Vier bis acht Monate pro Jahr: Wird Energieknappheit bald zur Gewohnheit?

Wind und Sonne schwanken nicht nur von Tag zu Tag oder nach den Jahreszeiten, sondern auch in mehrjährigen Zyklen. Laut texanischen Forschern bedeute das, dass zusätzliche Energiequellen für die Energiewende benötigt werden. Sonst drohe uns bald eine jährliche, mehrmonatige Energieknappheit.
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Windräder.Foto: iStock
Von 1. Mai 2022

Die Preise für erneuerbare Energien sind in den letzten zehn Jahren um mehr als 70 Prozent gesunken. Dies veranlasst immer mehr Amerikaner dazu, fossile Brennstoffe zugunsten umweltfreundlicherer, weniger umweltbelastender Energiequellen aufzugeben. Da sie sich insbesondere der Wind- und Solarenergie zuwenden, müsse jedoch mit großen Schwankungen bei der Verfügbarkeit gerechnet werden.

Diese Warnung kommt von Upmanu Lall, einem Professor an der Columbia Engineering und der Columbia Climate School. Prof. Lall wechselte kürzlich seinen Fokus von der nachhaltigen Wassernutzung zu nachhaltiger erneuerbarer Energie für eine CO2-Neutralität.

„Konstrukteure von Systemen für erneuerbare Energien müssen auf die sich über Wochen, Monate und Jahre verändernden Wind- und Sonnenmuster achten“, sagte Prof. Lall in einer Pressemitteilung. „Solche Schwankungen lassen sich mit Batterien nicht bewältigen. Sie werden mehr Kapazität brauchen.“

Selbst im besten Staat gehen die Lichter aus

In ihrer jüngsten Arbeit zeigen Prof. Lall und Kollegen, dass das Solar- und Windpotenzial über Tage und Wochen stark schwankt. Noch extremer sei dies dagegen, wenn man ganze Monate oder Jahre betrachte.

Für ihre Studie konzentrierten sie sich ausschließlich auf den Bundesstaat Texas. Dieser ist USA-weit der führende Stromerzeuger für Windkraft und der fünftgrößte Solarstromproduzent. Zudem verfügt Texas über ein in sich geschlossenes Stromnetz, das so groß ist wie das vieler anderer Länder der Erde, so Prof. Lall. Dies mache den US-Südstaat zu einem idealen Labor, um die Chancen und Risiken von erneuerbaren Energiesystemen zu untersuchen.

Auch der sonnenreiche US-Staat Texas entkommt der Energieknappheit nicht

Eine 150 Hektar große Solarfarm des Betreibers RES Americas im texanischen Dorf Webberville. Foto: iStock

Auf der Grundlage von Wind- und Solarenergiedaten der letzten 70 Jahre erstellten die Forscher ein Modell zur Vorhersage der Wahrscheinlichkeit einer netzweiten Energie-„Dürre“, wenn die tägliche Produktion erneuerbarer Energien unter einen bestimmten Schwellenwert fällt. Das Ergebnis: Wenn die Erneuerbaren durchschnittlich jeden dritten Tag geringe Leistung erbringen, könnte Texas bis zu vier Monate lang mit einer täglichen Energiedürre konfrontiert sein.

Stromspeicher wären dann nicht in der Lage, eine Energieknappheit dieser Größenordnung auszugleichen, so Prof. Lall. Würde sich die Energieversorgung sogar nur auf die Solarenergie stützen, könnte die Dürre doppelt so lange, also acht Monate dauern. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Energieplaner alternative Möglichkeiten zur Speicherung oder Erzeugung von Strom in Betracht ziehen müssen. Anderenfalls muss die Kapazität ihrer erneuerbaren Systeme drastisch erhöht werden“, schlussfolgert Prof. Lall.

Erneuerbare Energien brauchen Hilfe

Alles begann vor sechs Jahren, als Prof. Lall und sein damaliger Doktorand David Farnham die Wind- und Sonnenschwankungen an acht US-Flughäfen untersuchten. Hier sind Wetteraufzeichnungen in der Regel länger und detaillierter, weshalb Flughäfen perfekte Untersuchungsziele seien. Die beiden Forscher wollten herausfinden, wie groß die Schwankungen in einem idealisierten Netz mit 100 Prozent erneuerbaren Energien sein könnten.

Die Ergebnisse, die Farnham in seiner Dissertation veröffentlichte, waren keine Überraschung. So stellten sie fest, dass das Solar- und Windpotenzial ebenso wie die Niederschlagsmenge je nach Jahreszeit und Standort stark schwanken. In acht Städten wich das Potenzial für erneuerbare Energien zu bestimmten Jahreszeiten um bis zu ein Drittel vom langfristigen Durchschnitt ab.

„Wir haben den Begriff ‚Energiedürre‘ geprägt, da ein 10-Jahres-Zyklus mit einer derartigen Abweichung vom langfristigen Durchschnitt als große Dürre angesehen werden würde“, so Prof. Lall. „Das war der Beginn der Arbeit über Energieknappheit.“

In der aktuellen Studie hat sich Prof. Lall auf Texas konzentriert, das sowohl mit Sonne als auch mit Wind reichlich ausgestattet ist. Den Ergebnissen zufolge können anhaltende Dürreperioden im Bereich der erneuerbaren Energien bis zu einem Jahr andauern. Dies sei selbst dann der Fall, wenn Solar- und Windgeneratoren über den gesamten Bundesstaat verteilt seien. Die Schlussfolgerung: Erneuerbare haben ein Speicherproblem, das realistischerweise nur durch den Ausbau zusätzlicher Kapazitäten oder Energiequellen gelöst werden kann.

Eine Ölpumpe vor einem riesigen Windradpark nahe des Highways im US-Bundesstaat Texas. Foto: iStock

„In einer Welt, in der ausschließlich erneuerbare Energien zum Einsatz kommen, müssten wir Kernbrennstoffe oder Wasserstoff entwickeln. Außerdem müssen wir Kohlenstoffrecycling betreiben oder viel mehr Kapazitäten für die Erzeugung erneuerbarer Energien schaffen. Nur dann können wir die Verbrennung fossiler Brennstoffe vermeiden“, so Prof. Lall.

Bei Energieknappheit gibt es keine Notreserve zum Anzapfen

In regenarmen Zeiten sorgen Wassermanager dafür, dass frisches Wasser durch den Hahn fließt, indem sie kommunale Speicher oder unterirdische Wasserläufe anzapfen. Solar- und Windenergiesysteme haben kein vergleichbares Reservoir.

Die Batterien, mit denen überschüssige Energie an ertragreichen Tagen gespeichert wird, halten die Ladung nur für wenige Stunden, höchstens für einige Tage. Wasserkraftwerke bieten zwar einen potenziellen Puffer, so Prof. Lall, aber nicht lange genug, um das Stromnetz über eine längere Dürreperiode zu versorgen.

„Wir werden das Problem nicht lösen, indem wir das Netz ausbauen“, sagte er. „Die Stromnetzbetreiber streben eine Zuverlässigkeit von 99,99 Prozent an, Wassermanager eine Zuverlässigkeit von 90 Prozent. Sie können sich vorstellen, was für eine Herausforderung das für die Energiewirtschaft sein wird und wie wertvoll saisonale und längere Vorhersagen sein könnten.“

In der nächsten Forschungsphase wird Prof. Lall mit den Ingenieuren Prof. Vijay Modi und Prof. Bolun Xu zusammenarbeiten, um herauszufinden, ob sie sowohl Energieknappheit als auch -überschuss vorhersagen können. Mit diesen Prognosen hoffen sie, den Anstieg und Fall der Energiepreise vorhersagen zu können.

Die Studie erschien am 11. März 2022 in der Fachzeitschrift „Patterns“.

Klassische Windmühle auf einem Feld in Texas (USA) bei Sonnenuntergang. Foto: iStock

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 42, vom 30. April 2022.



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