Das Lieferkettengesetz im Praxistest – Wirbel um Zertifizierung der Rainforest Alliance

Die Menschenrechtsorganisation Oxfam prangert die Arbeitsbedingungen auf Bananenplantagen in Ecuador und Costa Rica an und macht Druck auf deutsche Supermärkte, wo die Bananen in den Regalen landen.
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Laut Oxfam sind selbst auf Plantagen, die mit dem weit verbreiteten Nachhaltigkeitssiegel der Rainforest Alliance – erkennbar am grünen Frosch – zertifiziert wurden, die Zustände katastrophal.Foto: Patrick Pleul/dpa
Von 9. November 2023

Missachtung von Arbeits- und Gesundheitsschutz, Ausbeutung, Kinderarbeit. Das sind nur einige Aspekte, die seit diesem Jahr mehr Beachtung finden. Denn seit dem 1. Januar 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettengesetz, das den gesamten Prozess des Unternehmens von der Gewinnung der Rohstoffe über die Herstellung von Waren bis zu Dienstleistungen im In- und Ausland umfasst. Verstöße können Bußgelder nach sich ziehen, die je nach Umsatz bis zu acht Millionen Euro betragen können. Außerdem droht dem Unternehmen der Ausschluss bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen.

Ob das Lieferkettengesetz in seiner aktuellen Form überhaupt praxistauglich ist, ist noch offen. Erste Verfahren laufen bereits. Die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR, Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) hat sich mit Beschwerden an das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gewandt. Darin ging es unter anderem um „Arbeit im giftigen Pestizidnebel, Hungerlöhne und die Niederschlagung von Gewerkschaften“ in Amerika.

Was haben Menschenrechtsverletzungen in Amerika mit Deutschland zu tun?

Immer wieder hat Oxfam, ein internationaler Verbund verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, Menschenrechtsverletzungen auf Bananenplantagen in Ecuador und Costa Rica aufgedeckt, zuletzt in diesem Sommer. Davon betroffen sind auch deutsche Supermärkte, die mit den Waren beliefert werden, namentlich Aldi, Lidl, Edeka und Rewe.

„Die einkaufenden deutschen Supermärkte profitieren nicht nur von den niedrig gehaltenen Löhnen und der laschen Durchsetzung des Arbeitsschutzes in Ecuador, sondern tragen insbesondere durch massiven Preisdruck aktiv zur Ausbeutung der Arbeiter bei“, lautet der Vorwurf.

Arbeiter berichteten laut ECCHR von Hungerlöhnen zum Teil weit unter dem Mindestlohn. Sie müssten auf den Plantagen bleiben, während die Pestizidflugzeuge ihr Gift sprühen oder würden danach viel zu schnell wieder zur Arbeit zurückgeschickt.

Es wurde auch davon gesprochen, dass Gewerkschaftsmitglieder brutal drangsaliert oder unter fadenscheinigen Vorwänden entlassen würden. Didier Leiton, Gewerkschaftsführer der costa-ricanischen Gewerkschaft SITRAP, berichtete: „Gewerkschaften werden systematisch unterdrückt. Das ureigenste Gewerkschaftsrecht, das Recht auf Tarifverhandlungen, können wir nicht wahrnehmen.“

Beschwerde gegen Rewe und Edeka eingereicht

Wie ECCHR berichtete, zeigten sich Aldi und Lidl nach den Vorwürfen verhandlungsbereit und nahmen direkten Kontakt zur Gewerkschaft in Costa Rica auf. Rewe und Edeka hätten hingegen weiterhin auf Zertifizierungen und Siegel hingewiesen, ohne betroffene Arbeiter angemessen einzubeziehen.

Recherchen der Organisation Oxfam hätten jedoch gezeigt, dass viele „vermeintlich unabhängige Kontrollen“ für Siegel manipuliert würden. Plantagenbesitzer würden vorher genau auswählen, welche Arbeiter befragt werden und was sie sagen dürfen – „nur Gutes natürlich“, kritisiert das ECCHR unter Verweis auf die Ermittlungen durch Oxfam.

Am 2. November hat die ecuadorianische Gewerkschaft für Bananenarbeiter ASTAC mit Unterstützung von dem bischöflichen Hilfswerk Misereor, Oxfam und ECCHR gegen Edeka und Rewe Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht. Aus Angst vor Repressalien wollen die betroffenen Arbeiter anonym bleiben.

„Seit Jahren fordern wir, dass Leid und Ausbeutung keine Zutaten in unserem Essen sein dürfen“, erklärte Franziska Humbert, Rechtsanwältin und Leiterin des Bereichs Gerechtes Wirtschaften bei Oxfam.

Zertifizierung nach Beschwerde entzogen

Epoch Times fragte bei den betroffenen Supermärkten Rewe und Edeka nach. Während Edeka sich in Schweigen hüllte und nicht auf eine Anfrage antwortete, weist Rewe die Vorwürfe von Oxfam entschieden zurück.

„Die Rewe Group hat gemeinsam mit ihren Lieferanten bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen und steht dazu auch mit Oxfam im Austausch. Wir möchten betonen, dass dieser Austausch von unserer Seite auf freiwilliger und stets kooperativer Basis erfolgt ist“, erklärte Pressesprecher Thomas Bonrath.

Unmittelbar nach dem Erhalt der Beschwerde habe das Unternehmen reagiert und sich mit der Rainforst Alliance in Verbindung gesetzt, durch die eine Zertifizierung von nachhaltigen Produkten durch das Gütesiegel mit dem Frosch erfolgt war.  Die Rainforest Alliance hat laut Rewe eine unangekündigte Prüfung bei dem Betrieb Otisgraf SA durchgeführt – einem Zulieferer, mit dem Rewe keine direkte Geschäftsbeziehung unterhält. Über 30 Mitarbeiter der Farm seien befragt worden. Außerdem habe ein Austausch zwischen Rewe, der Rainforest Alliance, Oxfam und der Gewerkschaft ASTAC stattgefunden.

Nach der Prüfung wurde der Otisgraf SA die Zertifizierung entzogen, sodass Rewe nun über ihren unmittelbaren Zulieferer von dort keine Waren mehr erhält.

Rewe: Nationales Gesetz reicht nicht aus

Wie Rewe mitteilt, führt das Unternehmen selbst derzeit eine Analyse seiner Bananenlieferketten durch. „Unser Ziel ist es, durch einen strukturellen Veränderungsprozess zu einer fairen, sozialen, ökologischen und zukunftssichernden Bananenproduktion beizutragen“, so der Rewe-Pressesprecher.

Für Rewe sei klar: „Menschenrechte sind nicht verhandelbar.“ Schließlich beziehe der Konzern täglich eine Vielzahl an Produkten über Lieferketten aus der ganzen Welt und nehme seine Verantwortung für die Arbeitsbedingungen vor Ort vom Rohstoffanbau bis zur Verarbeitung ernst.

„Eine rein nationale Gesetzgebung – wie es derzeit der Fall ist – reicht nicht aus“, gibt Rewe gleichzeitig zu bedenken. Stattdessen wünscht sich das Unternehmen eine zumindest europäische Harmonisierung oder noch besser eine internationale Lösung, die alle Akteure entlang der Lieferketten, vor allem aber auch die jeweiligen Ursprungsländer kritischer Rohstoffe mit ihren nationalen Gesetzen verbindlich einbezieht.

Für Jorge Acosta, Generalkoordinator der ecuadorianischen Gewerkschaft, hingegen steht fest:

Die Beschwerden zeigen die Ineffizienz der Zertifikate, die jahrelang die Menschenrechtsverletzungen auf den Plantagen nicht aufgedeckt haben. Das Lieferkettengesetz sollte daher die Rolle der Gewerkschaften ins Zentrum stellen. Sie sind die einzigen, die die Einhaltung der Arbeitsrechte garantieren können.“



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