Personalmangel und Fehler im Asylsystem sind Grund für Antragsstau sagt Forscher
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schiebe eine immense Bugwelle unerledigter Anträge vor sich her, sagte der Migrationsforscher Dietrich Thränhardt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Im europäischen Vergleich liege Deutschland hier weit an der Spitze, und eine Besserung sei nicht in Sicht. Neben einem Mangel an „Entscheidern“ in der Behörde sieht Thränhardt vor allem den großen Verwaltungsaufwand für sogenannte Widerrufsprüfungen und „Dublin“-Fälle als Ursache. In einem Gutachten fordert er eine Reform des Asylverfahrens.
Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland steigt seit vielen Monaten rapide. Im ersten Halbjahr stellten fast 180 000 Menschen einen Asylantrag. Bis zum Jahresende werden mindestens 450 000 Anträge erwartet. Das Bundesamt, das alle Asylgesuche bearbeitet, wird damit kaum noch fertig. Bis Ende Juni hat sich dort ein Berg von fast 240 000 unbearbeiteten Anträgen angestaut. Das sind doppelt so viele wie ein Jahr zuvor.
„In der Bundesrepublik gibt es so viele unerledigte Anträge wie in allen anderen EU-Ländern zusammen“, sagte Thränhardt. Der Berg wachse seit 2008 ununterbrochen an. Dies Problem habe seinen Ursprung also vor dem rasanten Anstieg der Flüchtlingszahlen.
In einem Gutachten für die Informationsplattform Mediendienst Integration, das am Freitag veröffentlicht werden sollte und der dpa vorab vorlag, nennt der Wissenschaftler mehrere Gründe für die Entwicklung. Sehr viel Aufwand für das Bundesamt verursachen demnach die Widerrufs-Prüfverfahren: Hat ein Asylantrag Erfolg, bekommen die Betroffenen eine Aufenthaltserlaubnis für bis zu drei Jahre. Danach muss das Bundesamt überprüfen und entscheiden, ob der Asylstatus erhalten bleibt – oder eben widerrufen wird.
Dies Vorgehen gebe es nur in Deutschland, erklärte Thränhardt. Der Nutzen sei jedoch fraglich, weil es nur in den wenigsten Fällen zum Widerruf des Flüchtlingsstatus komme. Im vergangenen Jahr habe die Behörde rund 16 000 solche Verfahren eingeleitet, von denen weniger als fünf Prozent zum Widerruf geführt hätten.
Eine weitere Belastung für die Behörde seien die sogenannten Dublin-Fälle. Viele Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, sind über einen anderen EU-Staat nach Europa eingereist und müssen laut Dublin-Verordnung eigentlich dorthin zurück. Im vergangenen Jahr traf das auf etwa jeden fünften Asyl-Erstantrag zu. Nur in 14 Prozent der Fälle wurden Asylbewerber aber tatsächlich in ein anderes Land überstellt. Zum Teil gehen andere Staaten schlicht nicht auf solche „Übernahmeersuchen“ ein.
Auch hier stelle sich die Frage, ob die Ergebnisse den Aufwand rechtfertigten, sagte Thränhardt. 45 der 560 „Entscheider“ beim Bundesamt seien ausschließlich mit Dublin-Fällen beschäftigt.
Der Migrationsforscher plädierte dafür, die Widerrufs-Prüfverfahren komplett abzuschaffen und die Dublin-Fälle nicht mehr vorrangig als solche zu behandeln. Außerdem brauche die Behörde dringend mehr Personal. Thränhardt hält dort etwa 2000 „Entscheider“ für nötig. Derzeit hat das Amt gut 2800 Mitarbeiter, davon aber nur 560, die am Ende über Asylanträge entscheiden. Die Bundesregierung hat der Behörde bis zu 2000 Stellen zusätzlich versprochen. Die Einstellung und Ausbildung von „Entscheidern“ braucht aber Zeit.
(dpa)
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