Industriestandort Deutschland: Autoindustrie und Maschinenbau besonders unzufrieden

Die Wirtschaftsberatung Deloitte präsentiert düstere Zahlen für den Industriestandort Deutschland. Zwei Drittel der befragten Unternehmen seien zum Teil bereits ins Ausland abgewandert. Die Befragten fordern keine Subventionen, sondern einen grundlegenden Wandel.
Ein Mitarbeiter eines Herstellers von Ventilatoren und Elektromotoren montiert einen Lüfter.
Der Industriestandort Deutschland hat schon bessere Tage gesehen. Symbolbild.Foto: picture alliance / Daniel Maurer/dpa
Von 14. November 2023

Was zuletzt die Wirtschaftsweisen angedeutet hatten, bestätigt nun auch eine Untersuchung der Wirtschaftsberatung Deloitte: Der Industriestandort Deutschland wird immer unattraktiver. Dies hat zur Folge, dass immer mehr Unternehmen darüber nachdenken, weite Teile ihrer Wertschöpfungskette ins Ausland zu verlagern. 67 Prozent der Befragten haben damit sogar schon begonnen.

Fast die Hälfte der Befragten rechnet mit weiterem Niedergang des Industriestandorts

In der am Dienstag, 14. November, vorgelegten Studie heißt es, dass vor allem der Maschinenbau und die Automobilbranche nicht von einer Besserung ausgehen. In diesen Branchen rechnen 65 Prozent der Befragten mit einem weiteren Attraktivitätsverlust des Standorts Deutschland – zwei Drittel davon sogar mit einer deutlichen Verschlechterung.

Insgesamt rechnen 45 Prozent der befragten Lieferketten-Verantwortlichen damit, dass Deutschland als Industriestandort gegenüber anderen Ländern noch weiter an Boden verliert. Dies gelte für den Standortwettbewerb mit den USA oder Asien, aber auch mit Blick auf andere EU-Länder.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte Deloitte im September 108 Entscheidungsträger befragt. Von diesen waren 83 Prozent mit der Lieferkette großer Unternehmen betraut. Dazu kamen noch 17 Prozent Mittelständler.

Hohe Preise treffen auf noch größeren politischen Belastungseifer

In Chemie, Bauwesen, Transport und Logistik geht eine relative Mehrheit von 46 Prozent von einer gleichbleibenden Attraktivität des Industriestandorts Deutschland aus. Ein Ruhmesblatt dürfte auch dies nicht darstellen, denn auch diese Branchen sind bereits seit Längerem durch die Krisen und die Preisentwicklung in Mitleidenschaft gezogen.

Bereits im Juli hatte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) seine Prognose für das laufende Jahr deutlich gesenkt. Die Rede war von einem Rückgang der Produktion in der Chemie- und Pharmabranche um acht Prozent gemessen am Vorjahr. Immer mehr Unternehmen hätten den „Glauben an den Standort Deutschland verloren“, hieß es damals.

Das Bauwesen stöhnt unter hohen Preisen für Energie und Material, dazu kommen höhere Zinsen und die zunehmende Zögerlichkeit potenzieller Bauherren. Dabei spielt auch die Unberechenbarkeit der Folgekosten infolge von Sanierungs- und Effizienzvorschriften durch die Politik eine Rolle. Transport und Logistik müssen wiederum mit Mehrbelastungen durch Lkw-Maut und höhere CO₂-Preise rechnen. In diesen Branchen rechnen nur 20 Prozent mit einer Verbesserung.

Zunehmend verlassen auch Vormontage und Produktion den Industriestandort

Bereits jetzt haben 67 Prozent der befragten Unternehmen Teile ihrer Wertschöpfungskette ins Ausland verlegt. Bis dato betreffe dies vorwiegend die Bauteilfertigung. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass künftig auch „hochwertigere Wertschöpfungsteile“ wie die Vormontage oder die Produktion selbst abwandern. Lediglich Leitungsetagen, Marketing, Vertrieb, Einkauf, Forschung oder begleitende Dienstleistungen sind verhältnismäßig standortgebunden.

Als Hauptgründe für die abnehmende Attraktivität des Industriestandorts Deutschland nennen 59 Prozent der Befragten die Energiekosten. Aber auch niedrigere Lohnkosten (53 Prozent), ein besseres Marktumfeld (51 Prozent) und weniger Bürokratie (50 Prozent) sprächen für ausländische Standorte.

Maschinenbau und Autoindustrie sehen Asien und die USA als bevorzugte Verlagerungsziele. Diese Standorte spielen auch für andere Branchen eine Rolle. Dort aber werden auch EU-Länder wie Polen, Rumänien oder Tschechien als mögliche alternative Industriestandorte genannt.

Unternehmen wollen systemische Veränderungen statt Subventionen

Aus der Politik kamen jüngst vermehrt Rufe nach einem subventionierten Industriestrompreis – zumindest für eine begrenzte Zeit. Dieser solle den Standortnachteil hoher Energiekosten ausgleichen.

In der Industrie selbst legt man auf Subventionen jedoch keinen entscheidenden Wert. Zwar meinen 36 Prozent, Deutschland solle hier aktiver werden. Insgesamt ist sich jedoch eine Mehrheit der Befragten darüber im Klaren, dass die USA oder China in einem Subventionswettlauf die besseren Karten hätten.

Entsprechend fordern die befragten Entscheidungsträger mehrheitlich systemische Schwerpunkte zur Verbesserung des Industriestandortes. In diesem Zusammenhang nennt man vor allem Bürokratieabbau, wettbewerbsfähige Energiepreise sowie Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung.

(Mit Material von AFP)



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