Migrationsbehörde zunehmend unter Druck

Epoch Times9. August 2015
Das Abschalten fällt Manfred Schmidt derzeit nach Feierabend nicht gerade leicht.

„Wenn ich zu Hause den Fernseher oder das Radio anschalte, geht es gleich weiter: In der ersten Nachrichtenmeldung geht es garantiert um das Thema Flüchtlinge“, erzählt der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die dabei geäußerten Vorwürfe ähneln sich: Seine Behörde bearbeite die Asylanträge nur schleppend. Es fehlten Entscheider. Immer mehr Bewerber müssten immer länger auf die Entscheidung warten, kritisieren Politiker.

Tatsächlich hat der wachsende Flüchtlingsstrom Schmidt und seine Behörde inzwischen stark unter Druck gebracht. Bei den Medien ist der Bundesamts-Chef längst zum gefragten Gesprächspartner geworden. Inzwischen vergehe fast kein Tag ohne Interviews. Und bei Terminen in Flüchtlingsunterkünften versucht der 55 Jahre alte frühere Spitzenbeamte im Bundesinnenministerium, die Wogen zu glätten – und bekennt dabei entwaffnend offen: „Hier steht er jetzt vor Ihnen, der an allem schuld ist.“

Dabei hatte Schmidt das Bundesamt vor rund fünf Jahren in verhältnismäßig ruhigem Fahrwasser übernommen. Damals schaffte die Nürnberger Bundesbehörde gerade die schwierige Wandlung vom einstigen „Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – und war froh, endlich das Negativimage der Asylbehörde abstreifen zu können.

Damals hatte das neue Zuwanderungsgesetz das Aufgabenspektrum der Behörde komplett verändert. Die bisherige Kernaufgabe – die Prüfung von Asylanträgen – trat in den Hintergrund. Das Bamf wurde zur obersten Behörde für die Ausländerintegration, zuständig etwa für die Zertifizierung von Sprach- und Integrationskursen.

Stark forciert hatte die Entwicklung hin zur Integrationsbehörde der damalige Bamf-Präsident Albert Schmid. Was aus heutiger Problemlage fast absurd klingt: Aus Sorge, das Bamf könnte angesichts der damals stark gesunkenen Flüchtlingszahlen überflüssig werden, hatte er sich intensiv um die im Zuwanderungsgesetz enthaltene Integrationsaufgabe bemüht. Tatsächlich waren seinerzeit die Asylanträge gesunken – von knapp 128 000 im Jahr 1995 auf 19 000 im Jahr 2005.

Mit der Umstrukturierung wurde der Flüchtlingsbereich personell stark abgespeckt. 900 der etwa 2300 Bamf-Mitarbeiter mussten sich seinerzeit auf neue Stellen bewerben. Das hatten viele Asylmitarbeiter genutzt, um sich behördenintern nach weniger belastenden Aufgaben umzusehen. Die Zahl der Entscheider schrumpfte bis 2013 auf 283. Bis zum Jahresende 2015 werden es nach Umschichtungen und Neueinstellungen nun wieder knapp 1000 sein.

Den Personalabbau beobachtete die Flüchtlingshilfsorganisation „Pro Asyl“ schon Ende des vergangenen Jahrzehnts mit Sorge. „Wir hatten das Bundesamt schon bald nach 2007 darauf hingewiesen, dass es sich nicht darauf verlassen kann, dass die Zahl der Asylanträge weiterhin niedrig bleibt“, berichtet der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovic. Bei Haushaltsexperten in der Bundesregierung sei die Forderung nach ausreichend Reservekapazitäten allerdings ungehört verhallt.

Dass inzwischen die Belastung der Bamf-Mitarbeiter wieder enorm ist, verhehlt auch Behördenchef Schmidt nicht. Natürlich seien alle Mitarbeiter unter Druck. Und natürlich sei es kein schönes Arbeitsklima, wenn man zum Dienstbeginn durch einen Wartesaal laufen müsse, der nachts als Schlafsaal genutzt wurde. Aber alle Mitarbeiter stünden zusammen. Sie seien entschlossen, die Hausforderungen zu meistern.

Ähnlich sieht das der Vorsitzende des Bamf-Hauptpersonalrats, Rudolf Scheinost. „Der Arbeitsdruck ist (…) deutlich gestiegen. Die Belastung ist hoch. Das hinterlässt bei den Mitarbeitern Spuren“, berichtet er. Trotzdem herrsche „Aufbruchsstimmung, die Mitarbeiter sind motiviert und stehen hinter dem Amt“. Damit die Stimmung nicht kippe, bräuchten die Mitarbeiter aber Planungssicherheit. Sorge bereiten Scheinost die Umschichtungen von Mitarbeitern vom Integrations- in den Asylbereich. Die abgezogenen Mitarbeiter würden später dann wieder fehlen, wenn es um die Integration der jetzt nach Deutschland kommenden Flüchtlinge gehe.

(dpa)

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