Deutsche Forscher entschlüsseln Tsunami-Rätsel von Santorini
Vor den Kykladen-Inseln Griechenlands schlummert tief im Mittelmeer eine Reihe von aktiven und nicht aktiven Vulkanen. Einer von ihnen ist Kolumbo, ein riesiger Unterwasservulkan, dessen oberer Rand in einer Tiefe von gerade einmal 10 Metern liegt, während seine tiefste Stelle über 500 Meter misst. Sein Ausbruch im Jahr 1650 dauerte zwei Monate lang und seine Kraft war zerstörerisch.
Wie sich der Ausbruch ereignete, ist heute aufgrund von Augenzeugenberichten detailreich überliefert. Allerdings warfen diese Schilderungen bei modernen Wissenschaftlern einige – bis vor Kurzem – unerklärliche Fragen auf. Wie konnte es zu einer derart gewaltigen Explosion kommen, die mit dem Ausbruch von Hunga Tonga 2022 vergleichbar ist? Und wie war der gewaltige Tsunami möglich?
Glühende Felsen, Blitze und Dunkelheit
Von der Insel Santorini aus war der nahende Ausbruch im Spätsommer 1650 bereits einige Wochen vorher gut zu beobachten. So berichtete die Bevölkerung, dass sich die Farbe des Meeres um den Vulkan verändert haben soll und das Wasser zu kochen begann.
Verursacher dieser Ereignisse war Kolumbo, der rund sieben Kilometer nordöstlich von Santorini liegt und sich zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Mittelmeer erhoben hatte. Augenzeugen berichten von glühenden Felsen, Flammen und Blitzen, die zu sehen waren, während Rauchfahnen den Himmel verdunkelten.
Dann zog sich plötzlich das Wasser zurück, nur um kurz danach auf die Küsten zuzurasen und diese mit bis zu 20 Meter hohen Wellen zu verwüsten. Ein gewaltiger Knall war mehr als 100 Kilometer weit zu hören. Steine und Asche gingen auf die umliegenden Inseln nieder und forderten wie die tödliche Giftgaswolke etliche Menschenleben.
„Diese Einzelheiten vom historischen Ausbruch des Kolumbos kennen wir, weil es zeitgenössische Berichte gibt, die im 19. Jahrhundert von einem französischen Vulkanologen zusammengetragen und veröffentlicht worden sind“, erklärt Dr. Jens Karstens, mariner Geophysiker am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
Detektive auf den Tsunami angesetzt
Um herauszufinden, wie es dazu kommen konnte, sind Karstens und seine Kollegen 2019 in die griechische Ägäis gefahren. Ihr Ziel war es, den Vulkankrater mithilfe einer Spezialtechnik zu untersuchen.
So erstellten die Forscher von Bord eines Forschungsschiffes aus mittels 3D-Seismik ein dreidimensionales Abbild von dem heutigen Krater, um „in das Innere des Vulkans“ hineinzusehen. Das Modell, das sich daraus ergab, zeigte unter anderem einen im Durchmesser 2,5 Kilometer großen Krater mit einer Tiefe von 500 Metern – genügend Potenzial für eine gewaltige Explosion.
Außerdem zeigte das Modell, dass eine Flanke des Kegels stark verformt ist. „Dieser Teil ist mit Sicherheit abgerutscht“, erklärt Karstens. Was folgte, war eine akribische Detektivarbeit der Forscher, indem sie verschiedene Szenarien zum Auslöser des Tsunamis mit den historischen Augenzeugenberichten verglichen.
Wie eine Sektflasche, die entkorkt wird
Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass der gewaltige Tsunami nur durch die Zugabe eines Hangrutsches erklärt werden könne – der Ausbruch allein hätte demnach nie ausgereicht. „[In dieser Computersimulation] wären an einer Stelle sechs Meter hohe Wellen zu erwarten, wir wissen aber aus den Berichten der Zeitzeugen, dass sie hier 20 Meter hoch waren“, so Karstens.
Zudem soll sich das Meer an einer Stelle zunächst zurückgezogen haben, bevor es mit Wucht wieder auf die Küste zuraste. Dieses Szenario sei ohne Hangrutsch jedoch unmöglich, da es in dem Modell nur einen kleinen Wellenberg verursachte. Dass ein Hangrutsch durchaus möglich ist, legt bereits die Beschaffenheit des Vulkans nahe.
„Der Kolumbo besteht aus Bimsstein. Der ist nicht sehr stabil. Während der Eruption, die ja schon einige Wochen in Gange war, ist laufend Lava ausgestoßen worden. Darunter, in der Magmakammer, in der viel Gas enthalten war, herrschte ein enormer Druck. Als dann eine Flanke des Vulkans abgerutscht ist, hatte das einen Effekt, als wenn man eine Sektflasche entkorkt: Das Gas aus dem Magmasystem konnte sich durch die plötzliche Entlastung ausdehnen, und es kam es zu der gewaltigen Explosion“, schildert Karstens den vermuteten Vorgang.
Vergleichbares könnte auch bei der Eruption des Anfang 2022 ausgebrochenen Unterseevulkans Hunga Tonga geschehen sein. Dieser löste ebenfalls einen Tsunami aus – und sein Krater besitzt eine ähnliche Form wie der des Kolumbos.
Blick in die Zukunft
Mit seiner Forschung hofft Karstens, das Verständnis zur Bildung vulkanischer Tsunamis erweitern zu können und so künftig besser auf Gefahren vorbereitet zu sein. „Vielleicht wird es irgendwann ein Frühwarnsystem geben. Das wäre mein Traum“, so Karstens.
Dass dies vielleicht schon bald für Santorini wichtig werden könnte, zeigt eine Forschung aus dem Jahr 2022. Demnach fülle sich eine zuvor unbekannte Magmakammer unter Kolumbo stetig, was nach aktuellen Einschätzungen von britischen Geologen zu einem möglichen Ausbruch in den nächsten 150 Jahren führen könnte.
Seit seinem letzten Ausbruch vor über 350 Jahren soll die Kammer jährlich rund vier Millionen Kubikmeter angesammelt haben, was einem Gesamtvolumen von circa 1,4 Milliarden m³ Magma entspricht.
Die Studie erschien am 26. Oktober 2023 im Fachmagazin „Nature Communications“.
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