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen

180 Sitze zu vergeben

Nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Statistik gehen 15 Parteien mit insgesamt 1.811 Kandidaten ins Rennen. Die Wahllokale schließen um 18:00 Uhr. Die aussichtsreichsten Parteien und ihre Spitzenkandidaten heißen:

  • CSU: Markus Söder (56) – Wahlprogramm (PDF)
  • Freie Wähler: Hubert Aiwanger (52) – Wahlprogramm (PDF)
  • Grüne: Katharina Schulze (38), Ludwig Hartmann (45) – Wahlprogramm (PDF)
  • AfD: Kathrin Ebner-Steiner (45), Martin Böhm (59) – Wahlprogramm
  • SPD: Florian von Brunn (54) – Wahlprogramm (PDF)
  • FDP: Martin Hagen (42) – Wahlprogramm (PDF)

Im bayerischen Landtag sind 180 Sitze an Abgeordnete zu vergeben. Nach dem Wahlsystem des Freistaats fallen 91 Plätze über die Erststimme an Direktmandate, 89 Plätze werden per Zweitstimme über die Landeslisten der Parteien besetzt.

Der Landeswahlleiter wird die ersten vorläufigen Zwischenergebnisse der 91 Stimmkreise ab ca. 20:00 Uhr online bekannt geben. Mit einem vorläufigen Landesergebnis ist erst nach Mitternacht zu rechnen. Das amtliche Endergebnis wird erst für den 24. Oktober erwartet.

Neben der Landtagswahl finden auch Bezirkswahlen statt, zudem zwei Landratswahlen, eine Oberbürgermeister- und 13 Bürgermeisterwahlen. In 18 Gemeinden wird es außerdem zu Bürgerentscheiden über lokale Einzelthemen kommen.

Wahlkampf für die AfD nicht ungefährlich

Im Wahlkampf hatte zuletzt die AfD für Schlagzeilen gesorgt: Ihr Co-Parteichef Tino Chrupalla war am Abend des 4. Oktober kurz vor einem Gastauftritt in Ingolstadt zum Opfer einer Stichattacke geworden. Inzwischen aber konnte er Parteiangaben zufolge das Krankenhaus wieder verlassen, in dem er einen Tag lang beobachtet worden war. Die Hintergründe des Vorfalls sind bislang nicht aufgeklärt, die Polizei ermittelt.

Auch ein Vorfall um Chrupallas Co-Parteisprecherin Alice Weidel fiel in den bayerischen Wahlkampf: Am „Tag der Deutschen Einheit“ hatte Weidel nur per Videoschalte an einer Kundgebung im bayerisch-thüringischen Grenzort Mödlareuth teilgenommen, weil ihr ein persönlicher Auftritt zu riskant erschienen war. Einige Tage zuvor hatte die Schweizer Polizei Weidel und ihre Familie wegen einer „Bedrohungslage“ von ihrem Privatwohnsitz an einen sicheren Ort verbracht.

Ein Flugblatt als Bumerang

Größter Aufreger im bayerischen Wahlkampf aber dürfte das Hickhack um den Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gewesen sein: Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte in den letzten Augusttagen eine Story ausgegraben, nach der der aktuelle Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef im Jahr 1987 als noch nicht volljähriger Gymnasiast mit einigen Kopien eines geschmacklosen Flugblatts in seiner Schultasche erwischt worden war.

Tagelang ging es in der Münchener Staatskanzlei, im Blätterwald und in den sozialen Medien um die Frage, ob Aiwanger als Teenager eine „antisemitische“ Haltung vertreten habe oder gar noch als gereifter Politiker vertrete. Selbst als Aiwangers älterer Bruder sich als Verfasser des Papiers zu erkennen gegeben hatte und Hubert Aiwanger persönlich um Entschuldigung bat, kehrte nicht wirklich Ruhe ein.

Erst als Ministerpräsident Markus Söder Aiwangers Antworten auf einen 25-teiligen Fragekatalog am 3. September als ausreichend für eine weitere Zusammenarbeit akzeptiert hatte, war das Thema irgendwann vom Tisch. Unterdessen hatte sich der Verdacht erhärtet, dass es ein ehemaliger, der SPD naher Lehrer Aiwangers gewesen sein könnte, der die „Flugblatt-Affäre“ mithilfe der „Süddeutschen“ ins Rollen gebracht hatte.

Für den Landesverband der SPD aber scheint der vermeintliche Presseknüller nach hinten losgegangen zu sein: Kurz vor dem ersten SZ-Artikel zur Flugblatt-Affäre hatte das Meinungsforschungsinstitut Civey die Sozialdemokraten noch bei zehn Prozent gesehen, die Freien Wähler bei zwölf Prozent. Inzwischen trennt beide Parteien laut Forschungsgruppe Wahlen ein Abstand von sechs Prozentpunkten. Zwischenzeitlich hatten es die Freien Wähler sogar auf 17,5 gebracht, wie das Institut Wahlkreisprognose am 20. September festgestellt hatte. Just zu diesem Zeitpunkt meldete Aiwanger sein Interesse an, im Herbst 2025 den grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in einer „bürgerlichen Koalition“ mit Union und FDP beerben zu wollen.

Aiwanger hatte bereits Mitte Juni auf einer Großdemo in Erding mächtig gegen den grünen Zeitgeist und die „Energiewende“-Pläne der Ampelregierung ausgeteilt – zur Begeisterung der rund 13.000 Teilnehmer.

Bierzelt-Buhrufe gegen Grüne

Die Grünen hatten es angesichts der Heizungsgesetzdebatte, der hohen Energiekosten und der Inflation umgekehrt nicht immer leicht im Wahlkampf: Spitzenkandidatin Katharina Schulze sah sich in Bierzelten immer wieder Pfiffen und Buhrufen ausgesetzt, wie etwa am 2. August an der Seite von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in Chieming.

Zuletzt veröffentlichte der grüne Landesverband ein „100-Tage-Programm“, in dem ein „Überparteilicher Notfallplan zum Schutz unserer Demokratie“ die höchste Priorität genießt. Außerdem plädierten die bayerischen Grünen Anfang September für eine neue Art der Gedenkkultur für Kriegsgräber. Bereits im Frühjahr hatten sie sich für spezielle Unterkünfte für Flüchtlinge aus der LSBTIQ*-Community und für Islam-Unterricht in den Oberstufen eingesetzt.

Rückblick: Die Bayernwahl 2018

Die letzte Landtagswahl in Bayern, dem mit 13,4 Millionen Einwohnern zweitbevölkerungsreichsten Bundesland, hatte am 14. Oktober 2018 stattgefunden. 72,3 Prozent der knapp 9,5 Millionen Wahlberechtigten nutzten damals die Gelegenheit, um vor allem die CSU und die SPD abzustrafen. Die verlorenen Stimmen sammelten sich hauptsächlich im Lager der Grünen und der AfD.

  1. CSU: 37,2 Prozent (minus 10,5 Prozent im Vergleich zur Wahl 2013)
  2. Grüne: 17,6 (plus 9,0)
  3. Freie Wähler: 11,6 (plus 2,6)
  4. AfD: 10,2 (plus 10,6)
  5. SPD: 9,7 (minus 11,0)
  6. FDP: 5,1 (plus 1,8)
  7. Linke: 3,2 (plus 1,1)
  8. Sonstige: 5,4 (minus 3,3)

Obwohl CSU-Spitzenkandidat Markus Söder damals das schlechteste Wahlergebnis seiner Partei seit 1950 einfuhr und auch 2023 eine ähnliche Prozentzahl zu erwarten ist, wurde der Franke auf dem CSU-Parteitag vor knapp zwei Wochen mit 96,6 Prozent der Delegierten als Parteichef bestätigt. Die CSU stellt seit 1957 ununterbrochen den bayerischen Ministerpräsidenten.

Mit Informationen aus Agenturen.



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