Leopard 2 – Einweg-Panzer für die Ukraine?

Wie gut kann die Ukraine die Kampfpanzer an der Front versorgen? Ein entscheidender Vorteil ist das Eisenbahnnetz. Ein ehemaliger Bahnmitarbeiter und Ukrainer gibt eine Einschätzung zur Lage.
Ukraine
Ein Leopard-2-Panzer bei einer NATO-Übung. Ein möglicher erfolgreicher Einsatz in der Ukraine könnte sich als schwierig herausstellen.Foto: iStock
Von 27. Februar 2023

Die deutsche Bundesregierung hat der Ukraine – neben anderen NATO-Staaten – Unterstützung mit Kampfpanzern zugesagt. Dabei will Deutschland zunächst 14 Leopard-2-Panzer in das Kriegsgebiet liefern. Doch für einen erfolgreichen Kriegseinsatz reicht die bloße Lieferung von schweren Waffen nicht aus. Auch die Infrastruktur muss gewährleistet sein.

Selbst in Friedenszeiten – beispielsweise bei Übungseinsätzen – verbrauchen Panzer, Schützenpanzer und Panzerhaubitze große Mengen an Munition, Betriebsstoffen und Ersatzteilen. Nach Erfahrungen aus vergangenen Kriegen kann sich im Kriegseinsatz der Bedarf an Nachschubgütern um bis zum Faktor 30 erhöhen.

Wenn die Einsatztruppen den Nachschub dieser Verbrauchsgüter nicht regelmäßig gewährleisten, können die Kampfpanzer Leopard-2 nach kurzem Einsatz schnell nutzlos werden. Sie blieben stehen und wären für russische Truppen ein leichtes Ziel.

Transport nur über die Schiene sinnvoll

Wie gut würde die Versorgung mit allem nötigen in der Ukraine funktionieren? Das Land ist weiträumig und hat fast die doppelte Landfläche Deutschlands. Seit der russischen Invasion vor einem Jahr verlor die Ukraine zwar bis heute rund 15 Prozent seiner Gesamtfläche, aber die Transportwege bis zur Ostfront sind dennoch sehr lang. Von der polnisch-ukrainischen Grenze bis zur derzeitigen Kriegsfront wollen rund 1.200 km überwunden werden.

Über die Straßen können die versprochenen Panzer laut „Globalbridge“ nicht fahren. Raupenfahrzeuge sind nicht für längere Fahrten auf Straßen ausgelegt. Sie könnten nach ein paar Dutzend oder ein paar Hundert Kilometern mit Schäden am Fahrwerk liegen bleiben und wären aufwendig zu reparieren. Auch der Luftverkehr in der Ukraine kommt dafür nicht infrage – zumal der gängige Luftverkehr dort seit 24. Februar 2022 auch praktisch eingestellt ist. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, dass ein Transportflugzeug leicht ein Ziel von russischen Raketen wird.

Damit bleibt nur noch der Schienenweg übrig – die einfachste und effizienteste Methode, Panzer und Massengüter zu transportieren. Sowohl die Ukraine als auch Russland nutzen die Eisenbahn derzeit bis an die Grenze des Möglichen. Das ukrainische Eisenbahnnetz ist eine geheime Stärke der Ukraine. Dieser Ansicht ist A. Jung, der früher viele Jahre als interner Sicherheitsprüfer und Auditor bei der Deutschen Bahn tätig war. Jung kennt sich mit der Bahnstruktur der Ukraine sehr gut aus.

Das Eisenbahnnetz – Geheimwaffe der Ukraine

Rund 22.000 Kilometer lang ist das Schienennetz der Ukraine. Es ist in der russischen Breitspur mit 152 Zentimetern ausgebaut. Die meisten westeuropäischen Eisenbahnnetze nutzen hingegen die 8,5 Zentimeter schmalere europäische Normalspur mit 143,5 Zentimetern. Das bedeutet, dass die Züge an den Grenzübergängen von Polen, Rumänien, Ungarn und die Slowakei umgespurt oder Transportgüter umgeladen werden müssen.

Jung teilte der Epoch Times mit, dass das Bahnnetz in der Ukraine sehr effektiv ist, da es früher vorrangig für militärische Zwecke erbaut wurde. „Das ist nicht zu vergleichen mit dem mittlerweile maroden Bahnnetz in Deutschland, das primär für den zivilen Transport von Personen und Gütern ausgelegt ist“, sagte Jung.

In der Ukraine kann mit der Bahn alles ins und im Land transportiert werden. Zudem reise man auf dem Schienenweg weitaus sicherer als etwa mit dem Flugzeug, schilderte Jung. Es seien so viele Züge unterwegs, da könnten die Russen gar nicht wissen, in welchem Zivilisten oder militärisches Equipment transportiert wird.

In der Ukraine könne der Transport der deutschen Panzer auf die Unterstützung der Menschen vor Ort zählen. „Die Ukrainer sind hoch motiviert, alles für ihren Sieg zu unternehmen. Sie wissen, was ihnen blüht, wenn die Russen das Land tatsächlich einnehmen könnten“, ergänzt Jung hingegen. Dann würde das Land mit alltäglichem Terror der Besatzer überzogen werden.

Stärke durch viel Personal

Die ukrainische Eisenbahn sei „sehr leistungsfähig“, weil es dort viel und günstiges Personal gebe, so Jung. Bereits vor der Invasion seinen über 230.000 Mitarbeiter bei der Bahn beschäftigt gewesen. Gehe etwas kaputt oder wird angeschossen, würden die vielen Bahnbediensteten das sofort wieder reparieren. Was an Materialien oder Werkzeugen fehle, würde der Westen liefern.

Manchmal dauere dies zwar, aber es käme. „Weil das Personal so günstig ist – derzeit wird alles vom Westen finanziert – steht fast an jedem Bahnübergang und an fast jeder Brücke jemand, der darauf aufpasst. Im Notfall wird schnelle Unterstützung angefordert“, erläuterte Jung. Das sei eine Stärke der Ukraine. So hätten sie auch immer wieder russische Truppen verdrängt, die weiter vorzurücken versuchten.

Die Frage, ob die Leopard-Panzer versorgt und transportiert werden könnten, beantwortete Jung klar mit „es geht“. Es sei lediglich eine Frage der Zeit und ob es sich betriebswirtschaftlich lohne. Doch das stünde auf einem anderen Blatt. Der Ukraine-Krieg, ebenso wie alle anderen Kriege, sorge für hohe finanzielle Einbußen.

Sollten die Leopard-2-Panzer im Einsatz jedoch Schaden erleiden, müsste man sie in Polen reparieren, erklärte Jung. Das bedeutet einen „irrsinnigen menschlichen Arbeits- und Kostenaufwand.“ Zu Friedenszeiten wäre solch ein Aufwand „unbezahlbar“.

Auch Munition und Ersatzteile werden geliefert

Sollten die russischen Streitkräfte einen Waffentransport angreifen, würde sich dies dem Verantwortungsbereich Deutschlands entziehen. „Da Angriffe nur auf ukrainischem Gebiet stattfinden, müssen Sie dahingehend in der Ukraine nachfragen“, antwortete Sarah Ruschel, Pressesprecherin beim Bundesministerium der Verteidigung der Epoch Times.

Ruschel teilte zudem mit, dass Deutschland neben den 14 Leopard-2-A6-Panzern auch „ein Munitions- und Ersatzteilpaket aus eigenen Beständen in die Ukraine liefern“ wird. „Darüber hinaus werden gerade die ukrainischen Soldaten in Deutschland an diesem Gerät ausgebildet.“ Die Versorgung der Truppen in der Ukraine obliege hingegen den ukrainischen Streitkräften.

Eine Auflistung der Bundesregierung informierte, was diese der Ukraine bisher geliefert hat. Hierbei sind 95 Positionen aufgeführt. Ebenso ist in weiteren 39 Positionen aufgelistet, welche Militärgüter zur Auslieferung geplant sind. Neben den Leopard-2-Panzern sollen demnach noch zwei „Bergepanzer 3“ und 40 Schützenpanzer „Marder“ mit Munition aus Bundeswehr- und Industriebeständen ausgeliefert werden.

Die Ukraine und die deutsche Industrie hätten dazu Liefervereinbarungen getroffen. Ruschel konnte dazu jedoch keine Details nennen. Die Unterstützungsleistungen würden immer den aktuellen Bedarf der ukrainischen Seite widerspiegeln.

Der Gesamtwert der im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 20. Februar 2023 von der Bundesregierung erteilten Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern beträgt rund 2,56 Milliarden Euro.

Geografie setzt Grenzen

Die ukrainische Variante der Spannocchi-Doktrin (Raumverteidigung bestimmter Schlüsselzonen) funktionierte im März 2022 recht gut und brachte die vorrückenden russischen Truppen zeitweise in Versorgungsschwierigkeiten. Inzwischen dürften die damals eingesetzten Sonderoperationskräfte der ukrainischen Armee allerdings weitgehend aufgerieben sein. Aufgrund der russischen Aktivitäten entsteht für die ukrainische Armee die Gefahr, dass Waffen, Munition und Treibstoff nur noch vereinzelt an der Front eintreffen.

In den von den Russen eroberten Gebieten – wie etwa dem Donbass und im Raum Kharkiv/Kharkov – können diese nun die Vorteile des ukrainischen Eisenbahnnetzes nutzen. Das schafft günstige Voraussetzungen für die Versorgung der russischen Kräfte östlich einer Linie Poltava bis Zaporozhie. Dort liegt der Vorteil folglich aufseiten der Russen. Je weiter russische Truppen nach Westen vorstoßen, desto mehr schwächt sich dieser Vorteil jedoch ab, da sie dann immer weitere Versorgungsstrecken haben.

Letztendlich könnte sich ein Gleichgewicht einstellen. Irgendwann dürfte Russland nicht in der Lage sein, die ganze Ukraine militärisch zu besetzen. Russische Angriffe fügten dem ukrainischen Eisenbahnnetz an manchen Stellen bereits umfassende Schäden zu. Größere Schäden konnten die Ukrainer noch nicht reparieren. Jung schätzte ein, dass das Bahnnetz so verzweigt und groß sei, dass die Ukrainer trotz einzelner lokaler Schäden immer auf Umwege ausweichen könnten.

Der ukrainische General Zaluzhnyi hat allerdings Bedenken: Eine mechanisierte Streitmacht von wenigen Bataillonskampfgruppen sei zu klein, um Effekte von strategischem Ausmaß zu erzielen. Eine Streitmacht, die hierfür stark genug wäre, kann er womöglich aber gar nicht unterhalten, da die Nachlieferung der nötigen Ressourcen zu langsam ablaufen würde. Die Geografie setzt vermutlich den Kriegsparteien Grenzen.



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