SPD-Präsidium bringt Krisenabgabe, Zukunftsabgabe und Deutschlandpakt auf den Weg

Der SPD-Leitantragsentwurf für den Bundesparteitag im Dezember hat eine wichtige Hürde genommen: Am 6. November gab das Parteipräsidium grünes Licht. Die „Modernisierungsagenda“ sieht unter anderem höhere Belastungen für „Reiche“ vor.
Die SPD-Chefin Saskia Esken weiß, dass Energiepreisbremsen mächtige Mittel sind.
Archivbild: Die SPD-Co-Parteichefin Saskia Esken hat den Entwurf des Leitantrags für umfassende Reformen in Deutschland am 6. November angenommen – wie der Rest des Parteipräsidiums.Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Von 7. November 2023

Das SPD-Präsidium hat am 6. November den Leitantragsentwurf für den Bundesparteitag im Dezember angenommen, auf dessen Grundlage Deutschland und seine Wirtschaft so schnell wie möglich „klimaneutral“ umgekrempelt werden sollen. Das berichtet unter anderem die „Badische Zeitung“ in ihrer Dienstagsausgabe.

Der gesamte 35-köpfige Parteivorstand soll seinen Segen zu dem 21-seitigen Entwurfspapier schon am 13. November geben.

SPD-Parteitag ab 8. Dezember

Zwischen dem 8. und 10. Dezember sollen dann die Delegierten des Bundesparteitags im Berliner Messegelände darüber abstimmen. Danach dürfte der Leitantrag einen großen Teil des SPD-Wahlprogramms für die Bundestagswahl 2025 ausmachen.

Der Entwurf wurde noch nicht publiziert. Dennoch waren Details über eine neue „Krisenabgabe“ für besonders Wohlhabende, eine „Zukunftsabgabe“, die Modernisierung der Schuldenbremse und über einen neuen „Deutschlandfonds“ bereits über Presseartikel an die Öffentlichkeit gelangt.

„Hauptziel ist, den Industriestandort zu stärken, Bildungschancen zu sichern und Vertrauen in den Staat zurückzugewinnen“, fasste beispielsweise das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) bereits im Vorfeld des Präsidiumstreffens das Entwurfspapier zusammen.

Union und FDP lehnen SPD-Ideen ab

Sollte es irgendwann wieder zu Gesprächen über eine „Große Koalition“ aus SPD und Union kommen, müsste die SPD wohl Kompromisse bezüglich der geplanten „Krisenabgabe“ und der Schuldenbremsenreform machen. Wie das „Handelsblatt“ (Bezahlschranke) berichtete, äußerte sich die CDU-Spitze nach Bekanntwerden der SPD-Pläne ablehnend dazu.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann habe die Ideen aus dem Leitantragsentwurf noch am 6. November als einen „Frontalangriff auf den Mittelstand in Deutschland“ kritisiert. Die „signifikante[n] Steuererhöhungen“ würden auch den Mittelstand zusätzlich belasten, der ohnehin schon „enorm unter Druck“ stehe.

Speziell die „Krisenabgabe“ erinnere ihn an den „Soli“: Auch dieser sei nach der Wende stets als „temporär“ beschrieben worden. Doch „den Soli gibt es immer noch“, so Linnemann. Der CDU-Generalsekretär erinnerte daran, dass „die Politik“ dadurch „Glaubwürdigkeit verspielt“ habe.

Carsten Linnemann sieht seine Partei vor «extrem wichtigen» Monaten.

CDU-Politiker Carsten Linnemann sieht in den SPD-Reformplänen für Deutschland einen „Frontalangriff auf den Mittelstand in Deutschland“. (Archivbild) Foto: Britta Pedersen/dpa

Frei: „Kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), und CSU-Generalsekretär Martin Huber hätten zudem eine „Aufweichung der Schuldenbremse“ klar verneint. „Deutschland hat, um das mal ganz pauschal zu sagen, insgesamt kein Einnahme-, sondern ein eklatantes Ausgabeproblem“, zitiert das „Handelsblatt“ Frei.

Der finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Christian Görke, bezeichnete den SPD-Vorstoß nach Informationen der „taz“ als „Wahlkampftaktik“. Dabei habe die SPD „mit einer wirklichen Umverteilung nicht viel am Hut“:

Kurz vor den Wahlen zum Beispiel in Ostdeutschland wird wieder kräftig links geblinkt, aber in Wahrheit nicht abgebogen.“

Die FDP und mit ihr Bundesfinanzminister Christian Lindner sind wie die Unionsopposition bislang strikt gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse. Außerdem lehnen die Liberalen in der Regierung Steuererhöhungen und zusätzliche Abgaben ab. Somit könnte demnächst auch innerhalb der Ampel wieder neuer Streit ins Haus stehen.

„Zukunftsabgabe“ statt Solidaritätszuschlag

Das Geld für die „Modernisierungsagenda“ der SPD soll nach den Vorstellungen der Partei mit einer Reihe von Reformen in die Haushaltskasse strömen. Denn obwohl die Steuereinnahmen in der Bundesrepublik – mit Ausnahme des ersten Corona-Jahres 2020 – seit Langem jedes Jahr stärker sprudeln, ist für die Transformationspläne von Scholz, Habeck, Lindner und Co. nicht wirklich genug da: Seit Monaten streitet die Ampelregierung um jenen geringen Spielraum, den der Haushalt 2024 womöglich noch zum Verteilen bieten könnte.

Mit einer „grundlegenden Einkommensteuerreform“ aus dem aktuellen Leitantragsentwurf soll der alte Solidaritätszuschlag nach den Vorstellungen der SPD weitergeführt und als „Zukunftsabgabe neu begründet“ werden, wie es in dem Papier heißt.

Trotz dieser Belastung sollen angeblich „etwa 95 Prozent“ der Bürger unterm Strich von der Einkommensteuerreform profitieren, wie der „Stern“ berichtet.

Zeitweise „Krisenabgabe“ für reichere Menschen geplant

Jene Bürger, die ohnehin „reichensteuerpflichtig“ seien, könne man zumindest zeitweise noch ein wenig stärker belasten, meinen die Führungskräfte der Sozialdemokraten: „Krisenabgabe“ soll das dann heißen. Diese solle aber nur „temporär“ erhoben werden, schreibt das RND.

Die sogenannte „Reichensteuer“ greift nach Informationen der „Badischen Zeitung“ ab „einem zu versteuernden Einkommen von 277.826 Euro oder der doppelten Summe bei Ehepaaren“. Von jedem Euro, der über diese Grenze hinaus auf dem Privatkonto landet, verlangt der Fiskus schon heute 45 Prozent.

Man werde auch „die Erbschafts- und Schenkungssteuer so reformieren, dass Multimillionäre und Milliardäre mehr zum Gemeinwohl beitragen“, verspricht die SPD-Spitze laut RND. Schließlich könnten diese die „Herausforderungen der Transformation aus eigenen Mitteln finanzieren“, heißt es laut „Stern“ im Entwurf.

Was dadurch zusätzlich in die Länderhaushalte fließen werde, solle für Bildungszwecke ausgegeben werden. „Die SPD schlägt dazu einen Deutschlandpakt Bildung vor“, schreibt das RND.

Jedes Jahr 100 Milliarden für neue Investitionen per „Deutschlandfonds“ einsammeln

Um auch sonst jedes Jahr genug Geld für Investitionen in den „klimaneutralen“ Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ausgeben zu können, will die SPD nach „Stern“-Angaben jährlich einen neuen „Deutschlandfonds“ einrichten.

In diesen Topf sollen nicht nur Kredite fließen, die von der öffentlichen Hand am Kapitalmarkt aufgenommen werden, sondern vor allem Einlagen von freiwilligen Investoren. Der „Deutschlandfonds“ soll ein Volumen von 100 Milliarden Euro haben. Über das Verzinsungsmodell ist noch nichts bekannt.

Schuldenbremse als „Standort- und Wohlstandsrisiko“

Die von der SPD traditionell ohnehin ungeliebte „Schuldenbremse“ gemäß Artikel 109 des Grundgesetzes soll als augenblickliches „Standort- und Wohlstandsrisiko“ gelockert werden: „Die Schuldenregeln müssten so geändert werden, dass mehr Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung möglich seien“, beschreibt das RND die Kernidee aus dem Entwurfspapier. Nach Informationen des „Stern“ soll bei der „Modernisierung“ eine „Konjunkturkomponente“ Einzug ins Gesetzeswerk halten: Diese solle „den Verschuldungsspielraum abhängig von Investitionen in die produktive Kapazität der Wirtschaft“ machen. Die SPD-Spitze meint:

Wer immer noch glaubt, dass der Markt alles regelt, schaut nicht genau hin oder ignoriert die Realitäten.“

Die SPD hoffe, die Union von diesem Vorhaben überzeugen zu können, berichtet das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“: Allein die Stimmen der drei Ampelparteien würden für eine Grundgesetzänderung ja nicht ausreichen. Dazu bedürfe es einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag.

Eine Million neue Arbeitsplätze anvisiert

Erklärtes Ziel der SPD sei es, mithilfe gesteigerter Einnahmen bis zum Jahr 2030 eine Million neue Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen, so der „Stern“. Auch für diese solle ein neuer Mindestlohn gelten. In welcher Höhe, dazu steht nach RND-Angaben noch nichts im Entwurfspapier. Klar sei lediglich, dass der „Vorschlag der [EU-]Mindestlohnkommission, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in den kommenden beiden Jahren in zwei Stufen um jeweils 41 Cent anzuheben“, aus Sicht der SPD „unfair und unangemessen“ sei. Die SPD wolle vielmehr erreichen, dass die Mindestlohnhöhe „politisch“ überprüft werde.

Außerdem wolle die Partei jene Gewerkschaften unterstützen, die sich für eine „Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich“ einsetzten. Auch hier sei im Entwurf noch nichts Konkretes festgeschrieben.

Um die Anzahl tariflich bezahlter Arbeitsplätze nach oben zu treiben, solle die öffentliche Hand ihre Aufträge „an die Kriterien Tarifbindung, Standortentwicklung, Beschäftigungssicherung und Qualifizierungsstrategien“ koppeln. In Deutschland würden derzeit noch nicht einmal die Hälfte aller Betriebe nach Tarif bezahlen, obwohl die EU-Mindestlohnrichtlinie eine Zielmarke von 80 Prozent anstrebe.

Kommt der Industriestrompreis doch?

Anders als Bundeskanzler Olaf Scholz würde die Partei-Doppelspitze Saskia Esken und Lars Klingbeil auch einen mit Steuermitteln subventionierten Industriestrompreis begrüßen – als eine „zeitlich befristete“ Maßnahme, „um Planungssicherheit für grüne Investitionen zu schaffen“, wie das RND aus dem Entwurf zitiert. Auf diese Weise unterstützte Unternehmen müssten sich im Gegenzug aber „zu effizienterem Energieeinsatz und klimaneutralem Umbau ihrer Anlagen verpflichten“.

Um „kleinere und mittlere Betriebe und Haushalte“ von höheren Strompreisen zu entlasten, wolle die SPD eine ganze „Palette von Maßnahmen“ treffen. Auch hier wurden Einzelheiten noch nicht veröffentlicht.



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