399 zu 275 Stimmen: Bundestag hat das Heizungsgesetz beschlossen

Der Bundestag hat die höchst umstrittene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit den Stimmen der Ampelfraktionsmitglieder verabschiedet. Nach monatelangen Debatten war es auch vor der Abstimmung im Parlament hoch her gegangen.
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So ähnlich könnte es an deutschen Hauswänden auch bald aussehen. (Symbolbild).Foto: iStock
Von 8. September 2023

Das neue Heizungsgesetz ist am Nachmittag des 8. September vom Bundestag verabschiedet worden. Für das Gesetz stimmten 399 von 679 anwesenden Abgeordneten. Dagegen votierten 275 MdB. Es gab fünf Enthaltungen. Ende September muss das Gesetz noch den Bundesrat passieren, um am 1. Januar 2024 in Kraft treten zu können. Das gilt als Formsache.

Im Kern geht es bei der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG, BT-Drucksache 20/6875, PDF) darum, dass nur noch solche Heizsysteme in Häuser neu eingebaut werden dürfen, deren Betrieb zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien erfolgt. Im Wesentlichen sind es Wärmepumpen, die diese Vorgabe erfüllen. Die neuen Vorschriften sollen für die meisten Gebäude allerdings später gelten als zunächst geplant. Erst ab 2045 dürfen überhaupt keine Öl- oder Gasheizungen mehr betrieben werden.

Während der rund zweistündigen Debatte hatten sich die Vertreter der Oppositionsfraktionen teils hitzige Rededuelle mit den Parlamentariern der Ampelfraktionen geliefert.

Union: Parlamentarier müssen „Blankoscheck“ unterschreiben

Alexander Dobrindt (CSU) beklagte vor allem, dass „Angst unter den Bürgern“ vor finanzieller Überforderung herrsche. Auch Jens Spahn (CDU) sprach von „gestandene[n] Renter[n] mit Tränen in den Augen, die sich das nicht leisten können“. Beide plädierten für eine Wiederinbetriebnahme der Kernkraftwerke: Dieser Schritt würde mehr CO₂ einsparen, als es das GEG vermöge.

Thomas Heilmann, der vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Vertagung der Abstimmung bis nach der Sommerpause erreicht hatte, kritisierte, dass die Opposition nicht genügend in das parlamentarische Verfahren eingebunden worden sei. So habe es in den Tagen bis zur Abstimmung keine erneute Ausschusssitzung gegeben.

Der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak, sagte voraus, dass die Debatte um das GEG „natürlich weitergehen“ werde, da das Gesetz „gespickt mit Rechtsunsicherheiten“ sei.

Mit der Verabschiedung des Heizungsgesetzes müssten die Parlamentarier einen „Blankoscheck“ unterschreiben, da noch keine Details zu dem begleitenden Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung bekannt seien. Luczak sprach von der „Simulation einer parlamentarischen Demokratie“.

Das umstrittene „Heizungsgesetz“ ist am 8. September im Bundestag verabschiedet worden. Aus den Reihen der Ampelfraktionen gab's dafür viel Applaus. Foto: Bildschirmfoto: Phoenix

Das umstrittene Heizungsgesetz ist am 8. September im Bundestag verabschiedet worden. Aus den Reihen der Ampelfraktionen gab’s dafür viel Applaus. Foto: Bildschirmfoto: „Phoenix“

AfD: „Sabotageakt“ von „Transformationsfanatikern“

Marc Bernhard, der baupolitische Sprecher der AfD-Fraktion, bezeichnete das GEG als „Handbuch zur Vernichtung unseres Wohlstands“. Es entstünden je Haushalt im Schnitt 30.000 Euro Kosten. Dafür werde nur ein „lächerliches Prozent“ am CO₂-Ausstoß eingespart: „Das bläst China in 32 Stunden in die Luft“, so Bernhard.

Sein Parteikollege Steffen Kotré vom Ausschuss für Klimaschutz und Energie nannte die Novelle einen „der größten Sabotageakte seit Bestehen der Bundesrepublik“: Es gehe mit den „Transformationsfanatikern“ der Ampel von der Marktwirtschaft in die Mangelwirtschaft.

Dietmar Bartsch, der Co-Vorsitzende der Linksfraktion, rügte die „Arroganz“ der Ampel gegen Parlament und Bürger: Die Regierung habe „Akzeptanz und Vertrauen“ mit diesem „kommunikativen Desaster“ zerstört.

Habeck: „Ein gutes Gesetz“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwies darauf, dass sich zu GroKo-Zeiten auch die Unionsfraktion dafür ausgesprochen habe, dass Deutschland bis 2045 „klimaneutral“ sein wolle. Weil in den vergangenen Jahren aber nicht genug erreicht worden sei, stehe die Ampel nun „vor einem Berg von Problemen“. Das neue GEG sei ein „gutes Gesetz“.

Katharina Dröge, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, berichtete, dass sich die Menschen für die „Energiewende“ begeistern würden. Das könne man an den Balkonkraftwerken erkennen. Das GEG biete endlich Sicherheit für die Heizungshersteller, Handwerker, Kommunen und Bürger. Ihre Parteikollegin Julia Verlinden sprach von einem „Meilenstein für den Klimaschutz“, der mit „sozialer Gerechtigkeit“ einhergehe.

SPD will sich um Gesetz für kommunale Wärmeplanung kümmern

Timon Gremmels, für die SPD im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, erklärte, dass nun „Planungssicherheit für Bürger, Handwerk und Heizungsindustrie“ bestehe. Viele Punkte, die die Union kritisiere, würden sich „in Nebel auflösen“. Nach der GEG-Novelle werde man sich jetzt um die kommunale Wärmeplanung kümmern.

Auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz versprach, dass ein begleitendes Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung ebenfalls zum 1. Januar in Kraft treten werde. Sie nannte die Novelle „klimafreundlich, sozialverträglich und praxistauglich“.

Matthias Miersch, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, versprach, eine „Förderkulisse vorzulegen, die niemanden zurücklässt“. Von der Union habe er „keinen einzigen Vorschlag“ gehört, der das Gesetz hätte besser machen können.

Liberale betonen Technologieoffenheit

FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte, dass das Gesetz in der Lage sei, die „Klimaschutzziele mit Marktwirtschaft“ zu erreichen. Außerdem sei es „technologieoffen“. Die GEG-Novelle habe sogar den Präsidenten des Verbands „Haus und Grund“ überzeugt. Dürr betonte, man dürfe die Menschen nicht „mit steigenden CO₂-Kosten alleine lassen“.

Die Liberale Carina Konrad betonte, dass mit dem GEG „keine Heizung herausgerissen“ werden müsse. Das Gesetz sei „praxistauglich“ und „technologieoffen“. Selbst die „Fachwelt“ bestätige, dass das Gesetz „jeden Schrecken verloren“ habe. Am Ende sei wichtig, dass die Bürger „ihren Beitrag zum Klimaschutz“ leisteten. Das sei „zumutbar“.

Der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle nannte das Vorhaben einen „groß angelegten Betrug unter Vorspiegelung falscher Tatsachen“. Die Ampelregierung könne noch nicht einmal beziffern, wie viel Geld das GEG die Bürger am Ende kosten werde. Außerdem werde das GEG die Welt nicht retten. Es gehe um „Abzocke“ und um die „Enteignung von hunderttausenden Menschen und das Vertreiben aus ihren Wohnungen“.

Einspareffekt soll zwischen 10,8 und 54 Millionen Tonnen CO₂ liegen

Mittlerweile liegen dem Bundeswirtschaftsministerium nach Agenturberichten offenbar Zahlen zum CO₂-Einspareffekt durch das GEG vor. Sie stützen sich auf Schätzungen des Freiburger „Öko-Instituts“. Demnach wird der „Klimaschutzeffekt“ wohl deutlich geringer ausfallen als ursprünglich angenommen.

Nur noch „rund drei Viertel der eigentlich geplanten Treibhausgasminderung bis 2030“ seien zu erwarten, hieß es aus dem Ministerium – „vielleicht etwas mehr, vielleicht weniger“.

Das liege daran, dass der erste Gesetzentwurf zwischenzeitlich noch einmal abgemildert worden war. Danach hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klargestellt, für die zweite und dritte Lesung am 8. September definitiv nichts mehr ändern zu wollen.

Die aktuelle Novelle soll innerhalb von sieben Jahren bis zu 54 Millionen Tonnen CO₂ vermeiden. Im ungünstigsten Fall würden nur 10,8 Millionen Tonnen bis 2030 eingespart. Die Bundesregierung gehe von einem „mittleren Szenario“ mit „günstigen Rahmenbedingungen“ aus. Dann würden 39,2 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermieden.

Zum Vergleich: Laut dem Umweltbundesamt lag der Gesamtausstoß Deutschlands an „menschengemachtem“ CO₂ im Jahr 2022 bei 666 Millionen Tonnen.

In der Dekade zwischen 2030 und 2040 werde der „CO₂-Minderungseffekt“ zwar ebenfalls geringer ausfallen als ursprünglich berechnet, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium, „im Zeitverlauf aber immer stärker werden“.

Das Öko-Institut hatte Agenturangaben zufolge „drei Szenarien“ entworfen, um die verschiedenen Effekte schätzen zu können. Der „Worst Case“ beschrieb eine Situation, in der die große Mehrheit der betroffenen Immobilieneigentümer untätig bleibt, bis die Ergebnisse der „kommunalen Wärmeplanung“ vorliegt. In Großstädten sollen diese Berechnungen bis Mitte 2026 vorliegen. Kleine und mittlere Städte haben zwei Jahre mehr Zeit.

Einspareffekt bis vor Kurzem unbekannt

Obwohl die Reduktion von CO₂ von der Ampelregierung stets als oberstes Ziel und Grundlage für die von Anfang an umstrittene GEG-Novelle genannt worden war, war der Einspareffekt durch den Ersatz möglichst vieler Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpenlagen in den Jahren 2024 bis 2030 noch vor Kurzem unklar.

Anfang April, als noch die GEG-Ursprungsfassung (PDF) zur Debatte stand, hatte es eine CO₂-Schätzung aus dem Büro des inzwischen entlassenen Ex-Staatssekretärs Patrick Graichen (Grüne) gegeben. Nach Graichens Berechnungen hätten die ursprünglichen, noch strengeren Regeln in den Jahren 2024 bis 2030 voraussichtlich 43,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart.

Davon wären 10,5 Millionen Tonnen allein im Jahr 2030 eingespart worden – dem letzten Jahr der Prognose, für das Graichen bereits einen Bestand von sechs Millionen Wärmepumpen angenommen hatte.

Milliardenbelastung, aber „0,0 Prozent“ Einfluss aufs Weltklima

Der Energieökonom Prof. Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereiches Umwelt und Ressourcen am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, hatte sich schon im Mai für den „Focus“ die Mühe gemacht, die Kosten für den „Umstieg von Gas auf Wärmepumpen“ auszurechnen: „Rund 225 Milliarden Euro zusätzlich bis 2045“ seien allein für jene Fälle zu berappen, in denen Wärmepumpen defekte Gasheizungen ersetzen sollten.

Durchaus berechenbar ist nach Ansicht von Frondel auch die Antwort auf die Frage, wie viel CO₂ der massenhafte Einbau von Wärmepumpenheizungen in Deutschland bis 2045 einsparen wird. Frondels Antwort fiel eindeutig aus: „Die CO₂-Einsparungen durch die Heizwende werden das Klima zu 0,0 Prozent beeinflussen.“



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