EU will Anteil der „Erneuerbaren“ noch schneller erhöhen

Die Europäische Union plant, den Anteil erneuerbarer Energien noch schneller zu erhöhen. Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf den Energie- und Wirtschaftssektor haben. Doch wie sieht der genaue Plan aus und welche Herausforderungen müssen dabei gemeistert werden?
Windstrom ist unweigerlich teurer als erwartet.
Symbolbild: Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen sind aus dem europäischen Energiemix nicht mehr wegzudenken.Foto: Jan Woitas/dpa
Von 31. März 2023

Innerhalb jedes EU-Staates muss der Anteil erneuerbarer Energien an der Gesamtproduktion bis zum Jahr 2030 mindestens 42,5 Prozent betragen. Das haben die Länder der Europäischen Union und die Mitglieder des EU-Parlaments am Abend des 30. März beschlossen.

Das wären 10,5 Prozentpunkte mehr als bisher geplant und zugleich eine Verdoppelung des Status quo. „Angestrebt“ werden sogar möglichst 45 Prozent. Der Abstimmung waren knapp zwei Jahre Verhandlungen vorausgegangen.

Nach Informationen von „Euronews“ handelt es sich um einen Kompromiss: Die Mitgliedstaaten hätten sich anfangs mit einem 40-Prozent-Ziel bis 2030 zufriedengegeben, die EU-Parlamentarier wollten 45 Prozent als Minimum.

113 Milliarden Euro für Investitionen

Die Reform der „Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ (RED III) muss nun noch vom Europäischen Parlament und dem Ministerrat der Mitgliedstaaten formal angenommen werden.

Nach Angaben des ZDF will die EU-Kommission in den nächsten sieben Jahren 113 Milliarden Euro für die RED III-Reform in die Hand nehmen.

Schnellere Genehmigungen, grüner Wasserstoff, Sektorziele

Erreichen will man den Ausbau der Erneuerbaren nach ZDF-Informationen auf mehreren Wegen. Der wichtigste dürfte die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für neue Windkraft- und Solaranlagen sein. Ist ein Baugebiet als „Vorranggebiet“ ausgewiesen, soll es bis zum behördlichen Okay nun maximal 18 Monate dauern. Auf anderen Flächen soll die Genehmigung nach längstens 27 Monaten vorliegen.

Außerdem soll laut ZDF künftig mehr „grüner Wasserstoff“ als Energieträger hergestellt werden. Das „Grün“ bezieht sich nicht auf die Farbe des Wasserstoffs, sondern auf das Elektrolyse-Produktionsverfahren, bei dem Wasser unter Einsatz von „klimaneutralem“ Ökostrom in Wasserstoff und Sauerstoff getrennt wird.

Nach der Richtlinienreform sollen bis 2030 mindestens 42 Prozent, fünf Jahre später sogar 60 Prozent des Wasserstoffs „grün“ produziert werden – also ohne CO₂-Ausstoß.

Nach Angaben der IHK Lippe/Detmold sollen „verbindliche Sektorziele“ auch den Anteil erneuerbarer Energien „für den Wärmebereich“ erhöhen. Vereinbart sei nun eine jährliche Steigerung von 1,1 Prozentpunkten. Für den „Wärmebedarf in Gebäuden“ sollen bis 2030 mindestens 49 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Im Verkehrssektor werde unter anderem eine Zielmarke von 29 Prozent vorgeschrieben – gegenüber bislang 14 Prozent.

Atomkraft nicht gerne gesehen

Zum Verdruss Frankreichs darf CO₂-freier Atomstrom dafür nur noch in Ausnahmefällen genutzt werden: Nur solche EU-Länder, die „einen besonders geringen Anteil an Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas verbrauchen und die Ausbauziele für Erneuerbare erreichen“, dürfen nach ZDF-Angaben bis zu „20 Prozent ihres Anteils an erneuerbarem Wasserstoff durch Wasserstoff aus anderen Energiequellen – einschließlich Kernenergie – ersetzen“.

Die Kernkraftnation Frankreich hatte zuletzt immer wieder darauf gepocht, dass auch seine AKWs den Strom für die Wasserstoff-Elektrolyse liefern dürfen sollten. Deutschland, Österreich, Luxemburg und andere Länder machten dem allerdings einen Strich durch die Rechnung.

Weniger Förderung für Holz als Energieträger

Holz behält wie auch die sonstige Biomasse nach der Richtlinie zwar den Status als erneuerbare Energie, wie das Onlineportal „Solarserver“ berichtet. Die Nachhaltigkeitskriterien seien allerdings so verschärft worden, dass „Stromerzeugung aus Holz […] nur noch in Ausnahmen förderfähig“ sei: „Für bestimmte Holzsortimente wie Säge-, Furnier- und Industrierundholz sowie Stümpfe und Wurzeln soll keine direkte finanzielle Förderung mehr gewährt werden“.

Der deutsche Europaabgeordnete Markus Pieper (EVP) bezeichnete den Beschluss laut „Euronews“ gleichwohl als „einen guten Tag für die europäische Energiewende“. Die niederländische NGO Fern sprach angesichts der Biomasse-Einstufung von einem „unglücklichen“ Ergebnis.

Habeck spricht von „Riesenerfolg“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete den RED III-Reformbeschluss als einen „riesigen Erfolg“. Die Ausbaugeschwindigkeit zwischen 2020 und 2030 könne damit verdoppelt werden. Nun beginne EU-weit „auch im Wärme-, Industrie- und Verkehrsbereich der Umstieg auf erneuerbare Energien“, freute sich Habeck. Dafür würden die nun „verbindlichen Sektorziele“ sorgen.

Ebenfalls ein „Riesenerfolg“ sei es, dass die „Kernelemente der beschleunigten Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien und Netze, die wir letztes Jahr im Zuge der Krise vereinbart haben, zukunftsfest gemacht und dauerhaft fortgeschrieben“ würden.

Habeck spielte damit auf die EU-Notfallverordnung ([EU] 2022/2577) vom 19. Dezember 2022 an, mit der Genehmigungsverfahren für einen schnelleren Ausbau von Wind- und Solaranlagen schneller als in früheren Jahren abgewickelt werden dürfen. Die Verordnung galt bislang nur bis zum 29. Juni 2024. Jetzt soll sie unbefristet wirken.

Behörden dürften damit dauerhaft schneller über Bauvorhaben entscheiden: In „Vorranggebieten“ fallen manche Prüfschritte weg – wegen des „übergeordneten öffentlichen Interesses“. Grundvoraussetzung dafür ist nach Angaben des Wirtschaftsministeriums allerdings, dass angemessene Vermeidungs- oder Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des Naturschutzes getroffen werden.

Lob und Kritik

Der französische EU-Abgeordnete und Umweltausschuss-Vorsitzende Pascal Canfin sagte, mit der Reform seien nun „weltweit beispiellose Regeln geschaffen [worden], um uns die Mittel an die Hand zu geben, den Kampf um das Klima zu gewinnen“.

Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) äußerte sich auf Twitter ähnlich: Der Beschluss werde uns helfen, „auf dem Weg zur Klimaneutralität voranzukommen, unsere Energiesicherheit zu stärken und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern – alles auf einmal“.

Nach Informationen von „Euronews“ kritisierte Chiara Martinell, die Direktorin der Klimaschutz-NGO „CAN Europe“, die  Reform als „nicht im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen“.  Das „EU-Ziel von 50 Prozent erneuerbarer Energien“ müsse vielmehr bis 2030 übertroffen werden. Auch die „Legislativvorschläge zu Gebäuden und Gas“ müssten ihrer Ansicht nach noch ehrgeiziger vorangetrieben werden.

Ehrgeizige Ziele – auch wegen Russland

Die Richtlinienreform wurde laut ZDF auch vereinbart, um schneller unabhängig von russischen Öl- und Gasimporten zu werden. Für den vollständigen Verzicht auf Russland als Energielieferant werde das Jahr 2027 angepeilt.

Nach Informationen des ZDF betrug der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch in den EU-Ländern im Jahr 2021 durchschnittlich 21,8 Prozent. Schweden lag damals nach Angaben des Statistischen Bundesamts mit 63 Prozent an der Spitze der EU, gefolgt von Finnland (43,1 Prozent), Lettland (42,11), Estland (38,01) und Österreich (36,45).

Deutschland schaffte im selben Jahr einen Anteil von 19,17 Prozent, Frankreich 19,34 Prozent. Luxemburg (11,74 Prozent), Malta (12,15), die Niederlande (12,28) und Irland (12,55) bildeten das Schlussquartett.

Auf Grundlage des „Green Deals“ der EU-Kommission soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt werden. Im Rahmen des „Fit-for-55-Pakets“ wurde unter anderem das Ziel festgelegt, „die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken“.



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