Tiny House: Das XS-Eigenheim als Öko-Idee?
Wo vor wenigen Jahren noch alles grün war, haben Trockenphasen und Borkenkäfer größere Waldareale stark geschädigt. „70 Prozent unseres Bestands waren Fichten und die haben wir innerhalb von zwei Jahren komplett verloren“, schildert Timo Gelzhäuser aus dem Sauerland.
Wohin also mit dem Holz? Aus der Not heraus kam er mit seiner Schwester Lisa auf die Idee eines „Organic Tiny House“ – einem ökologischen Mini-Häuschen, gebaut aus ihrem vernichteten Fichtenholz.
Zusammen mit der Uni Dortmund und gefördert vom Land NRW haben sie jüngst einen Prototyp entwickelt. Zu einer passenden Zeit: Wie in vielen anderen Ländern auch stoßen die Zwergenhäuser in Deutschland derzeit auf wachsendes Interesse.
Trend Tiny House – aber wieso?
Die Nachfrage nach den XS-Häusern vor allem als Eigenheim sei groß, sagt Regina Schleyer vom Tiny House Verband. Zu den Gründen gehört: „Das konventionelle Bauen wird immer teurer, die Mieten steigen, die Energiepreise klettern.“
Von mehr als 100 Anbietern bundesweit geht der Verband aktuell aus. Auch Umweltaspekte, Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit seien vielen Tiny-House-Fans wichtig. Bei den Forstbesitzer-Geschwistern aus Kierspe wird das besonders großgeschrieben.
Nachhaltigkeit auch beim Bau
„Wir verwenden nur totes, also gerettetes Holz“, betont Lisa Gelzhäuser (35). Borkenkäfer bleiben stets unter der Baumrinde, fressen sich nicht ins Holz hinein, das man daher einwandfrei nutzen könne, erläutert ihr Bruder Timo (39).
Das Organic House aus naturbelassener Fichte sei ein CO₂-Speicher. Beton und Stahl sind tabu. Und: „Kein Leim, keine Chemie.“ Eine Luftwärmepumpe gehöre zum Standard, das Holzhäuschen sei gut isoliert, mit recycelbarem Titanzinkblech oder Naturschiefer gedeckt.
Die beiden haben in ein kleines Sägewerk auf dem Familienhof investiert. Dort wird zersägt, maschinell getrocknet, gehobelt. Ein Second-Hand-Roboter aus der Autoindustrie sägt die Bohlen an den Ecken so zurecht, dass sie später ineinander gesteckt werden können.
Die einzelnen Materialien des Tiny House – ohne Nägel gefertigt – sind nach einem Kreislaufprinzip bei Bedarf auch später wiederverwertbar. Das Häuschen kann zudem mit einem Kran verladen und auf Wunsch an einen anderen Standort gebracht werden. Es steht auf Schrauben-Fundamenten einige Zentimeter über dem Boden, damit Wasser versickern kann – Flächenversiegelung bleibt aus.
Kommunen springen auf den Zug auf
Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund heißt es, für die oft mobilen Tinys könnten sich etwa brachliegende Flächen oder nicht anderweitig bebaubare Restflächen und Baulücken auch temporär eignen. Das Thema habe an Bedeutung zugenommen, die Häuschen seien auch in immer mehr Städten und Gemeinden anzutreffen.
Angesichts von Wohnungsnot und kleiner werdenden Haushalten „können Tiny Houses durchaus eine Alternative für Städte und Gemeinden darstellen“, sagt Referatsleiter Alexander Kramer. Einzelne Kommunen setzten auch bei der Unterbringung von Migranten auf die XS-Häuschen.
Schleyer vom Tiny House Verband weiß: „Es tut sich viel. Auch immer mehr Kommunen öffnen sich, sehen Chancen.“ Siedlungen oder Tiny-Dorf-Projekte in Planung gebe es etwa in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, bei Hamburg oder in Nordrhein-Westfalen. Auch aus anderen Bundesländern beobachte man wachsendes Interesse, der Markt entwickle sich.
Oft handele es sich um junge Paare, auch mit Kindern, die minimalistisch leben wollten. Aber auch die Altersklasse 50 plus sei viel vertreten. Ausstattung und Preise der Minis variierten stark, beliebt seien Häuschen auf Rädern. „Um flexibel zu bleiben, falls man mal umziehen möchte.“ Tiny-House-Verkaufszahlen würden nicht erfasst.
Erlöse fließen in die Umwelt
Bei den Gelzhäusers melden sich Leute, die schon lange von einem Holzhäuschen geträumt haben oder ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern möchten, erzählt der 39-Jährige. Die Basis bilden Module. Das einfachste bietet knapp 20 Quadratmeter Wohnfläche und hat ein Flachdach, kostet gut 75.000 Euro.
Es sind viele Größen, Varianten, Erweiterungen, Dachformen möglich. Übrigens: Wird ein Tiny House für dauerhaftes Wohnen genutzt, gilt es als Gebäude, man braucht eine Baugenehmigung und alle gängigen Bauvorschriften sind zu beachten.
Die Geschwister aus dem Sauerland wollen den Erlös aus den Häuschen in die Wiederaufforstung stecken. „Für jedes verkaufte Haus pflanzen wir neu an, investieren in biodiverse Mischwälder mit hoffentlich klimaresistenten Baumarten“, erläutert Lisa Gelzhäuser.
Die beiden haben den Deutschen Waldpreis 2023 als „Waldbesitzer des Jahres“ erhalten. „Es gibt so viel Holz, aber keinen Plan dafür, außer es zu exportieren“, bedauert Timo Gelzhäuser. Auch sie hatten erst nach China geliefert – und dann umgesteuert.
Ihre Fichten reichen für noch zwei Jahre Tiny-Produktion. Danach werde man abgestorbene Bäume von umliegenden Waldbauern zukaufen. Die Geschwister hoffen, dass ihr Beispiel Nachahmer findet, denn: „Die verheerenden Schäden durch den Klimawandel sind ja ein Jahrhundertproblem und treffen viele Waldbauern im Land.“ (dpa/mf)
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