„Wir schreiben alle rote Zahlen“: Deutsche Windindustrie in der Krise – China auf Übernahmekurs?

Auf dem deutschen Windmarkt könnte sich das Kräfteverhältnis bald massiv ändern. Chinesische Konzerne haben diese Branche fest im Visier – deutsche Hersteller schwächeln. Wie reagiert die Bundesregierung auf diesen wirtschaftlichen Angriff?
China greift unsere Windindustrie an – Deutsche Hersteller „schreiben alle rote Zahlen“
Zwei chinesische Ingenieure vor Windkraftanlagen. China droht, auch den deutschen Windmarkt zu erobern.Foto: iStock
Von 27. September 2023

Im äußersten Norden von Deutschland fand Mitte September die Messe HusumWind statt. An der Fachmesse für Windenergie nahmen viele der namhaftesten deutschen Windturbinenhersteller und -installateure teil. Windkraft ist stark im Kurs. Doch anstatt Erfolge zu feiern, beklagten die deutschen Aussteller überwiegend die schwierige Marktsituation – und warnten vor einer starken, nicht zu unterschätzenden Konkurrenz aus dem asiatischen Raum.

Bedrohung aus Fernost

Dennis Rendschmidt, Chef der Sparte Power Systems im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), wies auf eine Bedrohung aus Fernost hin. „In Europa haben chinesische Hersteller bereits 2,8 Gigawatt Windkraftleistung installiert oder projektiert“, warnte Rendschmidt. „Politik und Gesellschaft müssen sich die Frage stellen, ob sie etwas dagegen stellen wollen.“

Ähnliche Äußerungen klangen auch bei einer Podiumsdiskussion von Top-Managern der führenden deutschen und europäischen Windradbauer an. Siemens-Gamesa-Chef Jochen Eickholt fasste die Lage nüchtern zusammen:

Wir schreiben alle miteinander rote Zahlen.“

China

Siemens Gamesa-Chef Jochen Eickholt während einer Pressekonferenz. Er nannte im Januar 2023 die Lage für die deutsche Windbranche „schwierig“. Foto: Gregor Fischer/Getty Images

Die Gründe für diesen Zustand der deutschen Windkraftanlagenbauer sind vielfältig. Beklagt wurden etwa Qualitätsprobleme, hohe Inflation, teure Logistik, lange Genehmigungsverfahren und überstrapazierte Lieferketten.

Auf der Fachmesse waren auch chinesische und indische Wettbewerber vertreten. Sie kündigten an, auf den europäischen Markt vorzudringen. „Natürlich zielen wir auch auf den deutschen Markt ab“, sagte Gregoir de Fouchier, Verkaufsmanager der chinesischen SANY Renewable Energy Co., Ltd. „Wir denken auch an den Aufbau einer Fertigung in Europa.“

Déjà-vu in der Windenergie?

Vor rund zehn Jahren erlebte die deutsche Wirtschaft bereits etwas Ähnliches. Damals brach die hiesige Solarindustrie unter dem Wettbewerbsdruck chinesischer Hersteller nahezu komplett zusammen. Diese boten Solarmodule an, die deutlich günstiger als die der deutschen Anbieter waren. Die Qualität der Produkte war nahezu gleich, somit bevorzugten viele Solarkunden das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis der chinesischen Anbieter.

Heute stammen in Deutschland über 90 Prozent der Solarmodule aus China. Rund 97 Prozent des weltweiten Angebots an Solarwafern, einer Schlüsselkomponente von Photovoltaik-Zellen, wird in China hergestellt. Nun bahnt sich das Gleiche in der Windenergie an.

Offensive Strategie von China

China hat inzwischen gewaltige Produktionskapazitäten für Windturbinen errichten lassen. Die großen Mengen machen sie schlicht billiger. Schon heute sind die chinesischen Turbinen laut einer Analyse des europäischen Windverbandes WindEurope um bis zu 50 Prozent günstiger als vergleichbare europäische Modelle. Eickholt warnte:

Mehr als 50 Prozent aller Windkraftanlagen weltweit werden derzeit in China installiert. Dort entstehen Kapazitäten, die uns Skalen-Nachteile bescheren.“

Die Gesamtbetriebskapazität der Windparks in China betrug laut Daten des Global Energy Monitor im Mai 2023 über 310 Gigawatt (GW). In Deutschland sind es laut „Strom-Report“ gut 66 GW installierte Leistung. 2022 generierte China 46 Prozent mehr Windenergie als ganz Europa.

China

Einblick in eine Fabrik für Windturbinen in Lianyungang, Chinas östlicher Provinz Jiangsu, im Februar 2023. Foto: STR/AFP via Getty Images

China greift unsere Windindustrie an – Deutsche Hersteller „schreiben alle rote Zahlen“

Am Hafen der Stadt Nantong, Provinz Jiangsu, werden im Dezember 2022 etliche Rotorblätter für große Windkraftanlagen verladen. Foto: STR/AFP via Getty Images

Der Siemens-Manager Jochen Eickholt warnt: Sei der chinesische Heimatmarkt erst einmal ansatzweise gesättigt, dann würden sich Chinas Riesenfabriken ein Ventil suchen. Und dieses Ventil hieße Export.

Chinesische Hersteller bieten Abnehmern sehr großzügige Finanzierungsbedingungen, die von Peking staatlich gefördert werden. Sie erlauben den Betreibern, die Zahlung für die Turbinen aufzuschieben, bis der Windpark in Betrieb ist – oder erst drei Jahre nach der Bestellung zu bezahlen.

Es wäre laut WindEurope für europäische Hersteller undenkbar, so etwas im marktwirtschaftlichen System anzubieten. Hinzu komme, dass chinesische Turbinen mindestens genauso schnell geliefert werden können wie europäische Turbinen.

Die Windkraftindustrie schlägt laut „Merkur“ vor, neben schnelleren Genehmigungsverfahren auch bei Fördergeldern heimische Unternehmen zu bevorzugen. So soll nach ihrer Vorstellung bei der Versteigerung von Fördergeldern für Windrädern nur noch die Firmen an Auktionen teilnehmen dürfen, die hiesige Standards bei Umweltschutz sowie Arbeitsrecht einhalten und Anteile europäischer Wertschöpfung nachweisen können.

Wie reagiert die Bundesregierung?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist sich dieser Entwicklung bewusst. Auf Anfrage der Epoch Times teilte Pressesprecher Robert Säverin mit, dass die Politik „diese Marktentwicklungen sehr genau beobachtet“.

Bereits im März 2023 habe das Ministerium Vorschläge gemacht, um die Produktionskapazitäten in Deutschland zu stärken. So stellte Wirtschaftsminister Habeck am 25. März die „Windenergie-an-Land-Strategie“ vor. Darin nannte er konkrete Maßnahmen, welche die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Windkraftunternehmen stärken sollen. Es sollen Investitionen gefördert werden, die sowohl den deutschen Herstellern von Windenergieanlagen als auch ihren Zulieferern zugutekommen.

Darüber hinaus „wird auch die Windkraftbranche vom Wachstumschancengesetz profitieren, an dem das BMWK maßgeblich mitgewirkt hat“, erklärte Säverin. Über dieses Gesetz berät derzeit noch der Bundestag.

Und „im Übrigen stehen in der EU verschiedene Instrumente zur Verfügung, um möglicherweise wettbewerbswidriges Verhalten von Unternehmen aus Drittstaaten zu untersuchen und zu sanktionieren.“ Darunter fielen etwa das Anti-Dumping-Verfahren und ein Instrument zur Reaktion auf Drittstaatssubventionen.

Bundesverband: EU ist in der Pflicht

Aktuell verzeichnet der Bundesverband WindEnergie (BWE) in der Windbranche „noch starke Anteile deutscher und europäischer Wertschöpfung“. Der Epoch Times teilte Frank Grüneisen, Pressereferent des Verbands, mit: „Trotzdem sehen wir, dass chinesische Unternehmen den deutschen und europäischen Markt in den Blick nehmen.“

Der Verband sieht besonders die Europäische Union in der Pflicht, „für faire Marktmechanismen zu sorgen“. Konkret plane die EU, dass von in der EU installierten Technologien aus dem Bereich erneuerbare Energien (Windenergieanlagen, Photovoltaikanlagen etc.) mindestens 40 Prozent der eingesetzten Bauteile und Komponenten in der EU produziert werden sollen. „Im Falle der Windenergie ist dies schon jetzt zu mehr als 60 Prozent der Fall, für die Photovoltaik würde dies eine Stärkung bedeuten“, erklärte Grüneisen. Trotzdem wäre dies ein Schritt zur Stärkung von Europa als Industriestandort, den der Bundesverband begrüßt.

Der BWE hofft hier auf Standardisierungen beim Artenschutz und einen pragmatischeren Umgang mit Transportgenehmigungen. Ebenso solle Wert auf Fristen in Genehmigungsverfahren gelegt und das bereits im Koalitionsvertrag angekündigte Repowering vereinfacht werden. Mit Repowering ist der Austausch alter Windkraftanlagen durch leistungsfähigere neue Anlagen gemeint.

Neben SANY Renewable Energy nahmen neun weitere chinesische Aussteller an der HusumWind teil. Der Bundesverband stellte dazu folgende Auflistung zur Verfügung:

  • Changzhou Yougu New Energy Technology Co., Ltd.
  • CRRC Zhuzhou Electric Locomotive Research Institute Co., Ltd.
  • Dalian Clean Energy Industrial Co., Ltd.
  • Hongsheng Thermal System, Ltd.
  • Nanjing Movelaser Co., Ltd.
  • Panyu Chu Kong Steel Pipe (Lianyungang) Co., Ltd.
  • Qingdao Paguld Intelligent Manufacturing Co., Ltd.
  • SANY Renewable Energy Co., Ltd.
  • Wuxi Yuda heat-exchanger Co., Ltd.
  • Xinxiang Wanhe Filtration Technology CO., Ltd.

Auf der Messe wollten sich die Aussteller aus China primär präsent zeigen und darlegen, dass sie im internationalen Vergleich besonders preisgünstig seien, sagte Frank Grüneisen.



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