Schwarz-Grün-Regierung in Österreich: FPÖ-Chef Hofer befürchtet Linksdrift und Ende der Mitte-Rechts-Politik

Nach der Regierungskrise in Österreich mit anschließenden Neuwahlen und nunmehr Schwarz-Grüner Koalition mehren sich die Bedenken aus Richtung der FPÖ gegenüber dem zukünftigen Weg Österreichs.
Titelbild
Sebastian Kurz (l) und Norbert Hofer.Foto: HELMUT FOHRINGER/AFP via Getty Images
Von 3. Januar 2020

Für Österreich hatte das Jahr 2019 große politische Aufregungen gebracht. Im Mai 2019 kam es durch das Auftauchen des „Ibiza-Videos“ aus dem Jahre 2017 zu einer Regierungskrise in der Alpenrepublik, woran die amtierende Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ zerbrach.

Wenig später wurde Sebastian Kurz, der Bundeskanzler von Österreich, per Misstrauensvotum „gestürzt“. Im September wurden vorgezogene Nationalratswahlen abgehalten, aus denen die ÖVP als Sieger hervorging und nach Sondierungsgesprächen mit den anderen Parteien schließlich eine neue Regierungskoalition mit den Grünen schloss.

Am Mittwochabend, 1. Januar 2020 wurde dann nach sechs Wochen Verhandlungen durch Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler der „inhaltliche Durchbruch“ bekannt gegeben.

Es ist möglich, die Steuerlast zu senken und gleichzeitig das Steuersystem zu ökologisieren. Und es ist möglich, das Klima und die Grenzen zu schützen,“ so Kurz.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz steht damit kurz vor seiner Rückkehr an die Regierungsspitze in Österreich und übergibt den Grünen ein Superministerium für Umwelt, Energie und Verkehr (Infrastrukturministerium) sowie die Ministerien für Soziales, Justiz und Gesundheit.

Hofer befürchtet Linksdrift

Angesichts der neuen türkis-grünen Regierungszusammenarbeit und der Regierungs-Premiere der Grünen in Österreich befürchtet FPÖ-Chef und Ex-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer einen Linksdrift im Land. Wenn grüne Themen viel Spielraum bekommen, könne der von der ÖVP angekündigte Mitte-Rechts-Kurs wohl nicht gehalten werden, so der langjährige ehemalige Nationalratsvorsitzende.

Noch nie war eine Regierung personell so weit links ausgerichtet wie das Kabinett Kurz II,“ so Hofer.

Kritik übte der FPÖ-Vorsitzende auch an der Ministerauswahl, etwa an Alma Zadic (Grüne), die laut Hofer aktuell selbst mit der Justiz zu tun habe. Die ehemalige Jetzt-Abgeordnete wurde im November wegen übler Nachrede verurteilt: „Es ist nicht hinzunehmen, dass Frau Zadic unter diesen Voraussetzungen ausgerechnet Justizministerin wird“, meinte Hofer. Auch gegenüber dem zukünftigen grünen Sozialminister, dem derzeitigen oberösterreichischen Landesrat Rudolf Anschober, äußerte Hofer Bedenken. Es sei mehr als zweifelhaft, „dass mit Rudi Anschober als Mitglied der Bundesregierung der vernünftige Kurs in der Integrations- und Asylpolitik“ fortgesetzt werden könne.

Grüne „Superministerin“

Wie die „Welt“ berichtet, hat aber nicht nur die Regierungsbeteiligung der Grünen erstmals in Österreich Premiere, sondern auch die mehrheitliche Frauen-Regierung. Sechs von elf ÖVP-Ministerien sollen mit Frauen besetzt werden und zwei von vier Ministerien der Grünen.

Demnach gehe das mächtige Infrastruktur-und-Klimaschutz-Superministerium auch an eine Frau, an Leonore Gewessler (43). Die Umweltaktivistin und ehemalige Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation Global 2000 werde demnach bereits grüne „Superministerin“ bezeichnet und bilde mit ihrem Ministerium laut dem Blatt die „Basis, von der aus die Grünen ihren Feldzug gegen die Klimakrise starten wollen“. Laut ORF beinhalte das Superministerium die Bereiche Umwelt, Infrastruktur, Energie, Technologie und Innovation.

Gewessler hatte den Berichten nach bereits als NGO-Chefin gegen das Freihandelsabkommen, den Atomstrom und große Infrastrukturprojekte gekämpft. Nach dem Absturz der Grünen 2017 holte sie Parteichef Werner Kogler im Zuge der Öffnung der Partei als Quereinsteigerin zu den Grünen. Ihren Global-2000-Posten gab sie mit ihrer Kandidatur für die Grünen bei den Nationalratswahlen auf.

Hofers schlimmste Befürchtungen …

Mit Schwarz-Grün hatten sich offenbar Hofers schlimmste Befürchtungen bewahrheitet. Bereits im Sommer zeigte sich Hofer besorgt deswegen und hoffte, dass die FPÖ bei der Nationalratswahl 20 Prozent erreichen könne, um stark genug zu sein, um eine schwarz-grüne Regierungskonstellation zu verhindern. Mit schließlich knapp über 16 Prozent (-9,8 Prozentpunkte) mussten diese Hoffnungen jedoch einen herben Schlag hinnehmen, während die ÖVP mit fast 37,5 Prozent einen großen Sieg einfuhr. Auch die Grünen (13,9 Prozent und +10,1 Prozentpunkte) profitierten vom Skandaljahr 2019 und auch noch dazu vom Absturz der SPÖ (21,2 Prozent und – 5,7).

NÖ-Bauern-Präsidentin wird Verteidigungsministerin

Bedenken hatte Hofer auch hinsichtlich der Besetzung des Verteidigungsministeriums. Er nannte es eine „Hiobsbotschaft“, dass dieses in die „Obhut der Bauernbund-Direktorin aus Niederösterreich“, Klaudia Tanner (ÖVP) übergeben werde. Erstmals in der Geschichte Österreichs geht auch dieses Ministerium an eine Frau.

Dies scheint manchen vielleicht ein Widerspruch, jedoch wäre Klaudia Tanner schon in der Zeit der türkis-blauen Regierung die Wunschkandidatin von Sebastian Kurz auf dem Posten der Verteidigungsministerin gewesen.

Mit der Juristin Tanner hole sich der ÖVP-Chef laut dem „Standard“ eine Frau mit „Machtbewusstsein“ in sein Team, die unter anderem auch gewohnt sei, „Widerstände“ zu überwinden. Als Beispiel wurde ihr Wirken in ersten politischen Funktionen als Rechts- und Sozialreferentin des niederösterreichischen Bauernbundes (1996 bis 2001) angeführt, als sie „viel hinaus in Bauernversammlungen“ musste, hinaus zu den Bauern, die ihren Ärger über „die da oben“ Luft gemacht hätten.

Wie man mit Kritik an der Basis umgeht, habe Tanner beim damaligen Direktor des Österreichischen Bauernbundes, Hans Penz, gelernt, wie man Macht aufbaue, ausbaue und sanft, aber bestimmt einsetze. Dies sei zur Spezialität von Klaudia Tanner geworden. Diese Kenntnisse setzte sie zwischen 2001 und 2003 im Kabinett des Innenministers Ernst Strasser (ÖVP) als Zuständige für die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit um. Apropos Strasser: Der spätere Abgeordnete des Europäischen Parlaments wurde im Zuge der von der britischen „Sunday Times“ initiierten „Cash-for-Laws-Affäre“ wegen Bestechlichkeit 2014 zu drei Jahren Haft verurteilt, wie unter anderem der „Standard“ berichtete.

ÖVP-Machtsicherung im Innenministerium

Nach Angaben von „OE24“ betonte Hofer unter anderem auch, dass die ÖVP den Regierungsbildungsprozess genutzt habe „um ihre Macht im Sicherheitsapparat zu sichern“. Das künftige Innenministerium sei nun ausschließlich schwarz.

Leiten soll es Karl Nehammer, Generalsekretär der ÖVP. Nach dem Skandal um das „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“ und der „Skepsis der Opposition gegenüber ÖVP-Einflusss im Innenressort“ werde die Aufgabe laut ORF alles andere als einfach sein.

Zum einen könne Nehammer unter Kritik des neuen Koalitionspartners Grüne kommen, wenn er den von der ÖVP angekündigten harten Kurs fahre, zum anderen wird das neue Innenministerium vor allem von der FPÖ und ihrem ehemaligen Innenminister und jetzigen geschäftsführenden Fraktions-Klubobmann Herbert Kickl aufmerksam beobachtet werden.

„Demokraten“-Aktion „Cancel Kickl“

Der ehemalige Innenminister Herbert Kickl ließ sich bereits im Gespräch mit der „Krone“ vor einigen Tagen ausführlich dazu aus, wie Maßnahmen seiner Arbeit Stück für Stück bereits abgebaut wurden. Hier wurde auch auf die Webseite „Cancel-Kickl.info“ eingegangen, die von einer Gruppe „Demokraten“ gegründet worden sein soll, die forderten: „Die Irrwege des Innenministers von 2018/19 müssen durch die nächste Regierung umgehend rückgängig gemacht werden“.

Nach Angaben von „Heute“ soll es sich dabei vor allem um Unterstützer der „Plattform für offene Politik“ handeln, die als liberale Gruppe in der ÖVP sei 2003 bereits für eine schwarz-grüne Koalition eingetreten sei. „Cancel Kickl“ rief laut „Krone“ dazu auf, weitere „Missstände“ aus den FPÖ-Ministerien der vorangegangenen Regierung zu melden.



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