Grenzkontrollen: Brandenburgs Innenminister schlägt Alarm
Die Zahl der Schleusungen und unerlaubten Einreisen über die deutsch-polnische Grenze in Brandenburg steigt weiter deutlich. In den vergangenen zwei Wochen seien 550 Menschen festgestellt worden, die illegal über die Grenze gebracht worden seien, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Im Durchschnitt seien das 50 aufgegriffene illegal Eingereiste pro Tag – nach durchschnittlich 35 im August. Acht Schleuser seien gefasst worden. „Die Zunahme der illegalen Schleusungen gerade über die deutsch-polnische Grenze sprengt gerade jeden Rahmen“, sagte Stübgen bei einem Besuch im Kreis Spree-Neiße.
Die meisten dieser Migranten stammen dem Innenressortchef zufolge aus Syrien, dahinter folgten Menschen aus der Türkei, kleinere Gruppen kämen aus Indien, Afghanistan und dem Irak. Stübgen forderte vom Bund erneut die rasche Einrichtung stationärer Kontrollen an der Grenze nach Polen und auch nach Tschechien. „Es ist schon viel zu viel Zeit vergangen“, kritisierte er. In diesem Jahr gab es bis August laut Bundespolizei insgesamt 70.753 unerlaubte Einreisen.
Faeser prüft „zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen“
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) führt nach Angaben ihres Sprechers derzeit Gespräche mit Polen und Tschechien über mögliche „zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen“. Am Wochenende habe es Kontakte mit dem tschechischen Innenminister und auf hoher Beamtenebene auch mit der polnischen Seite gegeben. Die Bundesinnenministerin werde noch vor dem EU-Innenministertreffen an diesem Donnerstag auch mit ihrem polnischen Amtskollegen über das Thema beraten, sodass sehr schnell zusätzliche Maßnahmen getroffen werden könnten.
Es gehe darum, im gesamten Grenzgebiet mit der Bundespolizei präsent zu sein und kontrollieren zu können, „gegebenenfalls auch schon auf der anderen Seite der Grenze, so wie wir das beispielsweise mit der Schweiz machen, mit gemeinsamen grenzpolizeilichen Maßnahmen“, sagte der Sprecher. Ziel sei es, noch mehr Schleuser aufzugreifen.
Seit Herbst 2015 gibt es solche vorübergehenden Kontrollen direkt an der Grenze in Bayern – an der Grenze zu Österreich. Sie werden vom Bundesinnenministerium bei der EU-Kommission angemeldet und jeweils verlängert. Für andere Grenzabschnitte hat Faeser solche Kontrollen, die in Brüssel mit einem Vorlauf von etwa einem Monat beantragt werden müssen, bislang für nicht sinnvoll erachtet.
Tschechien für Maßnahmen mit Deutschland
Tschechien ist zu gemeinsamen Maßnahmen mit Deutschland gegen irreguläre Migration bereit. Zum einen habe er sich mit seiner deutschen Kollegin Faeser auf die Anwendung des sogenannten Schweizer Modells verständigt, sagte der tschechische Innenminister Vit Rakusan nach Gesprächen mit der SPD-Politikerin in einem Videopodcast des Nachrichtenportals Seznamzpravy.cz. Zur Erläuterung sagte er: „Deutsche Polizisten sollen das Recht erhalten, gemeinsam mit tschechischen Polizisten die Migrationssituation bereits auf der tschechischen Seite der Grenze zu überwachen“, sagte Rakusan. Dies ermögliche der bestehende Deutsche-Tschechische Polizeivertrag.
Zum anderen seien „mehrere markante Aktionen“ gegen Schleuser geplant, sagte Rakusan, ohne näher ins Detail zu gehen. Faeser habe signalisiert, dass Deutschland auf stationäre Grenzkontrollen verzichten können werde, falls diese Maßnahmen Wirkung zeigen sollten. Rakusan rechnet nach eigener Aussage mit ersten konkreten Schritten bis Ende der Woche.
Grüne üben Kritik
Die Grünen halten ständige Kontrollen direkt an der Grenze und die von Unionspolitikern und der FDP ebenfalls vorgeschlagene Ausgabe von Sachleistungen an Asylbewerber dagegen nicht für sinnvolle Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Fluchtzuwanderung. Die Verteilung von Sachleistungen sei bereits erlaubt, sagte der Co-Vorsitzende Omid Nouripour in Berlin nach einer Sitzung des Parteivorstandes. Sie werde aber wegen des damit verbundenen großen Arbeitsaufwands für die Kommunen kaum praktiziert. Mobile Kontrollen seien auch wegen der Belastung für die Bundespolizei besser als stationäre Kontrollen an den deutschen Grenzen, fügte er hinzu.
In der Flüchtlingspolitik gebe es weder einfache noch schnelle Lösungen, betonte der Grünen-Politiker. Deshalb täten die Politiker der demokratischen Parteien gut daran, „auf Parolen zu verzichten“. Einige Äußerungen politischer Mitbewerber aus den vergangenen Tagen seien offensichtlich den Landtagswahlkämpfen geschuldet. Wohl in Anspielung auf die FDP kritisierte er, wenn eine Partei befürchte, die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden zu können, so sei dies keine Entschuldigung dafür, „dass man die Untergrenze für Anstand verletzt“. In Hessen und Bayern sind am 8. Oktober Landtagswahlen.
Aus Sicht der Grünen müssten die Kommunen schnell finanziell entlastet werden, damit sie die Unterbringung und Integration der Geflüchteten bewältigen könnten. Wichtig sei außerdem, dass möglichst schnell mit Herkunftsstaaten Abkommen über Migration- und Rückführung vereinbart würden. Auch müsse der „Integrationsmotor Arbeitsmarkt“ schneller angeworfen werden. Dafür sollten die Möglichkeiten genutzt werden, aus dem Asylverfahren in die Erwerbsmigration zu wechseln. „Spurwechsel – das ist das Gebot der Stunde“, sagte Nouripour.
Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl – ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Untergebracht und versorgt werden müssen zudem mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
FDP-Generalsekretär nennt Grüne „Sicherheitsrisiko“
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte unterdessen seine Kritik am grünen Koalitionspartner. Die Bundesregierung müsse beim Thema Migration ein gemeinsames Verständnis für die Realität im Land haben, sagte er nach Beratungen des FDP-Präsidiums. „Es wird nicht funktionieren, wenn ein Koalitionspartner die Dinge anders sieht oder durch Bedenken gesamteuropäische Lösungen aufhält.“
Djir-Sarai hatte am Wochenende gesagt: „Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer: Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen.“
Auf Nachfrage nannte er als ein Beispiel die sogenannte EU-Krisenverordnung. Diese sei von zentraler Bedeutung für eine europäische Einigung. „Aus meiner Sicht ist es außerordentlich problematisch, wenn Teile der Bundesregierung der Auffassung sind, dass das so nicht kommen soll.“
Baerbock: „Menschen geordnet in Europa verteilen“
Die Krisenverordnung soll Teil eines Reformpakets für das EU-Asylsystem werden. Im Sommer waren Gespräche über die Verordnung vorerst gescheitert – vor allem wegen Bedenken aus Berlin. Bei dem Vorhaben geht es etwa um längere Fristen für die Registrierung von Asylgesuchen an den Außengrenzen, wenn sehr viele Asylsuchende innerhalb kurzer Zeit ankommen, sowie um eine dann mögliche Absenkung von Standards für Unterbringung und Versorgung.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte im Deutschlandfunk, sie und Innenministerin Faeser arbeiteten daran, „dass wir in Europa endlich zu gemeinsamen Regelungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik kommen“. Es brauche Struktur und Ordnung. An den Außengrenzen müssten klare Regeln geschaffen werden, „damit endlich Menschen geordnet in Europa verteilt werden“. Sie verwies auf schnelle Verfahren an den Außengrenzen und schnelle Rückführungen. (dpa/dl)
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