Leben auf der Venus? Forscher finden Hinweise auf erdähnliche Plattentektonik

Forscher in the USA haben einen möglichen Beweis gefunden, dass es auf der Venus einst Plattentektonik gab. Diese Erkenntnis eröffnet Einblicke in ihre Geschichte – und die Möglichkeit von frühem Leben auf diesem Planeten.
Venus und Erde waren Zwillingen
Die Venus ist ein Nachbarplanet der Erde.Foto: iStock
Von 14. November 2023

In den Augen von Astronomen war die Venus bislang ein Planet der glühenden Einöde. Dieses Bild könnte sich bald ändern. So sind Wissenschaftler aus den USA zu dem Schluss gekommen, dass unser Nachbarplanet – genauso wie die Erde heute noch – tektonische Plattenbewegungen besaß.

Laut Forschern eröffne diese Erkenntnis neue Szenarien hinsichtlich der Möglichkeit von frühem Leben auf der Venus, ihrer Entstehung und der Geschichte des Sonnensystems.

Aus der Luft gegriffen

In ihrer Studie erläutern die Astronomen unter der Leitung von Forschern der Brown University, wie sie auf diese Entdeckung gestoßen sind. So sollen Atmosphärendaten der Venus und Computermodelle zeigen, dass die Zusammensetzung der heutigen Atmosphäre und der Oberflächendruck auf dem Planeten nur durch eine frühe Form der Plattentektonik möglich gewesen sei.

Auf der Erde verstärkte sich dieser Prozess im Laufe von Milliarden Jahren, wodurch neue Kontinente und Gebirge entstanden. Diese lösten wiederum chemische Reaktionen aus, die die Oberflächentemperatur des Planeten stabilisierten und eine Umgebung schufen, die die Entwicklung von Leben begünstigte.

Unser Schwesterplanet Venus hingegen entwickelte sich in die entgegengesetzte Richtung. Heute hat sie Oberflächentemperaturen, die heiß genug sind, um Blei zu schmelzen. Eine Erklärung dafür ist, dass der Planet seit jeher einen sogenannten „stagnierenden Deckel“ hat – das heißt, seine Oberfläche besteht aus einer einzigen Platte, die sich kaum bewegt oder nachgibt und Gase an die Umgebung abgibt. Doch dies war wohl nicht immer so.

Bewegung auf Venus und Erde

So passe in das heiße Bild der Venus nicht der hohe Anteil an Stickstoff und Kohlendioxid in der Venusatmosphäre. Aus diesem Grund müsse der Planet irgendwann nach seiner Entstehung vor etwa 4,5 Milliarden bis 3,5 Milliarden Jahren eine Plattentektonik gehabt haben, so die Wissenschaftler.

Diese frühe tektonische Bewegung sei jedoch wie auf der damals noch jungen Erde in Bezug auf die Anzahl der sich bewegenden Platten und die Stärke ihrer Verschiebung begrenzt gewesen. Außerdem hätte dieses Ereignis zeitgleich auf der Erde und auf der Venus stattgefunden.

„Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass wir sehr wahrscheinlich zwei Planeten zur gleichen Zeit im gleichen Sonnensystem hatten, die dieselbe Art von Tektonik besaßen. Diese Tektonik ermöglichte das Leben, das wir heute von unserer Erde kennen“, sagte Matt Weller, der Hauptautor der Studie.

Leben – eine Frage des Timings?

Dies untermauere die Möglichkeit von mikrobiellem Leben auf der alten Venus. Zudem zeige es, dass die beiden Planeten – die in Größe, Masse, Dichte und Volumen annähernd gleich sind – sich auch in ihrer Entstehung zu einem bestimmten Zeitpunkt sehr ähnlich waren – ähnlicher als bisher gedacht.

Venus und Erde im Vergleich

Die beiden Schwesterplaneten Venus und Erde im direkten Vergleich. Foto: kms/Epoch Times, NASA

Für die Astronomen scheint hier der Hinweis vorzuliegen, dass die passende Plattentektonik auf einem Planeten zur richtigen Zeit auch Leben ermöglicht. „Bisher haben wir den tektonischen Zustand als binär betrachtet: Entweder ist er richtig oder falsch – und zwar für die gesamte Dauer des Planeten“, so Alexander Evans, Mitautor der Studie und Assistenzprofessor für Erd-, Umwelt- und Planetenwissenschaften an der Brown University.

„Dies zeigt, dass Planeten in verschiedene tektonische Zustände übergehen können und dass dies tatsächlich ziemlich häufig vorkommt. Die Erde könnte dabei ein Ausreißer sein. Das bedeutet aber auch, dass es Planeten geben könnte, die nicht ständig, sondern gelegentlich bewohnbar sind.“

Was wäre, wenn …

Diese Entdeckung sei künftig enorm wichtig, um nahe gelegene Monde mit erdähnlicher Plattentektonik wie den Jupitermond Europa oder weit entfernte Exoplaneten verstehen zu wollen, so die Forscher.

Im Rahmen ihrer Studie nutzen die Astronomen zunächst weit entfernte Exoplaneten, um ihre Atmosphären zu untersuchen und Rückschlüsse auf ihre frühe Geschichte zu ziehen. Erst im Anschluss daran nahmen sich die Wissenschaftler ein näheres Ziel vor.

Für ihre Untersuchung verwendeten sie aktuelle Daten zur Venusatmosphäre und nahmen diese als Ausgangspunkt ihres Modells. Unter der Annahme, dass die heutigen Bedingungen dieselben wie früher waren, bekamen die Astronomen ein Bild, das mit der heutigen Venus nicht übereinstimmte. Danach suchten die Wissenschaftler mögliche Szenarien, was passiert sein muss, um ein reales Bild der Venus zu erhalten. Unter Berücksichtigung der frühen, aber begrenzten Plattentektonik erhielten sie schließlich das richtige aktuelle Abbild.

Mit ihrer Studie wollen die Astronomen zeigen, dass nicht nur die Untersuchung von Oberflächen zu einer Rekonstruktion der planetaren Vergangenheit taugt. „Wir befinden uns immer noch in diesem Paradigma, in dem wir die Oberflächen von Planeten benutzen, um ihre Geschichte zu verstehen“, sagte Evans. „Nun zeigen wir erstmals, dass die Atmosphäre der bessere Weg sein kann, um die sehr alte Geschichte eines Planeten zu verstehen. Denn oft ist die Geschichte nicht mehr auf der Oberfläche erhalten.“

Venus ging der Saft aus

Die NASA plant mit ihrer DAVINCI-Mission ab 2029 die Gase in der Venusatmosphäre zu messen. Deren Ergebnisse könnten dazu beitragen, die Annahmen der Studie zu bestätigen oder zu widerlegen.

In der Zwischenzeit wollen die Forscher einer neu aufgeworfenen Schlüsselfrage nachgehen: Was geschah mit der Plattentektonik auf der Venus? Die in der Studie aufgestellte Theorie besagt, dass der Planet letztlich zu heiß und seine Atmosphäre zu dicht wurde, wodurch die für tektonische Bewegungen notwendigen Bestandteile „austrockneten“. „Der Venus ging im Grunde der Saft aus, und das bremste den Prozess“, so Daniel Ibarra, ein weiterer Autor der Studie.

Möglicherweise könnten die Erkenntnisse zur Venus auch wichtige Auswirkungen auf die Erde haben.

„Die nächste Untersuchung wird ein entscheidender Schritt sein, um die Venus, ihre Entwicklung und letztlich das Schicksal der Erde zu verstehen“, so Weller. „Welche Bedingungen werden uns dazu zwingen, uns in eine Venus-ähnliche Richtung zu bewegen? Und welche Bedingungen könnten es der Erde ermöglichen, bewohnbar zu bleiben?“

Die Studie erschien am 26. Oktober 2023 im Fachmagazin „Nature Astronomy“.



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