Nachfrage teils „auf null“: E-Auto-Geschäft von VW in Europa bricht ein

Ist es die gesunkene staatliche Förderung oder weniger Interesse an E-Autos? Fest steht, dass Volkswagen in Europa seine Elektromodelle längst nicht so gut an die Kunden bekommt wie erhofft. Die Auftragseingänge gehen stark zurück.
Ein Volkswagen Elektrobus ID.Buzz in der Autostadt am Volkswagen Stammwerk.
Ein Volkswagen Elektrobus ID.Buzz am Volkswagen Stammwerk. Das Absatzziel für dieses Jahr dürfte VW in diesem Jahr deutlich verfehlen.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 12. Juli 2023

Bei der Elektromobilität hat der Automobilhersteller Volkswagen ehrgeizige Ziele: Im Jahr 2030 sollen mindestens 80 Prozent aller in Europa ausgelieferten VW-Fahrzeuge vollelektrisch sein. Weitere drei Jahre später dann jeder Neuwagen mit VW-Logo. Der Konzern muss hier also ordentlich Gas – oder besser gesagt Strom – geben, da der Anteil reiner Stromer von VW-Pkw im vergangenen Jahr bei etwas mehr als zehn Prozent lag.

Allerdings kämpfen die Elektrofahrzeuge des deutschen Autobauers derzeit mit Gegenwind – im Privatkundensegment läuft es nicht rund. Die Auftragseingänge in Deutschland lägen deutlich unter dem geplanten Jahresziel, berichtet ein Insider aus Händlerkreisen dem „Handelsblatt“.

„Allgemeine Kaufzurückhaltung bei E-Autos“

Das betreffe alle batterieelektrischen Modelle von Volkswagen, also ID.3, ID.4, ID.5 und ID.Buzz. Eine Sprecherin von VW bestätigte, dass das Unternehmen zurzeit „ebenso wie andere Automobilhersteller eine allgemeine Kaufzurückhaltung bei Elektroautos“ spüre.

Das bedeutet, dass Zehntausende gebaute Neuwagen keine Abnehmer finden. Laut Zahlen des Datendienstleisters Marklines hat Volkswagen zwischen Januar und Mai dieses Jahres in Europa 97.000 ID-Elektrofahrzeuge gebaut, jedoch wurden lediglich 73.000 verkauft. Momentan seien die VW-Werke noch damit beschäftigt, offene Auftragsbestände abzuarbeiten und auszuliefern, berichtet „Merkur“.

Neuwagen des Typs ID.3 und ID.4 stehen auf einem Parkplatz im Zwickauer Volkswagen-Werk.

Neuwagen des Typs ID.3 und ID.4 stehen auf einem Parkplatz im Zwickauer Volkswagen-Werk. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Derzeit lebt VW in Europa von seinem hohen Auftragsbestand. Dieser lag zu Jahresanfang bei etwa 650.000 Fahrzeugen. Allerdings schmelzen die vorhandenen Bestellungen offenbar schneller dahin als geplant. Gleichzeitig kommen zu wenige neue Aufträge herein – vor allem im Elektrosegment.

Dramatischer Einbruch der Nachfrage

Bei einigen E-Modellen sei die Nachfrage teilweise „auf null“ gefallen, berichten Führungskräfte von betroffenen Werken. Durch den noch hohen Auftragsbestand konnte VW in Deutschland laut Kraftfahrt-Bundesamt im ersten Halbjahr 2023 gut 16 Prozent mehr Autos neu zulassen als im Vorjahreszeitraum. Allein das Geschäft mit Großkunden mache etwa 60 Prozent der Gesamtumsätze aus.

Bei manchen Modellen überstieg das Angebot die Nachfrage in Europa zwischen Januar und Mai deutlich. Große Absatzprobleme erlebt hingegen der Elektrobus ID.Buzz.

Die ursprüngliche Zielmarke von rund 44.000 Fahrzeugen für dieses Jahr dürfte der Konzern klar verfehlen. Denn zwischen Januar und Mai produzierte VW lediglich rund 9.000 Einheiten, wovon 5.577 in Europa zugelassen wurden. Die Nachfrage nach dem herkömmlichen Verbrenner-Bulli T6.1 ist hingegen aktuell sehr hoch.

Gegen den Kauf eines Stromers sprechen laut „Ecomento“ besonders drei Gründe: zu hoher Preis, fehlende öffentliche Ladeinfrastrukturen und eine zu geringe Reichweite.

Tesla größte VW-Konkurrenz in Deutschland

Im Kampf um den Spitzenplatz im deutschen Elektroautomarkt hatte Tesla im ersten Halbjahr erneut die Nase vorn. Die bisherige Entwicklung zeigt aber, dass VW aufholt. Laut Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes wurden hierzulande von Januar bis Juni 36.400 Teslas und 34.400 reine Stromer der Marke VW neu zugelassen.

Im zweiten Halbjahr könnte sich der Kampf um den Absatz weiter verschärfen und Stromer deutlich billiger machen, wie Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt.

Tesla hatte VW im zweiten Halbjahr 2022 die deutsche Elektroautokrone abgejagt. Nun verteidigte das Unternehmen von Elon Musk den Spitzenplatz.

Der Vorsprung schrumpfte allerdings von 7.400 auf 2.000 Autos. Die Marktanteile der Marken lagen dabei bei 16,5 und 15,6 Prozent der insgesamt 220.200 in Deutschland neu zugelassenen Elektroautos.

Hinter den beiden Spitzenreitern klafft eine deutliche Lücke. Dann folgen Mercedes mit 16.900, Audi mit 14.400 sowie BMW mit 12.800 Elektroautos im ersten Halbjahr und Marktanteilen zwischen 7,7 und 5,8 Prozent.

Gesunkene staatliche Förderung

Der deutsche Elektroautomarkt sei schwächer, als es scheine, betont Dudenhöffer. „Die Zulassungszahlen, die wir im Moment sehen, zeigen die Realität von gestern.“

Die aktuellen Auslieferungen kämen vor allem aus dem Auftragsbestand. „Der Auftragseingang ist dagegen deutlich niedriger als 2022.“ Zentraler Grund sei die gesunkene staatliche Förderung.

Die Elektroautozulassungszahlen sind bei den fünf führenden Marken im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 dennoch gestiegen. Gemessen am zweiten Halbjahr 2022 steht bei allen außer Mercedes, das von der elektrischen E-Klasse profitiert, ein Minus.

Dabei spielen auch Vorzieheffekte wegen der zum Jahreswechsel gesunkenen Prämie eine Rolle, die für einen starken Endspurt im Dezember und einen Einbruch im Januar gesorgt hatten.

Manch anderen Marken geht es noch schlechter. „Bei Marken mit vielen Kleinwagen und unterer Mittelklasse ist der Absatz teils kräftig gesunken, weil sich dort die niedrigere Prämie besonders deutlich bemerkbar macht“, erläutert Dudenhöffer.

Das zeigt sich auch in den KBA-Zahlen: Renault, Opel, Fiat und ein wenig auch Hyundai, die vor einem Jahr noch starke Zahlen zeigten, haben Federn gelassen.

Preiskampf bei E-Autos in Europa erwartet

Dass VW dem Einbruch entgangen ist, führt Dudenhöffer auch darauf zurück, dass die Wolfsburger zuletzt mehr Rabatte gegeben hätten. Und das könnte erst der Anfang gewesen sein: „Ich erwarte einen heftigen Preiskampf bei Elektroautos in Europa“, sagte der Branchenexperte dpa.

„Tesla hat in den letzten 15 Monaten deutlich mehr Fahrzeuge produziert als verkauft, und in China kann der Hersteller seine Autos nicht mehr mit Rabatten auf den Markt werfen. Dadurch verlagert sich der Preiskrieg nach Europa.“

Dieser Effekt treffe hierzulande auf einen ohnehin schon schwächelnden Markt. „Bei Tesla könnten die Preise dadurch um weitere 5 bis 10 Prozent sinken“, erwartet Dudenhöffer. Wie weit die anderen Marken mitgingen, bleibe aber abzuwarten.

Für die Verbraucher mag das eine gute Nachricht sein, bei den Herstellern wird es aber für die ein oder andere schlaflose Nacht sorgen.“

Dazu passt auch, dass Ende Juni bekannt wurde, dass VW die E-Auto-Produktion in seinem Werk in Emden vorübergehend drosselt, unter anderem durch längere Werksferien und den Wegfall von geplanten Schichten.

Zumindest auf Konzernebene muss VW sich aber absehbar keine Sorgen um seine Spitzenposition auf dem deutschen Elektroautomarkt machen. Zählt man die Neuzulassungen der anderen Konzernmarken mit – 14.400 bei Audi, 7.800 bei Skoda, 5.900 bei Seat und 2.700 bei Porsche – kommen die Wolfsburger im ersten Halbjahr auf fast doppelt so viele reine Stromer wie Tesla und einen Marktanteil von knapp 30 Prozent.

(Mit Material von dpa)



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