Internationale „Klimaschutzfinanzierung“ – Der „Wilde Westen des Finanzwesens“?

2023 sollen die Entwicklungsländer 100 Milliarden US-Dollar an Klimaschutzhilfen von den reicheren Industriestaaten erhalten. Doch ein zweckgebundener Kontrollstandard ist international nicht vorhanden. Auch ein Flughafen, ein Küstenhotel und ein Kohlekraftwerk wurden so finanziert.
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Die Bundesregierung hat zwischen 2015 und 2020 rund 41,3 Milliarden Euro Klimaschutzentwicklungshilfe für das Ausland gezahlt. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will die Anstrengungen intensivieren.Foto: iStock
Von 21. Juni 2023


Die Bundesregierung gibt seit Jahrzehnten Unsummen für „Klimaschutz“ aus, also für Projekte, die den CO₂-Ausstoß weiter drosseln sollen – Stichworte: Erneuerbare, Energiewende, Wärmewende, Heizungsgesetz, Verbrenner-Aus. Doch der Ehrgeiz erstreckt sich nicht nur auf das Territorium der BRD: Auch der Rest der Welt soll, finanziert vom Geld der deutschen Steuerzahler, mehr tun, um die Welt vor steigenden Temperaturen zu bewahren oder wenigstens die Folgen abpuffern zu können.

Wie ein „Sonderbericht“ der Nachrichtenagentur „Thomson-Reuters“ kürzlich ans Licht gebracht hat, stellte die Bundesregierung dafür allein in den Jahren 2015 bis 2020 anderen Staaten rund 45,1 Milliarden US-Dollar (derzeit circa 41,3 Milliarden Euro) bereit. Insgesamt seien in diesen sechs Jahren international gut 182 Milliarden zusammen gekommen. Deutschland stemmte somit rund ein Viertel der Klimaschutzentwicklungshilfe. Nur Japan steckte mit 58,8 Milliarden Dollar noch mehr Geld ins Ausland. Die USA dafür nur 9,46 Milliarden.

Keine gemeinsamen Standards

Das bislang vielfach unbeachtete Problem: Was die einzelnen „Regierungen, Hilfsgruppen oder andere[n] Organisationen für klimabezogene Projekte in Entwicklungsländern“ letztlich mit den Klimaschutzgeldern anstellen, unterliegt keinen internationalen Kontrollen. „Obwohl einige Organisationen ihre eigenen Standards entwickelt haben, hat das Fehlen eines einheitlichen Systems der Rechenschaftspflicht es den Ländern ermöglicht, ihre eigenen Standards festzulegen“, stellt „Reuters“ fest. Man habe bislang keine eindeutigen „offiziellen Richtlinien“ oder „Rechnungslegungsstandards“ vereinbart, „welche Aktivitäten als Klimafinanzierung gelten“ könnten oder sollten.

Nach Angaben des zentralen UN-Klimasekretariats sei es „Sache der Länder“, zu entscheiden, „ob sie einheitliche Standards einführen“. Die entwickelten Länder hätten sich aber „dagegen gewehrt“. Auch die Nehmerländer besäßen nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015 (PDF) das Recht, ihren jeweils individuellen Kurs einzuschlagen, was die Bewältigung der mutmaßlichen Klimawandelfolgen angehe.

Mark Joven, ein Unterstaatssekretär des philippinischen Finanzministeriums, habe den Status quo noch klarer auf den Punkt gebracht: „Im Grunde gilt alles, was sie Klimafinanzierung nennen, als Klimafinanzierung“, so Joven. „Das ist der wilde Westen des Finanzwesens.“

Fragwürdige Projekte

„Reuters“ nennt einige Beispiele für das, was bestimmte Staaten unter dem Stichwort „Klimafinanzierung“ beim UN-Klimasekretariat angemeldet hatten.

  • Deutschland beispielsweise habe 54 Millionen US-Dollar für das Programm „Migration für Entwicklung“ bereitgestellt. Das Geld soll an rückkehrwillige Zuwanderer gehen – als „wirtschaftliche und soziale“ Unterstützung bei der Heimreise (PDF). Ein Sprecher des Entwicklungsministeriums habe die Klassifizierung bereits als Fehler eingeräumt und Besserung versprochen.
  • Japan habe im Rahmen seiner internationalen Klimaschutzprogramme unter anderem ein neues Kohlekraftwerk in Bangladesch („Matarbari Ultra Super Critical Coal-Fired Power Project“) mit einem 347-Millionen-Kredit ausgestattet (PDF) und später sogar mit einem 1,3-Milliarden-Kredit (PDF) versorgt. Auch die Erweiterung des Flughafens Borg El Arab in Ägypten habe Tokio entsprechend unterstützt. Das „konzessionäre Darlehen“ dafür habe 167,3 Millionen US-Dollar betragen. Sogar 1,7 Milliarden Dollar an Kredit habe Japan für das Kohlekraftwerk Tanjung Jati B in Indonesien gewährt (PDF).
  • Die USA hätten „ein Darlehen für die Erweiterung eines Küstenhotels in Haiti“ in Höhe von 19,5 Millionen Dollar angeboten – ebenfalls als ein Projekt der „Klimafinanzierung“ (PDF).
  • Italien habe mit Klimaschutzmitteln einen Unternehmer mit 4,7 Millionen US-Dollar dabei unterstützt, „Schokoladen- und Gelato-Läden in ganz Asien“ zu eröffnen (PDF). Außerdem habe Rom das afrikanische „Women Entrepreneurship Development Program“ (WEDP) mit einem günstigen 50-Millionen-Dollar-Darlehen ausgestattet (PDF).
  • Belgien habe den Spielfilm „La Tierra Roja“ mit 8.226 US-Dollar aus seinem Klimafinanzierungstopf bezuschusst, der eine Liebesgeschichte im argentinischen Regenwald erzählt (PDF).

Zudem hätten einige Länder, darunter Frankreich, bestimmte Projektförderungen als „Klimafinanzierung“ klassifiziert und angemeldet, obwohl die Vorhaben letztlich nie realisiert worden seien, zum Beispiel die einst geplante Modernisierung eines U-Bahn-Systems in Mexiko oder ein Update für eine kenianische Hafenanlage. Die Mittel seien mangels Projektstart nie geflossen.

Dutzende weitere, zumindest zweifelhafte Projekte listet „Reuters“ auf seiner englischsprachigen Website auf. Wegen der „mangelnde[n] Transparenz des Systems“ sei es aber ein Ding der Unmöglichkeit, genaue Angaben darüber zu machen, „wie viel Geld für Bemühungen verwendet wird, die tatsächlich zur Reduzierung der globalen Erwärmung und ihrer Auswirkungen beitragen“. Selbst Gaia Larsen, die „Direktorin für den Zugang zu Klimafinanzierung beim World Resources Institute“, habe von mutmaßlichem „Greenwashing“ gesprochen. Sanktionen sind nicht vorgesehen.

Der Geist von Kopenhagen

Dass die 35 „wohlhabenden Nationen“ des Planeten Entwicklungsländer mit Zuschüssen, Darlehen, Anleihen, Kapitalbeteiligungen oder anderen Geldflüssen auch im Rahmen der Klimapolitik unterstützen sollen, war laut „Reuters“ auf dem UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen beschlossen worden. Demnach sollten seit 2020 für fünf Jahre jeweils 100 Milliarden US-Dollar zwischen den Geber- und Nehmerländern fließen. Danach wolle die internationale Gemeinschaft neu verhandeln. 2015 sei der Grundgedanke mit dem Pariser Abkommen bekräftigt worden. Das Geld sollte für „Projekte“ zur Emissionsreduktion oder zur Bewältigung der Folgen des „Klimawandels“ dienen. Zahlen sollten Staatshaushalte, aber auch „staatsnahe Institutionen“, „multilaterale Entwicklungsbanken“ oder der Privatsektor.

2016 hätten „Regierungen aus 38 entwickelten Ländern und der Europäischen Union“ nach einer genaueren Strategie dafür gesucht. Doch die Verhandlungsführer hätten weder die Arten von Projekten definiert, die in diese Kategorien fielen, noch hätten sie einen gemeinsamen Rechnungslegungsstandard für die Berichterstattung über Beiträge festgelegt, schreibt „Reuters“.

Auf der kommenden Weltklimakonferenz, die als „COP28“ vom 30. November bis zum 12. Dezember in Dubai stattfinden soll, soll es einen neuen Anlauf geben, um verbindliche Regeln für die internationalen Klimaschutzfinanzierungen festzuzurren. Schon bei der „COP27“ im ägyptischen Scharm el-Scheich habe das Thema „ganz oben auf der Tagesordnung“ gestanden, so „Reuters“.

Bundesregierung will mindestens sechs Milliarden Euro jährlich geben

Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hatte die Bundesregierung die Unterstützungsleistungen für internationale Klimaschutzprojekte aus Haushaltsmitteln zwischen 2005 und 2020 „mehr als verzehnfacht“. Allein 2021 seien rund 8,1 Milliarden Euro zugesagt worden, darunter 4,54 Milliarden aus dem BMZ-Haushalt. Der Rest sei aus dem Bankensektor gekommen, vor allem aus der KfW-Bankengruppe.

Die genauen Zahlen für das Jahr 2022 stehen noch nicht fest. Für 2023 hofft Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), mithilfe der übrigen Zahlernationen das 100-Milliarden-Ziel von Kopenhagen endlich zu erreichen, wie sie beim Petersberger Klimadialog schon am 2. Mai 2023 in Berlin verkündet hatte. Auf mindestens sechs Milliarden Euro solle der deutsche Beitrag zur „internationalen Klimafinanzierung“ bis spätestens 2025 steigen. Da aber in Wahrheit „mehrere Billionen“ gebraucht würden, gehe es nun auch darum, „massiv private Mittel zu mobilisieren“, so Baerbock. Denn die „Klimakrise“ sei „die größte Sicherheitsherausforderung unserer Zeit“.

Deutsche Entwicklungshilfe

Abgesehen von Hilfsgeldern für den „Klimawandel“ müssen die Steuererwirtschafter in Deutschland jedes Jahr weitere Milliarden für die allgemeine Entwicklungshilfe in fremden Ländern aufbringen.

Nach den jüngst veröffentlichen Daten des Bundesamts für Statistik betrugen die Nettozahlungen dafür im Jahr 2021 „nach vorläufigen Angaben rund 27,26 Milliarden Euro“. Die am reichsten bedachten Empfängerländer waren 2020 Syrien (781,4 Millionen Euro), Indien (579,1 Millionen Euro) und China (473,4 Millionen Euro). Neuere Daten liegen noch nicht vor.

50 Milliarden Euro Subventionen für deutsche Industrie

Für die heimische Industrie hat die Bundesregierung erst vor wenigen Tagen ein 50-Milliarden-Euro-Programm für die kommenden 15 Jahre ins Leben gerufen. Die Subventionen aus dem „Klima- und Transformationsfonds“ sollen helfen, dem „angeschlagenen Industriesektor bei der Finanzierung einer Umstellung auf CO₂-neutrale Produktionstechniken zu helfen“, so „Reuters“. Einzelheiten müssten „noch ausgearbeitet“ werden.

Nach einer Umfrage des Branchenverbands BDI seien derzeit 16 Prozent der befragten Unternehmen dabei, „Teile ihrer Produktion aktiv ins Ausland zu verlagern“, schreibt „Reuters“. „Weitere 30 Prozent“ würden dies erwägen.



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