Pleitewelle im Immobiliensektor – Analysten: „Absehbar, dass die Wärmewende scheitern wird“

In einer Analyse zur Lage am Immobilienmarkt kritisieren Forscher vom IW Köln teils scharf die Bau- und Wärmestrategie der Bundesregierung. Laut den Experten ist es absehbar, dass mit der bisherigen Politik „die Wärmewende scheitern wird“.
Immobilien
Die Baubranche geriet jüngst aufgrund vieler ungünstiger Bedingungen ins StockenFoto: iStock
Von 22. November 2023

Hohe Zinsen und stark gestiegene Materialkosten – der Wohnungsbau befindet sich in einer Krise. Es folgten Baustopps, Stornierungen sowie zuletzt auch Zahlungsverzüge und Insolvenzen. Gleichzeitig sollen Immobilien immer strengere Klimarichtlinien erfüllen.

Zwei Immobilienexperten vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln, Dr. Ralph Henger und Prof. Dr. Michael Voigtländer, analysierten die derzeitige Lage des Bau- und Immobiliensektors und üben dazu scharfe Kritik an der Politik.

Klimavorschriften verteuern den Wohnungsbau

Ihre Ergebnisse führten zu einem teils vernichtenden Urteil für die derzeitige Bau- und Wärmestrategie der Bundesregierung. „Mit der bisherigen Politik ist absehbar, dass die Wärmewende scheitern wird“, schreiben die Experten in ihrer Analyse mit dem Titel „Nachhaltiger und erschwinglicher Wohnraum – zwei (un)vereinbare Ziele?“

Vielmehr sehen Henger und Voigtländer die immer strengeren Klimavorschriften – jüngst mit dem Gebäudeenergiegesetz – als zusätzlichen Preistreiber für die Branche. „Die Klimaschutzziele stehen in unmittelbaren Gegensatz zum Ziel, die Kosten im Wohnungsbau zu reduzieren“, schrieben Sie in dem Papier. „Höhere Standards und die erforderlichen Investitionen führen zu einer Verteuerung des Wohnungsbaus und der Kosten zur Bereitstellung von Wohnraum zur Nutzung.“ Die immer strengeren Vorschriften würden zudem kaum zu einer Verringerung der CO₂-Emissionen beitragen.

Sie fordern daher die Regierung auf, ihre Klimapolitik anzupassen: „Die Politik muss hier Prioritäten setzen, indem sie deutlich macht, welche Ziele nicht verhandelbar sind, und welche Ziele nur teilweise oder nicht erreicht werden sollen.“

Bauland an den richtigen Standorten ausweisen

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Bundesregierung für zu wenig Bauland sorge. „Flächeneinsparziele stehen konträr zum Wohnungsbau, denn ausreichend Bauflächen sind für ein erhöhtes preisgünstiges Angebot eine Grundvoraussetzung.“

Henger und Voigtländer schlagen hier vor, dass vielmehr an den Standorten mit viel Wohnungsbedarf gebaut werden sollte. Derzeit werde oft an der falschen Stelle, etwa in eher ländlichen Regionen mit schwacher Demografie, Bauland ausgewiesen. In Gebieten mit hoher Nachfrage, etwa in den Städten, herrsche stets ein knappes Angebot. Daher seien die Grundstückspreise um bis zu 50 Prozent in den vergangenen zehn Jahren angestiegen.

Doch aufgrund der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung weist sie kaum neues Bauland aus. Momentan werden in Deutschland 50 Hektar pro Tag neu versiegelt. Die Ampelkoalition will das auf 30 Hektar reduzieren.

Kam das Heizungsgesetz zu früh?

Deutliche Kritik üben die Immobilienexperten aber vor allem am kürzlich verabschiedeten Gebäudeenergiegesetz, auch Heizungsgesetz genannt. Sie sind der Ansicht, dass es kontraproduktiv wirkt und die Menschen verunsichert habe.

Das Gesetz sei „zur Unzeit“ gekommen, da sich bis Anfang 2023 sich eine „gesunde Dynamik im Wärmepumpenmarkt“ abzeichnete. Diese hätte dazu führen können, „dass Wärmepumpen schneller, günstiger und passgenauer bei der Umstellung der Wärmeversorgung eingesetzt werden können“.

Stattdessen hat die Gebotsdebatte „zu großen Unsicherheiten“ bei den Menschen geführt. Infolgedessen entschieden sich viele Gebäudeeigentümer abzuwarten. Sie wollten zunächst Klarheit, „welche konkreten Vorgaben und Förderungen in Zukunft gelten werden“. Das Gesetz hätte die Politik nicht vor 2026 einführen sollen, meinten die Experten.

Tatsächlich ist in der Wärmepumpenbranche inzwischen ein deutlicher Auftragseinbruch zu beobachten. Bereits vor einigen Monaten gingen die Anträge für neue Anlagen zurück. Auch Heizungsinstallateure bestätigen, dass die Kunden verunsichert sind. „Der Beratungsbedarf der Menschen ist enorm“, sagte ein Heizungsinstallateur.

Weiter schrieben Henger und Voigtländer, dass eine Politik, bestehend aus Geboten und Verboten „nicht als Leitinstrumentarium“, sondern mit Bedacht zum Einsatz kommen sollte. Sie befürworten vielmehr einen Mix aus Förderanreizen über die Einkommenssteuer, besser angepassten direkten Fördergeldern und einem CO₂-Preis.

Deutschland hat noch Einsparpotenzial

Doch die Experten haben auch lobende Worte für die Bundesregierung. Sie befürworten etwa, dass sie den Effizienzhausstandard 40 nicht zum allgemeinen Standard erklärt hat. Positiv sei, dass sie grüne Energie für den Gebäudesektor priorisiere.

Deutschland hat in diesem Bereich noch Einsparpotenzial. Bei den Emissionen fürs Wohnen pro Einwohner liegt die Bundesrepublik im Vergleich zu 31 anderen Ländern auf einem schwachen fünftletzten Platz. Daher müsse die Regierung die Wärme- und Energiequellen nachhaltiger gestalten.

Damit der Absatz von Wärmepumpen wieder anzieht, schlagen die Experten eine Senkung der Stromsteuer vor. Ebenso solle der Strommix umweltfreundlicher werden. Derzeit sind die Hauptenergiequellen – gerade jetzt in den dunkleren Monaten – Kohle und Erdgas, wie „Electricity Maps“ zeigt.

Pleitewelle im Immobiliensektor

Auch nach Erkenntnis des Kreditversicherers Allianz Trade haben die derzeitigen Entwicklungen eine Pleitewelle im Bau- und Immobiliensektor ausgelöst. Schon 2022 hätten die Pleiten im deutschen Bau- und Immobiliengewerbe um acht Prozent zugenommen. Im bisherigen Jahresverlauf bis einschließlich August 2023 kletterte dieser Anteil dann weiter an auf 20 Prozent, berichtete die Tochter des Versicherungsriesen Allianz kürzlich in Hamburg. „Die beiden Branchen machen damit mehr als ein Fünftel (21 Prozent) aller Insolvenzen in Deutschland aus.“

„Lange Zeit lief es wie geschmiert in großen Teilen der deutschen Baubranche – dank der Niedrigzinsphase. Mit dem Zinsanstieg folgte die Wende“, so die Analysten von Allianz Trade. Doch inzwischen stehen die Vorzeichen anders. „Viele Bauprojekte liegen mit höheren Zinsen und Materialkosten auf Eis – mit sichtbaren Folgen für Projektentwickler, Bauunternehmen und vor allem den Wohnungsmarkt“, sagte der Chef des Kreditversicherers im deutschsprachigen Raum, Milo Bogaerts. „Die Auftragslage trifft viele Projektentwickler und Bauunternehmer hart, da sie seit Monaten praktisch keine neuen Aufträge haben.“

Bogaerts zufolge sind oft Mittelständler am härtesten betroffen. „Gerade die vielen mittelständischen Unternehmen sind als Subunternehmer oft in einer Art Sandwichposition mit geringer Preissetzungsmacht gegenüber großen Auftraggebern.“ Das mache sie besonders anfällig bei einer Verschlechterung der Auftragslage und der Konjunktur.

(Mit Material der Agenturen)

 

 



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